Gordon McBane (Interview)
Michael Schmidt: Lieber
Gordon, stell dich den Zwielicht Lesern doch mal vor!
Gordon
McBane: Ich arbeite gegenwärtig als Redakteur und
Consultant bei einer PR-Agentur. Politisch engagiere ich mich sehr für die
Unabhängigkeit Schottlands, weil meine gesamte Familie mütterlicherseits aus
den Highlands stammt und ich mich sehr mit der Nation identifiziere. So schrieb
ich beispielsweise meine Bachelorarbeit über die kulturelle Identität
Schottlands, war für die Westdeutsche Zeitung beim Unabhängigkeitsreferendum
2014 in Edinburgh und bin Mitglied der Deutsch-Britischen Gesellschaft. Zur
Schriftstellerei bin ich jedoch erst auf Umwegen gekommen, die Kinematographie
lag mir zuerst näher als die Literatur – über das bewegte Bild glaubte ich mehr
zu erfahren als über einen fließenden Text. Natürlich hatte ich schon in der
Grundschule skurrile Kurzgeschichten geschrieben, die zwar von Lehrern gelobt
wurden, aber über die ich aus heutiger Sicht lieber den Mantel des Schweigens
legen würde. Der Materie Text habe ich mich langsam angenähert, als mich meine
kaufmännische Berufsausbildung nicht voll auslastete und ich ein Ventil
brauchte, um an einem richtigen Projekt arbeiten zu können, welches mich auch
forderte. So verfasste ich ein Drehbuch für einen Kurzfilm, den ich später
gedreht habe. Auf diese Weise ging es mit dem Schreiben wirklich los.
Michael Schmidt: In
Zwielicht 11 erscheint eine Geschichte von dir, also fangen wir damit mal das
Interview an. Du arbeitest als Journalist. Da kommt direkt der Gedanke auf, du
hast sowas wie The Hanky Panky Girl
schon mal selbst erlebt?
Gordon
McBane: Jein. Ich habe zwar zuvor als Praktikant beim
Radiosender NEWS-89.4 in Neuss
angeheuert, aber später ein Drehbuch geschrieben, welches in Zusammenarbeit mit
dem Hochschulradio [97.1] als
Hörspiel-Krimi vertont wurde. Ich war damals auch direkt als Regisseur
verantwortlich und ging im Sender oft ein und aus. Da das Audiobook aber eine
Gesamtlänge von mehr als fünf Stunden hatte und viele Sprecher benötigt wurden,
haben wir manche Tage noch sehr lange im Studio gehockt. Da kam mir tatsächlich
die Idee zu einer grusligen Geschichte, wo ein Moderator in der Nachtschicht
von einem unheimlichen Anrufer kontaktiert wird. Aber eine persönliche
Erfahrung in dieser Form habe ich natürlich nicht gemacht.
Michael Schmidt: Da ich im
Netz nichts gefunden habe. Ist das deine einzige
Kurzgeschichtenveröffentlichung oder gibt es da noch mehr?
Gordon
McBane: Ja, es gibt noch mehr. Dass man meine anderen Texte
nicht findet, liegt daran, dass ich früher viele Stories unter diversen
Pseudonymen verfasst habe. Bei der zuvor erwähnten Krimi-Hörspielreihe wurde
ich beispielsweise als Jim Gordon
aufgeführt. Kolumnen oder satirische Texte schrieb ich ebenfalls unter wechselnden
Künstlernamen – einerseits wollte ich damit verschiedene Rubriken abgrenzen und
auf der anderen Seite konnte ich bis zu meinem Studium ja noch nicht
abschätzen, wie potenzielle Arbeitgeber darauf reagieren. Wie würde es denn
aussehen, wenn im Internet steht, dass der Bewerber politische Persiflagen und
Krimis über wildgewordene Kettensägenmörder verfasst? Die hätten mich auch für
einen Psychopathen halten können. Mittlerweile stehe ich aber dazu und betrachte
meine Kreativität als große Stärke. Bei Organisationen, denen zu viel Innovation
nicht geheuer ist, will ich ohnehin nicht tätig werden. Das gleicht sich also am
Ende wieder aus.
Michael Schmidt: Venedig
soll ja toll sein. Bist du schon mal dort gewesen?
Gordon
McBane: Ja, natürlich. Ich bin zur Recherche extra dort
hingereist, wie auch zu den meisten anderen Orten, wo die Handlung stattfindet.
So konnte ich alles sehr bildlich beschreiben und quasi auf den Spuren der
Charaktere wandeln. Allerdings ist der Zusatz auf dem Cover „Venedig-Krimi“ ein
bisschen schwammig. Die Lagunenstadt ist zwar Ort der Haupthandlung, aber es
gibt auch immer wieder Kapitel, die in anderen europäischen Städten spielen wie
zum Beispiel in den Straßen von Venedigs Rivalin: Genua! Aber auch in Städten
in Spanien, Frankreich oder Österreich.
Michael Schmidt: Das Vermächtnis des Künstlers ist der Auftakt einer Trilogie. Lassen sich die Bände auch
einzeln lesen?
Gordon
McBane: Um Himmels willen: Nein! Ich betone auf Nachfragen
immer, dass ich nur einen Debütroman geschrieben habe. Allerdings hatte das
fertige Manuskript am Ende über 1.200 Seiten; der damalige Titel lautete noch Die Kinder von Bragolin. Zwar hat der
Ullstein-Verlag am Ende einiges gekürzt, aber letztendlich standen wir immer
noch vor 1.000 Seiten – viel zu lang, um dies für einen Frischling wie mich in
einem fetten Schinken zu drucken; zumal der Trend heutzutage ohnehin eher zu
kürzeren Lektüren zwischen 300 bis 400 Seiten geht. Am Ende konnten wir aber
nichts mehr kürzen, ohne die Handlung zu verstümmeln. Da der Verlag aber von
dem Skript überzeugt war, entschlossen sie sich in Absprache mit mir, das Buch
in drei Bände aufzuspalten und als Bragolin-Reihe zu publizieren. Deswegen muss
ich direkt vorwarnen: Band I Das Vermächtnis des Künstlers hat am Ende zwar einen Höhepunkt, aber auch einen
Cliffhanger – ebenso wie Band II Die Maske der Angst. Die Bücher sind also sprichwörtlich wie aus einem Guss und
sollten daher auch so gelesen werden.
Michael Schmidt: Eine Reihe mysteriöser Mordfälle führt
George Mallory nach Venedig Dr. George Mallory, Dozent für Psychologie an der
Universität von Virginia, glaubt nicht an paranormale Phänomene. Er hat es sich
zur Aufgabe gemacht, deren natürliche Ursachen ans Licht zu bringen. So der
Verlagstext. Der Roman wird als Mystery Thriller angekündigt. Was darf man
darunter verstehen und was macht den Unterschied zu einem Krimi oder einem
Horrorroman aus? Und wo liegt die Betonung bei Das Vermächtnis des Künstlers?
Gordon
McBane: Hier muss ich etwas ausholen. Eigentlich war mein
Eindruck bisher, dass die Bragolin-Reihe vom Verlag als Krimi eingestuft wird.
Dies ist nicht ganz falsch, denn natürlich finden sich mit dem ein oder anderen
Mord und der Polizeiarbeit der Carabinieri kriminalistische Elemente in dem
Plot. Aber ja, in erster Linie ist es auch aus meiner Sicht ein
Mystery-Thriller. Bei Twin Peaks
ermitteln ja auch die Protagonisten aufgrund eines Mordes, aber im Zentrum
stehen unerklärliche bis paranormale Phänomene, die sich rasch als nicht
fassbare Bedrohung entpuppen. Das unterscheidet meiner Meinung nach Krimi von
Mystery – ein Krimi kann jedoch sehr wohl Horrorelemente enthalten, wenn der
Mörder nur unheimlich genug in Szene gesetzt wird. Ähnliches wird auch in
meiner Geschichte den Leser erwarten, allerdings erscheint den Charakteren dort
das Böse im Verlauf der Geschichte immer mehr in einer übernatürlichen Form.
Das Grauen spielt sich jedoch in deren Köpfen ab, erweckt deren innere Dämonen,
aber der Horror materialisiert sich nicht. Es werden also keine Vampire aus dem
Schatten hervortreten oder angestaubte Skelette plötzlich zum Leben erwachen. Und
wie zuvor erwähnt, schrieb ich das Manuskript ja als einen dicken Roman, wo
sich ein roter Faden durchzieht und es immer düsterer wird. Da nun die Geschichte
in drei Teile separiert wurde, verschiebt sich der Fokus je nach Band. Das Vermächtnis des Künstlers kommt noch
eher an einen Krimi heran, weil die Todesfälle im Fokus stehen und man diese rational
zu erklären versucht. In Die Maske der Angst treten dagegen die Mystery-Elemente mehr in den Vordergrund, weil die
Protagonisten der Lösung des Geheimnisses näherkommen und dabei an ihrem
Verstand zu zweifeln beginnen. Schatten über Venedig stellt ja im Grunde das düstere Finale meines Manuskriptes
dar, weswegen das Erzähltempo hier deutlich angezogen wird und es auf den
gruseligen Höhepunkt zusteuert. Aber da die Print-Bücher erst am 9. März
veröffentlicht werden, ist noch nicht abzusehen, wie sie letztendlich aufgenommen
werden. Interessant ist aber, dass bereits erste Leser meinten, dass das Buch
mehr ein klassisches Horrorwerk a la Stephen King sei – während ein Leser der
Bragolin-Reihe dagegen jeglichen Suspense
absprach und in der Lektüre eher ein Kunst-Drama mit mystischen Zügen erkennen
wollte. Ich will den Leuten nicht meine Ansicht einreden, denn alles, was ich
sagen wollte, steckt ja in diesem Buch. Was darüber hinausgeht, empfände ich
als unfair gegenüber dem Leser. Denn genau das gefällt mir; ich spiele nicht
nur gerne mit Konventionen, sondern erwarte ja auch gerne dasselbe von anderen
Künstlern. Viele meiner Lieblingsbücher lassen sich beispielsweise keinem
eindeutigen Genre zuordnen. Ich meine, um was für eine Art Buch handelt es sich
bei Kafkas Die Verwandlung oder
Conrads Herz der Finsternis? Ich weiß
es nicht, aber dafür weiß ich etwas anderes: Die Bücher sind verdammt gut und
lassen sich in keine Schablone pressen. Ob so etwas natürlich auch nur
annähernd mal auf meine Bücher zutreffen wird, entscheide allerdings nicht ich,
sondern auch hier wieder die Leser. Zumal ich ja gerade erst ganz am Anfang
stehe und selbst noch zuhören und lernen muss.
Michael Schmidt: Es gibt ja
viele Kriminalromane die in Venedig spielen. Commissario Brunetti von Donna
Leon ist ja ein Weltbestseller. Es gibt aber auch Romane wie Jörg Kleudgens Teatro Oscura, die das unheimliche und
mystische betonen. Hat Das Vermächtnis
des Künstlers Vorbilder und was ist aus deiner Sicht das Besondere an der
Trilogie?
Gordon
McBane: Ich gestehe, ich habe Donna Leon nie gelesen. Aber
danke für den Tipp mit Jörg Kleudgen, das notiere ich mir. Generell habe ich
bisher noch nie ein Buch gelesen, das in Venedig spielte, aber ich glaube, das
werde ich mal ändern. Allerdings fand ich die Stadt natürlich schon immer
faszinierend, aber wer findet das nicht? Demnach schwebte auch mir immer
Venedig als Ort einer zukünftigen Geschichte vor. Aber die Bragolin-Reihe
greift ja mehr oder weniger auf wahre Begebenheiten zurück. Und die
unheimlichen Gemälde, um die sich die Bücher ranken, stammen wirklich aus dem
Venedig der Nachkriegszeit. Ich habe die Serenissima also nicht zufällig
gewählt, sondern sie hat sich mir aufgedrängt. Es war perfekt, denn so konnte
ich mein erstes Buch auch direkt in der Lagunenstadt ansiedeln. Ich gebe jedoch
zu: Hätte ich während meiner Recherchen herausgefunden, dass die Bilder des
Bragolin aus Barcelona stammen, hätte die Haupthandlung dort gespielt. Aber
Venedig hätte ich dann sicher irgendwann mal in eine andere Geschichte
reingepackt.
Als Vorbild für die Darstellung Venedigs wie auch
die erzählerische Atmosphäre in meinem Buch, diente in erster Linie der britische
Horrorfilm Wenn die Gondeln Trauer tragen
aus dem Jahre 1973. Eigentlich ist es mehr ein avantgardistisches, düsteres
Drama als ein typischer Horrorfilm. Ganz kurz: Er erzählt davon, wie ein
Ehepaar nach dem Tod ihres Kindes nach Venedig reisen. In den Straßen der Stadt
glaubt die Mutter plötzlich ihren verstorbenen Sohn zu erkennen und gerät
dadurch in eine seelische Krise. Das Werk war eher atmosphärisch als
schockierend angelegt, ruhig erzählt statt temporeich. Es zeigte nicht das romantisiert-verklärte
Venedig, sondern eine dreckige und in Nebel verhüllte Stadt mit langen Schatten
und dunklen Gassen. Beeindruckt hatte mich die vielschichtige Bildsprache rund
um die Motive Sehen und Nicht-Sehen, Wahrnehmung und Erinnerung – ein
Möbiusband der Reflexionen, wenn man so will. Diese Motive fanden schließlich
auch Einzug in mein Buch. Im englischen Original heißt der Film auch treffender
Don’t Look Now und in der
Bragolin-Reihe geht es ja um die Porträts von Kindern, die von ihrem Mörder
gezeichnet worden. Die Augen der Kinder üben eine morbide Macht auf den
Betrachter aus, die sich von den Blicken angeklagt und verfolgt fühlen. Daher
geht bis heute das Gerücht um, dass der Urheber dieser Werke den Kindern nach
und nach mit jedem Pinselstrich ihre Seelen nahm und in diese Gemälde sperrte. Das
verstärkt natürlich nochmal die hypnotische Wirkung der Malereien. Ich kam
rasch zu dem Entschluss, dass dies ein unglaublich packender Stoff mit viel
Symbolik und psychologischen Abgründen war. Und mit Venedig als Ausgangspunkt,
wusste ich, dass dies mein Debüt als Schriftsteller werden sollte.
Michael Schmidt: Bisher sind
alle drei Bände als E-Book erschienen, die Taschenbücher folgen am 9. März
2018. Waren die E-Books so
erfolgreich oder war von vorne herein eine Taschenbuchausgabe geplant?
Gordon
McBane: Die Ebooks sind noch nicht so lange draußen, erst
seit Anfang Februar 2018. Allerdings stand relativ früh fest, dass der Verlag
die Trilogie auch als Taschenbücher veröffentlichen wird, was ich dem Druckhaus
hoch anrechne. Immerhin ist dies mein Debüt als Schriftsteller und heutzutage
ist es ja eher so, dass man erst ein oder zwei Bücher via Selfpublishing
vertreibt, um dann mal einen Vertrag bei einem Verlag ergattern zu können. Und
häufig wird dort das erste Werk zunächst als Ebook veröffentlicht und erst, wenn
dieses sich gut genug rentiert, kann man sich auf den Print unter einem
Verlagslabel freuen. So zumindest häufige Praxis. Ich habe mir da keine
Illusionen gemacht und war daher verblüfft und glücklich zugleich, dass ich mit
meinem ersten Versuch gleich diese beiden Hürden überspringen konnte. Dennoch
muss ich betonen, dass Ebooks keine Bücher zweiter Klasse sind, sondern immer
wichtiger werden.
Der Grund für die Veröffentlichung ist wahrscheinlich
darauf zurückzuführen, dass man vorher bereits auf mein Manuskript aufmerksam
wurde und ich viele andere Projekte außerhalb der Literatur vorweisen konnte.
2016 besuchte ich nämlich in Frankfurt eine Autorenmesse, als ich beschloss,
mich an mein erstes Buch heranzuwagen. Ich wollte mich lediglich über die
Branche informieren, aber es gab eine Ausschreibung für einen Buchcontest, wo man
sein Manuskript vorstellen konnte. Als totaler Noob war ich zunächst skeptisch,
reichte dennoch meine Idee ein – einen Versuch war es immerhin wert. Eine Woche
später teilte man mir mit, dass ich unter die Top-12 gekommen sei und zum
Finale eingeladen wurde, wo ich meinen Pitch einer Jury und Publikum vorstellen
sollte. Ich war schon froh überhaupt soweit gekommen zu sein und fand mich
unter Leuten, die nicht nur bereits Bücher veröffentlicht hatten, sondern auch
richtig gute und tiefgründige Stories präsentierten. Und ich saß dort mit
meiner Geistergeschichte, die sich um verfluchte Gemälde drehte. Natürlich
erwartete ich, dass die Zuschauer mich mit Schimpf und Schande vom Hof jagen
werden. Aber stattdessen wurde ich fast einstimmig zum Sieger gekürt. Daher war
eine spätere Veröffentlichung in Taschenbuchform relativ wahrscheinlich.
Michael Schmidt: Wird es
weitere Geschichten mit Dr. George Mallory geben?
Gordon
McBane: Ich habe natürlich Ideen, aber vorher werde ich
mich auf jeden Fall auf ein paar andere Stories konzentrieren. Am Anfang
erschien mir eine Fortsetzung ohnehin ausgeschlossen, denn die Figur des George
Mallory basiert auf einer realen Person … so dachte ich damals. Denn in vielen
Quellen wurde ein Parapsychologe namens George Mallory erwähnt, der tatsächlich
die Bragolin-Gemälde untersucht hätte. Daher musste ich vorsichtig sein, wie
ich mit einer Person in einem Roman umspringe, die es wirklich gibt.
Mittlerweile bin ich jedoch zur Überzeugung gelangt, dass es keinen solchen Dr.
Mallory in dieser Angelegenheit gibt und dies nur Teil der urban legend ist. Denn ich habe viel recherchiert und mir sogar
Quellen aus dem Spanischen und Italienischem übersetzen lassen – aber nirgendwo
gab es eine Primärquelle oder auch nur einen Artikel von einem Parapsychologen
namens George Mallory. Das bedeutete natürlich auch, dass ich mich bei der
Figur ganz austoben konnte, und auch einer eventuellen Fortsetzung stände so
nichts im Wege.
Michael Schmidt: Sind
ansonsten weitere Veröffentlichungen geplant?
Gordon
McBane: Ich bin noch nicht ganz sicher, weil ich zwischen
zwei Stoffen abwäge. Die erste Idee ist eine Romanadaption von der
Hörspielreihe, die ich vorhin erwähnte. Darin ging es um den wirklich
existierenden Massenmörder Peter Kürten, der als der Vampir von Düsseldorf
bekannt wurde. Er wütete in den 20er Jahren und hat tatsächlich von seinen
Opfern das Blut getrunken, daher sein Spitzname. Seine Lebensgeschichte hat einfach
alles, was einen spannenden Stoff ausmacht und trug sich obendrein auch noch so
in Düsseldorf zu; eine Stadt, der ich mich eng verbunden fühle. Da das
Audiobook damals gut ankam, wurde ich schon öfter angefragt, ob ich dies nicht
als Roman umschreiben will. Die andere Idee basiert auf keiner wahren
Begebenheit und spielt in Glasgow, die zweite Stadt, zu der ich eine
persönliche Beziehung habe. Es geht um die Geschichte von zwei Comedians, die
einst zu Beginn ihrer Karriere gut befreundet waren, aber durch die Ruhmsucht
in der Standup-Comedy entzweit wurden. Der Wettstreit um die Gunst der
Zuschauer artet immer weiter aus und zeigt die kalte Welt im Showbusiness. Auf
der Bühne grinsen sie und bringen das Publikum zum Lachen, hinter den Kulissen
bekämpfen sie sich mit allen Mitteln und versuchen sogar das Leben des jeweils
anderen zu ruinieren. Die Geschichte soll also ein Mix zwischen einer schwarzen
Komödie und einem richtigen Psycho-Thriller werden. Am Ende soll dem Leser das
Lachen förmlich im Halse stecken bleiben. Ob es mir gelingt, wer weiß. Welche
dieser beiden Ideen sich am Ende für mein nächstes Projekt aber durchsetzt,
kann ich jetzt noch nicht sagen.
Michael Schmidt: Was liest
du selbst für Geschichten? Eher Krimi oder Horror?
Gordon
McBane: Wie bereits erwähnt, mag ich keine Schubladen und
liebe es wenn Genres gemischt werden. Ich finde es zum Beispiel schade, dass es
bis heute kaum richtige Horrorkomödien gibt. Klar, es gibt viele Werke, die
sich so nennen, aber in Wahrheit sind es dann doch nur Komödien, in denen
Zombies oder Werwölfe für Slapstick verbraten werden. Auch wenn dort manchmal
Blut spritzt, macht dies die Sache noch lange nicht gruselig. Aber es muss doch
möglich sein, eine Geschichte zu konstruieren, wo die Charaktere einen richtig zum
Schmunzeln bringen und urplötzlich in ein Szenario geworfen werden, wo es sehr
unbarmherzig wird und die Story am Ende nicht mit einer Pointe aufgelöst wird.
So etwas ist natürlich schwierig, weil es auch immer einen Stilbruch mit sich
bringen kann. Aber es gibt Autoren, die solch einen eleganten Spagat schaffen.
Wenn mir aber jemand die Pistole auf die Brust hält und mir befiehlt, mich
zwischen Krimi oder Horror entscheiden zu müssen, würde ich eher zu Krimi tendieren,
noch lieber aber zu Thrillern – und das obwohl ich Horror eigentlich besser
finde. Klingt widersprüchlich, aber leider erfahre ich immer wieder, dass sich moderne
Schauerliteratur eher durch möglichst hohe Brutalität auszeichnet, was ich
nicht unheimlich, sondern meist nur eklig finde. Klar, ab und an müssen mal ein
paar Köpfe rollen, aber wenn das dann auch schon alles war, bin ich raus. Viele
Thriller erzählen Geschichten hingegen so, wie ich mir moderne Horrorbücher
wünschen würde: Mehr auf Psyche und Beklemmung statt auf Abschreckung und
Gewalt zu setzen. Mehr klaustrophobischer Minimalismus statt grelle Effekte.
Michael Schmidt: Hast du
literarische Vorbilder?
Gordon
McBane: Mein Lieblingsschriftsteller steht direkt für einen
ganzen Erzählstil, der in Deutschland nicht sehr verbreitet ist, aber den ich sehr
schätze: Elmore Leonard, hierzulande eher durch seine Buchadaptionen wie die
TV-Serie Justified oder Filme wie Schnappt Shorty und Jackie Brown bekannt. Meist fokussiert er sich auf Thriller im Neo-Noir-
oder Hardboiled-Genre. Selbst in
seinen Krimis geht es in erster Linie nicht darum, den grausamen Serienmörder
durch einen eigenbrötlerischen Ermittler schnappen zu lassen – so wie es heute
fast ausnahmslos die Regel ist – sondern in die kriminelle Unterwelt mit ihren ganzen
Subkulturen einzutauchen. Die Polizeiarbeit wird zum Beispiel nicht aus erster
Hand begleitet, sondern aus der Sicht von Kautionsvermittlern, Drogenkurieren
oder Flüchtlingen geschildert. Ich kann es nur schwer erklären, weil der Autor
sehr ruhig, aber doch gleichzeitig spannend erzählt. Leonard könnte mit totalem
Stillstand beginnen und dann sogar noch die Fahrt drosseln, ohne langatmig zu
wirken. Viele Schriftsteller bemühen sich heute ja dieser „Atemlos“-Technik,
die mit kurzen Kapiteln und schnörkellosem Rhythmus Tempo und Spannung in die
Geschichte bringen soll, auf mich aber eher hektisch und effekthascherisch
wirkt. Dies ist natürlich nur eine subjektive Einschätzung meinerseits und
freilich sieht dies jeder anders, doch Leonard zählt zu diesen Autoren wie
Charles Willeford oder Patrick deWitt, die dem nicht hinterherhecheln, sondern
ganz langsam eine trockene Coolness mit ihren Figuren aufziehen. Und die
Figuren sind für mich eigentlich fast noch wichtiger als die Geschichte.
Leonard setzt diesen Protagonisten auch noch die besten Worte in den Mund. Ja,
ich finde, er schrieb die besten Dialoge, denn leider ist er vor ein paar
Jahren verstorben. Was Raymond Chandler in den 30er und 40er Jahren war, ist
für mich Leonard in den 80er und 90er Jahren.
Michael Schmidt: Die
deutsche Autorenszene hat ja mittlerweile viele erfolgreiche Schriftsteller
hervorgebracht. Liest du auch andere deutsche Autoren oder hast Empfehlungen
für die Leser?
Gordon
McBane: Jetzt werden einige Leute hier die Augen verdrehen,
aber unter den deutschsprachigen Schriftstellern gefällt mir tatsächlich Franz
Kafka immer noch am besten. Wenn es allerdings um moderne Autoren aus deutschen
Landen geht, bin ich vor noch gar nicht so langer Zeit auf den Geschmack von
Veit Etzold gekommen. Er nutzt zwar auch die von mir nicht gern gesehene „Atemlos“-Technik,
widmet sich aber auf der anderen Seite dem strategischen, ja fast schon
analytischen Aufbau seiner Figuren, und schildert auch mit feinster Akribie die
technischen Details. So etwas macht nicht nur einiges wieder wett, sondern erhält
immer einen besonders Platz in meinem Bücherregal. Ich habe zwar bisher nur
zwei seiner Bücher gelesen, aber das werte ich als gutes Zeichen, denn so habe
ich noch viele Geschichten aus seiner Feder vor mir.
Michael Schmidt: Witzig. Gerade ist in Zwielicht Classic 13 eine Neuveröffentlichung von Kafkas In der Strafkolonie erschienen.
Ich danke dir für deine ausführlichen und lesenswerten Antworten. Noch ein letztes Wort noch an die Leser!
Ich danke dir für deine ausführlichen und lesenswerten Antworten. Noch ein letztes Wort noch an die Leser!
Gordon
McBane: Erstmal vielen Dank für das Gespräch und natürlich
wünsche ich den Lesern viel Spaß mit dem Hanky-Panky-Girl und den ganzen
anderen Geschichten. Ich soll jetzt wahrscheinlich noch etwas Tiefgründiges
oder Nachdenkliches zum Abschluss sagen? Also gut, ich versuche es mal: Ich
selbst bin kein Esoteriker, sondern sogar Atheist und glaube nicht an
Geisterheimsuchungen oder ähnlichem Wünschelrutentum. Dennoch muss ich sagen,
nachdem, was ich über die Bragolin-Gemälde herausgefunden habe, würde ich mir
so ein Bild nicht in die Wohnung hängen. In diesem Sinne frohes Gruseln.
Mehr zu Gordon McBane auf Facebook.
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