Golkonda Verlag (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Hannes!
Stell Dich doch mal vor!
Hannes Riffel: Okay, gerne. Ich
bin Jahrgang 1966, gelernter Verlagsbuchhändler, habe (ohne Abschluss)
Anglistik, Germanistik, Geschichte und Psychologie studiert und lebe als freier
Literaturübersetzer in Berlin. Bis letztes Jahr war ich Teilhaber der Otherland
Buchhandlung in Kreuzberg, die inzwischen von den Kollegen Schmidt, Tress und
Weinert erfolgreich weiterbetrieben wird. Im Moment konzentriere ich mich ganz
auf das Übersetzen – und natürlich auf den Verlag.
Michael Schmidt: ShayolVerlag, Pandora, jetzt Golkonda, dazu bist Du Übersetzer. Berichte doch
mal bitte von Deinem literarischen Werdegang und wie es dazu kam, dass Du den
Golkonda Verlag gegründet hast.
Hannes Riffel: Ich bin seit
Kindesbeinen ein manischer SF-Leser. Mein Vater hatte meist ein Perry Rhodan-Heft
im Auto liegen, die habe ich mir manchmal geschnappt. Und dann habe ich mich
vor allem durch die SF-Reihen von Heyne und die violette Phantastik bei
Suhrkamp gefressen, bis ich schließlich feststellte, dass ich die Sachen auch
im englischen Original lesen kann.
Parallel dazu habe ich mir die
Klassiker der Weltliteratur vorgenommen, buchstäblich von Homer bis Arno
Schmidt, und ich hege bis heute ausgeprägte Vorlieben für, beispielsweise, die
griechisch-römische Antike, das viktorianische England und den deutschen
Expressinismus.
Mein Einstieg ins SF-Fandom
passierte allerdings erst nach meinem Umzug von Freiburg nach Berlin 1998.
Damals habe ich Hardy Kettlitz und sein Umfeld kennengelernt, was einen
nachhaltigen Einfluss auf mich hatte. Aus diesem Umfeld entstand dann der
Shayol Verlag und, als da einige Dinge schiefliefen, die ich hier nicht
ausbreiten möchte, Golkonda.
Michael Schmidt: Der Golkonda
Verlag startete im Januar 2010. Mittlerweile ist das Programm ja sehr
umfangreich und auch breit gestreut. Wie viele Bücher sind mittlerweile
erschienen und sind noch alle lieferbar? Und wer steckt alles hinter dem
Verlag?
Hannes Riffel: Zur Leipziger
Buchmesse im März 2014 haben wir unser fünfzigstes Buch publiziert, und bisher
sind alle davon lieferbar, als schöne Printausgaben und, wo möglich, als
E-Books.
Golkonda war meine Idee, aber
greifbare Realität wurde das Projekt erst, als Hardy Kettlitz – als
Programmberater und Setzer – und benSwerk – als Gestalterin – ihre Mitarbeit
zusagten. Seit 2012 sind wir eine GmbH mit Karlheinz Schlögl als gleichwertigem
Teilhaber, wobei er bereits vorher maßgeblichen Einfluss auf das Programm
genommen hat.
Dazu muss allerdings gesagt
werden, dass Golkonda ein offenes Projekt ist, an dem Dutzende von Leuten als
Übersetzer, Redakteure, Korrektoren, Ideenliferanten, Resonanzboden etc.
beteiligt sind. Golkonda lebt davon, dass es Karlheinz und mir gelingt,
Menschen für unsere Bücher zu begeistern, und zwar bereits während ihres
Entstehungsprozesses, und natürlich, nachdem sie erschienen sind.
Michael Schmidt: Du bringst,
entgegen dem allgemeinen Trend, Storysammlungen von SF-Autoren heraus. Ted
Chiang hat ja die Szene positiv beeindruckt. Dazu Paolo Bacigalupi, David
Marusek und Geoff Ryman. Die Namen sind den Experten bekannt, aber der breiten
Masse doch eher weniger. Samuel R.
Delany ist mit Sicherheit auch ein Autor, der eher für eine spezielle
Leserschaft interessant ist. Machst du diese Bücher aus Lust an der Literatur,
oder finden diese auch ihre Leserschaft? Und wird es mehr Bücher in dieser
Richtung geben?
Hannes Riffel: In erster Linie
machen wir Bücher, die wir selbst toll finden. Allerdings geschieht das nicht
in einem luftleeren Raum, sondern wir möchten auch möglichst viele Leserinnen
und Leser erreichen. Wobei da die Dimensionen sehr bescheiden sind – wenn wir
von einem Ryman-Band 500 Stück verkaufen, sind wir durchaus damit zufrieden.
Dass es auch anders geht, beweist Ted Chiang: Da haben wir mit dem ersten Band
längst die 5000 überschritten.
Dass wir vor allem die SF- bzw.
die phantastische Erzählung pflegen, ist natürlich Absicht. Hier geschieht
unglaublich viel Spannendes, hier gibt es viel Neues zu entdecken. Unsere
weitgehende Beschränkung auf Übersetzungen ist allerdings keiner Arroganz
deutschen Autoren gegenüber geschuldet, sondern der Ansicht, dass diese
anderorts bereits angemessen gepflegt werden.
Im Moment sind mehrere weitere
Storybände im Anflug: Pinselstriche auf glattem Reispapier von Kij
Johnson wird noch dieses Jahr erscheinen, Erzählungen, die sich wohl am ehesten
als asiatisch angehauchte Tier-Fantasy beschreiben lassen, was jedoch nur eine
Ahnung von der Bandbreite und den Fähigkeiten dieser mehrfach ausgezeichneten
Autorin gibt. Nächstes Jahr werden Storybände von Laird Barron (dem meines
Erachtens besten Horror-Autor unserer Zeit) und der phantastischen Kelly Link
folgen, und mit der zweibändigen Anthologie Science Fiction – Hall of Fame,
herausgegeben von Robert Silverberg, setzen wir dem goldenen Zeitalter der SF
ein Denkmal.
Michael Schmidt: Joe R.Lansdale ist ja ein Autor, der auch bei großen Verlagen erscheint. Er erschien
aber auch im Shayol Verlag und jetzt bei Golkonda. Was fasziniert Dich an
Lansdale und welchen seiner Romane würdest Du besonders empfehlen?
Hannes Riffel: Lansdale ist
schlicht der geborene Geschichtenerzähler. Ganz egal, worüber er schreibt, man
muss ihm einfach zuhören. Er hat eine herrlich dreckige Erzählstimme – eine
ziemliche Herausforderung für jeden Übersetzer, weshalb ich sehr froh bin, mit
Heide Franck jemand gefunden zu haben, die das ganz wunderbar ins Deutsche
bringt – und haufenweise abgefahrene Ideen. Mein derzeitiger Liebling von ihm
ist Ein feiner dunkler Riss, ein eher ruhiges, herzzerreißendes Buch um
einen jugendlichen Protagonisten.
Michael Schmidt: Neben
Erstveröffentlichungen aktueller Autoren bringt Ihr ja auch Klassiker. Armageddon
Rock von George R.R. Martin erscheint ja bald. Wie kam es, dass die
Neuauflage bei Golkonda erscheint und auf welche Aufmachung darf sich der Leser
freuen?
Hannes Riffel: Dass der Autor von
Game of Thrones bei uns erscheint, verdankt sich dem Zusammenspiel
einiger günstiger Zufälle, vor allem aber der Tatsache, dass uns Martins Agent
Werner Fuchs und Sascha Mamczak, Phantastik-Chef bei Heyne, wo später die
Taschenbuchausgabe erscheinen wird, sehr gewogen sind.
Wir bringen Armageddon Rock
in zwei verschiedenen Ausgaben: einmal als gewohnt aufwändig gestaltete
Klappenbroschur, und dann als limitierte Leinen- bzw. Leder-Edition, die vom
Autor signiert sein wird. Das Cover kann bereits auf unserer Homepage
bewundert, die limitierte Ausgabe dort vorbestellt werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich
darauf hinweisen, dass wir die Übersetzung von Peter Robert übernehmen, denn
sie trifft ganz wunderbar den Sound des Romans. Sie wird, in Rücksprache mit
dem Übersetzer, gründlich durchgesehen, bekommt also sozusagen einen neuen
Feinschliff.
Michael Schmidt: ThomasZiegler Stimmen der Nacht ist ein beeindruckender Roman. Wie kam es zu
der Idee der Neuauflage und werden weitere Geschichten des Autors
veröffentlicht? Aktuell ist ja auch Sardor samt seiner Fortsetzung
erschienen.
Hannes Riffel: Ich bin einfach
ein großer Fan von Rainer Zubeil alias Thomas Ziegler, und als Ronald Hahn, der
seinen Nachlass verwaltet, mir erzählte, dass sich vom dritten, nie
erschienenen Sardor-Band die Hälfte auf Rainers Festplatte fand, wusste
ich, das will ich machen. Stimmen der Nacht wiederum ist eines der
Lieblingsbücher von Karlheinz Schlögl und mir, und als Nächstes wird Zieglers
tolle SF-Satire Alles ist gut folgen. Wie es dann weitergeht, muss sich
zeigen – ich würde vor allem gerne noch eine Ausgabe mit den sämtlichen
Erzählungen bringen.
Michael Schmidt: Ein weiterer
Klassiker sind die Kane-Geschichten von Karl E. Wagner. Werdet Ihr alle Kane-Geschichten
nachdrucken? Auch die aus dem Magira Jahrbuch? Und wird es weitere
Veröffentlichungen von Wagner jenseits von Kane bei Golkonda geben? Von
Wagner ist ja vieles noch nicht in Deutschland veröffentlicht worden oder
erschien nur verstreut in Anthologien.
Hannes Riffel: Auch hier gilt:
Warten wir erst einmal die Verkäufe der Romane ab. Im kommenden Winter wird
Band 2 erscheinen und nächstes Jahr Band 3. Wenn es irgend geht, möchten wir zwei
Bände mit den vollständigen Kane-Storys bringen, und auch für einen
»Best of«-Band mit Horror-Storys von Karl Edward Wagner könnte ich mich
begeistern. Aber dafür brauchen wir Geduld, einen langen Atem und vor allem
viele Leserinnen und Leser.
Michael Schmidt: Ab 2015 soll
das Heyne Science Fiction Jahr als Golkonda Science Fiction Jahr fortgeführt
werden. Wie kam es dazu, und was erwartet den Leser? Werdet ihr euch sklavisch
am Vorgänger halten, oder sind neue Wege vorgesehen?
Hannes Riffel: Was die Leser
genau erwartet, können wir noch nicht sagen. Sascha Mamczak hatte mich vor
einiger Zeit angesprochen, ob wir das SF Jahr weiterführen möchten, und
demnächst wird er in Berlin sein, um mit uns alles Weitere zu besprechen.
Das Heyne-Herausgeberteam um Sascha
Mamczak und Sebastian Pierling wird uns auf jeden Fall erhalten bleiben,
worüber ich sehr froh bin. Zusammen mit einigen Leuten aus unserem Umfeld
werden wir mit ihnen ein Redaktionsgemium bilden, das über den Inhalt des
Jahrbuchs bestimmt. Im Moment kann ich mir nur dem anschließen, was im
Editorial der aktuellen Ausgabe steht: Wir werden das Rad nicht zwanghaft neu
erfinden, sondern die Gelegenheit nutzen, das SF-Jahr noch besser zu
machen, als es eh schon ist – ein zugegebenermaßen hoher Anspruch.
Michael Schmidt: Du hast ja
auch das Magazin Pandora herausgegeben. Auf eine Neubelebung darf der
interessierte Leser wohl nicht hoffen, oder?
Hannes Riffel: Nein, im Moment
steht das nicht zur Debatte.
Michael Schmidt: Ihr
veröffentlich SF Intelektuelle, Schwert&Magie, Captain Future und Hellboy
sowie Westernkrimis und Klassikerausgaben. Kennt Golkonda keine Grenzen bzw.
welche wollt ihr in Zukunft noch ausloten?
Hannes Riffel: Wir sind zwar in
erster Linie ein Genre-Verlag mit dem Schwerpunkt Science Fiction, aber da uns
Genregrenzen nur sehr bedingt interessieren und Genreliteratur, die nur
Klischees abarbeitet, äußerst langeweilt, suchen wir schlicht nach tollen
Büchern, für die es, wie wir glauben, in unserem Umfeld eine
begeisterungsfähige Leserschaft gibt. Golkonda ist, auch wenn wir nichts zu
verschenken haben, kein kommerziell ausgerichtetes Unternehmen, weshalb wir es
uns leisten können und müssen, immer wieder Neues und Ungewöhnliches
auszuprobieren, und das auf möglichst profesionellem Niveau. Und ich denke
auch, dass das von uns erwartet wird, dass das einen Großteil unseres Erfolgs
ausmacht.
Michael Schmidt: Wenn es fünf
Bücher aus dem Golkonda Verlag geben würde, die Du einem potenziellen Leser ans
Herz legen würdest, welche wären das?
Hannes Riffel: Hm. Die Holle
ist die Abwesenheit Gottes von Ted Chiang. Dunkle Reflexionen von
Samuel R. Delany. In einer anderen Welt von Jo Walton. Hiobs Spiel
von Tobias O. Meißner. Der lachende Mann von Victor Hugo. Und natürlich
alle anderen ...
Michael Schmidt: Ich habe bei
den Ankündigungen etwas von einer Science Fiction Hall Of Fame gelesen.
Was hat es damit auf sich?
Hannes Riffel: Dabei handelt es
sich um die besten anglo-amerikanischen SF-Erzählungen aus den Jahren 1934 bis
1963, also aus der Zeit, als es noch keinen ›Nebula Award‹ gab, ausgesucht von
den Mitgliedern der »Science Fiction Writers of America«, meines Erachtens die
bei Weitem schönste, jedenfalls repräsentativste SF-Anthologie, die diesen
Zeitraum abdeckt. Ich wüsste kein anderes Buch, das sich ähnlich gut als
Einstieg in die SF eignet, als zweibändige Basisbibliothek eines ganzen Genres.
Und natürlich werden wir die älteren Übersetzungen gründlich überarbeiten und
teilweise neue anfertigen lassen. Auf der Hompage findet sich im Übrigen (unter
dem Herausgebernamen »Robert Silverberg«) eine Aufstellung der enthaltenen
Storys.
Michael Schmidt: Der Verlag
hat ja bald fünf Jahre Lebenszeit hinter sich. Welche Höhepunkte und
Tiefschläge gab es in dieser Zeit?
Hannes Riffel: Über die
Tiefschläge möchte ich nichts sagen, das geht niemanden etwas an. Highlights
waren auf jeden Fall die Erstveröffentlichung des dritten Hiobs Spiel-Bandes
von Tobias O. Meißner, der Beginn unserer Delany-Werkausgabe, der große Erfolg
von Joe R. Lansdale und Ted Chiang. Und immer und immer wieder die Möglichkeit,
mit großartigen Menschen zusammenzuarbeiten, an neuen Projekten weiterzuspinnen
und sich gemeinsam über fertige Bücher zu freuen.
Michael Schmidt: Noch ein Wort
an die Leser dort draußen!
Hannes Riffel: Kauft unsere
Bücher – oder eben nicht! Kauft die Bücher anderer Verlage – oder eben nicht!
Zeigt damit, wessen Arbeit Ihr schätzt, und was Euch eher nicht so
interessiert. Unabhängig von allem Gejammer und Gemecker in Fanzines und Foren
stimmen Leserinnen und Leser letztlich mit dem Kauf eines (neuen) Buches, sei
es gedruckt oder elektronisch, darüber ab, was produziert wird. Und damit
beeinflussen sie maßgeblich, was in den Verlagen möglich ist ...
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