Der gealterte Mann
Alles begann mit Der arme Mann. Eine satirische Geschichte über unser Geschlecht, die irgendwann 2005 entstand, aber nur auf der Leselupe das Licht der Welt erblickte.
Besser hatte es da Der unrasierte Mann, Kurzgeschichten 3/2007 hieß die Publikation, in der die Story abgedruckt wurde.
Beide erschienen dann gemeinsam vereint in meinem Sammelband Geschichten der Dekadenz.
Der optimierte Mann war die Fortsetzung der Mann Serie und erschien Anfang des Jahres in Hauptsache gesund.
Das machte Lust auf mehr und so lesen Sie hier nun die gesammelten Lästereien zu Der gealterte Mann.
Der gealterte Mann
Rentner schießen. Oder im alten
Benz, das Zielfernrohr auf der Motorhaube, und Schwups, den einen Alten am
Zebrastreifen erfasst, den nächsten vom Bürgersteig rasiert.
Schon früh lernt man, Rentner
sind das ideale Feindbild und gehören gejagt. Nicht nur wegen der Demografie,
aber auch. Zur Demografie kommen wir später.
Senioren, auch liebevoll
Generation Silberhaar genannt, das sind diejenigen, die Liegen schon vor
Sonnenaufgang mit ihrem Handtuch belegen, sich dann ewig nicht blicken lassen,
um dann ihre am lebendigen Leib verwesenden Körper in der Sonne zu präsentieren
und damit unsere Augen und Nasen zu malträtieren.
Welkes
Fleisch, angesäuert mit schlechten Flüssigkeiten, dem Fluch der verlangsamten
Zellteilung folgend. Der gealterte Mann und die gealterte Frau, der lebende
Beweis, dass Biomechanik und -chemie ihre engen Grenzen hat.
Hier ein Furz,
da ein Rülps, selbst die schlechten Flüssigkeiten, der eingelagerte Abfall,
drängt in die Freiheit der großen weiten Welt.
So auch der
gealterte Mann. Hat er sich der gealterten Frau entledigt, sie sich selbst und
ihren inneren, meist simulierten Leiden überlassen, wildert er auch noch im
Revier der Jetzigen.
Wie Federn an
klebriger Masse ist das viele Geld im Lauf unzähliger Jahre an ihm haften
geblieben. Jetzt wedelt er damit und das junge Weibsvolk, trainiert auf
exzessiven Konsum und geistfreier Wirbellosigkeit, zeigt seine gymnastischen
Fähigkeiten und schaltet dabei alle fünf Sinne ab, so scheint es zu sein, wie
sonst sollte man solche Verbindungen ertragen, die etwas mit enkeln zu tun
haben. Enkeln ist dabei die verschärfte Form von heiraten, und meist endet das
Enkeln in mittelfristiger Herzinsuffizienz oder gar kurzfristigem Hochtunen des
Kreislaufapparates samt dauerhafter Schädigung des porösen Leitungssystems des
gealterten Mannes.
Den Wenigen,
denen beschieden ist, das enkeln bei bester Gesundheit durchzustehen, strahlt
alsbald ein neuer Erdenbürger entgegen, der dem jungen Weibsvolk die Frührente
beschert, dem älteren Mann dagegen den eindeutigen Hinweis, dass sein Platz
jetzt von einem jüngeren besetzt ist und seine Zeit abläuft. Dabei darf er sich
nicht einmal sicher sein, dass es sein Erfolg war, auch wenn die Ohren und das
Kinn nach ihm zu geraten scheinen. Das einzige nämlich, was im unteren Bereich
gehen Himmel steigt, ist der Druck, den der gealterte Mann verspürt und der
sich schlagartig entleeren möchte. Die Prostata sorgt im Zweifel dafür, dass
ganz jung und ganz alt wieder vereint sind, nämlich im Tragen einer Pampers.
Somit hört es auf wie es einmal anfing.
Doch bevor der
frischgeborene Pupser den Platz des gealterten Mannes einnimmt, wird Generation
Silberhaar ein letztes Mal aktiv. Ausgerüstet wie der letztjährige Sieger der
Tour de France, nur das Beste für den reifen Mann, steigt er, hager und faltig,
auf den Mercedes der Rennräder, auch wenn er kurz damit schwanger ging, sich
ein elektrisch angetriebenes Gefährt auszusuchen. Bei sengender Hitze, den
Durst löscht er mit alkoholfreiem Weizen oder Apfelschorle, radelt er samt der
wenigen ihm verbliebenen Genossen und verbreitet Schrecken für all diejenigen,
deren Weg die Horde der Rentneraffen streift.
Beliebt ist
auch der Rentner Triathlon. Erst Paddeln auf der Lahn, dann wird der Rheinsteig
erklommen und zuletzt lässt es sich der gealterte Mann bei Sauerbraten und
Klößen sowie einem gepflegten Blonden gut gehen.
Wenn die müden
alten Krieger später in ihren polierten Porsche Cayenne steigen, muss sich die
Arbeiterklasse Angst um das Erreichen ihrer eigenen Rente machen, so forsch –
und andererseits auch so unsicher, das schwindende Augenlicht lässt grüßen - werden
die unzähligen Pferdestärken durch den dichten Verkehr gezwängt, ohne Rücksicht
auf Verluste.
Rücksicht ist
eines der Wörter welche der ältere Mann aus seinem verengten Vokabular dauerhaft
gestrichen hat.
Jemand
vorlassen? Warten? Nachgeben?
Weicheier.
Diese Generation Y oder Millenniums, oder wie man die gerade nennt, kann keine
Gnade erwarten. Die durch unzählige Western-, Piraten-, und Actionfilme gestählten
Grauköppe kennen weniger Erbarmen als James Bond oder Chuck Norris. Sie kennen
nur eins: Wir zuerst! Und nach uns die Sintflut.
Also
verprassen sie die Ressourcen, fahren dicke Kisten, lassen das Licht brennen
und schleichen im Normallfall elektrisch die Fahrradwege entlang. Der
Flachbildschirm hat 48inch und alles im Haushalt ist elektrisch. Man hat es
sich ja verdient.
Auch wenn es
anstößig riecht, gerade im Alter, scheißen sie auf den Generationsvertrag.
Wenig wird für die Millenniums übrig bleiben, warum also nicht vorher noch
schnell alles verprassen, schließlich gibt es die Diktatur der Grauen Panther. Ihre
Mehrheiten sind legendär und werden sich noch verfestigen. 2050 soll es ebenso
viele Rentner geben wie Menschen im arbeitsfähigen Alter. Auch wenn solch
generelle Vorhersagen sich meist nur bedingt erfüllen und später revidiert
werden, eines ist sicher, die Demografie spricht für die Herrschaft der
Rentner.
Es sei denn
man schießt Rentner, wie zu anfangs erwähnt.
Natürlich
sorgen sie auch für die Anhebung des Bruttosozialproduktes, schließlich
schmilzt ihr Vermögen wie Butter in der Sonne, es sei denn, sie überlassen
alles dem Nachwuchs, der es sich aber jetzt schon schön bequem einrichtet, aber
das ist eine andere Geschichte.
Legionen an
Osteuropäern und fernöstlichen Damen erfreuen sich an dem gealterten Mann. Wenn
er sie nicht direkt enkelt, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt damit, ihn
zu pflegen und seinem Siechtum zu übergeben. Seniorenheime sind Nutznießer
dieser Bewegung, aber auch private Betreuung ist angesagt.
Zahntechniker
erfreuen sich, aber auch die Ärzteschaft, kann sie doch künstliche Knie und
Hüften en Masse unter das Volk bringen. Der gealterte Mann transformiert zum
künstlichen Mann, das macht auch vor Herzklappen und Adern nicht halt.
Liegt der
gealterte Mann dann endlich in den letzten Zügen, ist es eine Maschine, die ihn
mit Luft versorgt und sein Blut durch den Kreislauf pumpt. Jetzt kann einem der
gealterte Mann leidtun, er hat seine Entscheidungskraft am Krankenhaustor
abgegeben. Er ist der Willkür anderer ausgeliefert.
Gleiches gilt
für das Geschenk des Vergessens. Im Leben häuft sich einiges an, was man
verdrängen möchte und das Gedächtnis hilft einem, indem die Erinnerung
verblasst.
Doch alsbald
gerät das Vergessen außer Kontrolle und man vegetiert vor sich hin, Alzheimer
oder Demenz halten einen gefangen. Selbst die jungen Dinger, die einem den
Sabber wegwischen oder die Rosette putzen, schaffen es nicht, den Schleier des
Vergessens wegzuschieben dank ihres Aussehens und ihrer Präsenz.
Der gealterte
Mann ist am Ende, sein Leben gelebt und wenn es schlecht gelaufen ist, grämt er
sich der gelebten Jahre.
Jetzt muss er
entscheiden, wie er die letzte Phase angeht. Im Laufe des Lebens hat er sich
befreit von religiösen Gefühlen, sein Weltbild ist die Freiheit, doch die hat
er eingebüßt und so besinnt er sich zurück, faltet die Hände zu einem letzten
Gebet und lässt sich fallen.
Der gealterte
Mann tritt ab. Und hat einen würdevollen Abgang verdient.
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