Eddies Söhne
Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Eddies Söhne
(aus Eddies Söhne und Zwielicht Classic 10 und Branded and Exiled)
Der Name Eddie ist natürlich dem Wahrzeichen der Heavy Metal Band Iron Maiden geschuldet, ebenso wie die Acacia Avenue und der Name Charlot (Charlotte The Harlot). Letzteres ist ein Song des Gitarristen Dave Murray, gesungen von dem gerade verstorbenen Paul Di’Anno.
Leseprobe:
1.
Pfefferminz
Die
Decke fiel auf meinen Kopf.
Ich
rettete mich, indem ich das Treppenhaus hinunter sprintete und stürzte auf die
Straße. Die Leute gafften blöde. Ich ignorierte ihre doofen Blicke, fiel aber
in einen leichten Trapp, bevor ich urplötzlich zu Eis erstarrte und mich nicht
mehr rührte.
Der
blonde Traum sprang mich an und überwältigte meine Sinne. Weiche ausladende
Kurven. In einem spontanen Impuls griffen meine Hände in Richtung ihrer
gewaltigen Brüste, doch mein Verstand zog nach und registrierte mein
unverschämtes Verlangen. Die Hände führten ihre Bewegung nie zu Ende. So stand ich
wie ein begossener Pudel da, den Mund offen stehend und wohl ziemlich blöde
grienend. Ihrer blauen Augen trafen meine und sahen mich verschmitzt an. Ein
Lächeln verzauberte ihr Gesicht. Das Gesicht einer Göttin. Ich war verliebt,
auf der Stelle und ohne Widerspruchsrecht. Die Erkenntnis ließ mich erröten,
das spürte ich sofort und meine Scham wurde nur umso größer.
„Großer!
Du musst mir helfen! Es wird dir nicht zum Nachteil gereichen“, gurrte ihre
rauchige Stimme.
Ich
versank in ihren Augen und fühlte mich wie im tiefsten Maronrausch.
„Nun!“
Ihre
Stimme hatte jetzt einen leicht barschen Unterton und stürzte mich unsanft aus
meinen Träumen. „Hilfst du mir?“
„W-wie
kann … Natürlich. Wie kann Ihnen helfen?“
„Nicht
Ihnen. Mir. Ich bin Charlot. Und bin in absoluter Eile. Du musst mich retten.
Schnell, edler Ritter! Ich bin auf der Flucht und die Häscher hängen mir im
Nacken. Es geht um Leben und Tod.“
Das
männliche Gehirn brauchte klare Anweisungen und so erwachte ich dank ihres
Befehlston aus meiner Lethargie. Ich packte sie am Arm und zog sie ins
Treppenhaus. Sollte mir doch die Decke auf den Kopf fallen, der Himmel war eh
schon auf Erden. Charlotte rettete sich in die Arme des aufrechten Prinzen, der
sie in seine Burg führt und im Sturm erobert.
Pfefferminz, träum weiter.
Die Wirklichkeit ist kein Film.
Schnell
hatte ich sie in meine Wohnung geschoben, schob achtlos den Unrat zur Seite und
platzierte sie auf der fleckigen Couch. Ich eilte zurück, verriegelte die Tür
mit dem überdimensionierten Riegel und atmete erst einmal auf. Meine Bleibe war
nahezu einbruchssicher. Meine Göttin war nicht die einzige, die einen
aufregenden Tagesablauf hatte und sich vor Nachstellungen in Acht nehmen musste.
Ich
atmete tief ein und aus um meine Erregung zu zügeln. Schauer rannten über meine
Arme. Wohlige Schauer. Was hier auch immer hier gerade abging, mir gefiel es.
Ich
schmiss die Mucke an und sofort dröhnte Sehnsucht
aus den riesigen Boxen. Die Band kannte kein langes Vorspiel, legte sofort los,
hart und brachial. Ein Blick auf den blonden Engel ließ mich frohlocken. Ich Glückspilz
hatte ihren Geschmack getroffen. Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren hetzte
ich weiter zum Fenster, riss es auf und blickte auf die Straße hinunter, im
Takt der schnellen Musik den Kopf schüttelnd. Der Refrain aus der Anlage
wiederholte sich kein zweites Mal, da stürmte eine siebenköpfige Gang über den
Beton, nur um an der nächsten Kreuzung schwer atmend abzubremsen.
Die
Haare glänzten vor Gel, streng zurückgekämmt, an den Seiten kurz, das Haupthaar
etwas länger. Farbe schwarz wie die Lederjacken, die unvermeidliche Blue Jeans
endet in schwarzen Westernstiefeln. Die Typen wirkten als wären sie direkt aus
einem Rock´N`Roll Bilderbuch gestürzt: Teds der übelsten Sorte. Außen fein und
innen verfault. Das stinkende Gesindel gehörte zu einer Gang namens Eddies Söhne, wie man den dicken Lettern
der Aufnäher ihrer Uniformen
entnehmen konnte. Ich schauderte. Diese Typen waren mir ein Begriff. Was für
eine üble Scheiße!
Der
Wortführer schoss Blicke in die Runde wie ein Indianer seine Pfeile auf dem
Kriegspfad. Unsere Augen kreuzten sich. Missmutig sah er mich an.
„Hey,
Alter. Haste so ´ne blonde Schnalle gesehen. Ordentlich was oben rum. Kurzer
Rock mit echt geilen Beinen?“
Ich
setzte mein Gesicht Marke Heute noch
nicht gewichst aber es dringend nötig auf.
„Klar!
Geile Braut. Hatte wohl ein dringendes Date und ist da runter geflitzt als
könnte sie es nicht aushalten. Schätze, die brannte vor Lust. Muss ein reicher
Protz sein, so wie die abgedampft ist. War das deine Schwester?“
Die
siebenköpfige Meute grölte.
„Ja,
die blonde Schnalle ist meine Lieblingsschwester. Die gebe ich so schnell nicht
her. Danke für den Tipp!“
Die
Worte waren noch nicht ganz verhallt, da hetzte die Horde wie von Furien
gehetzt los, die Querstraße rechts runter.
Ich
blieb noch eine Weile an meinem Platz, und sinnierte, in welchen Film ich da
wohl geraten war. Das war ja eine schöne Scheiße. Ich roch den Ärger förmlich,
der mir bevor stand. Also widmete ich mich dem unvermeidlichen und begab mich
zu meinem attraktiven Gast.
Sie
lümmelte auf der Couch, die langen Arme überkreuzt und schaute mich
teilnahmslos an. Der kurze Rock entblößte wirklich tolle Beine, da hatte Eddies
Sohn nicht zu viel versprochen. Überhaupt, meine Göttin war ein Feger, auch auf
den zweiten Blick. Die Kleidung war gewagt und ein Fall für die Sittenpolizei.
Der Ausschnitt unter den Spagettiträgern kühn zu nennen wäre die Untertreibung
des Monats gewesen. Der Minirock aus rotem Leder endete knapp unter den Hüften.
Die roten Lippen, sinnlich und einladend, waren das reine Versprechen der Sünde.
Meine
Göttin war keine Klosterschülerin, das stand fest.
„Nun,
Charlot, ich denke, du bist mir einen Gefallen schuldig. Ich…“
„Gut.
Ich habe schon verstanden. Warum auch Zeit verlieren. Der Ritter verlangt
seinen Obolus und die Gerettete schmilzt in seinen Armen. Sag! Wo sollen wir es
machen? Direkt hier auf der Couch oder lieber in einem richtigen Bett?“
Ohne
zu zögern begann sie sich zu entblättern. Ich deutete ihr, es zu lassen.
„Gemach!
Nur keine Eile!“
Ich
packte zwei Flaschen Bier, entkorkte sie mit meinen Backenzähnen, dann flegelte
ich mich ihr gegenüber, nahe genug, um ihre Reize wahrzunehmen, doch auch fern
genug, um ihnen nicht vollständig zu erliegen. Was auch so schon ein Ding der
Unmöglichkeit war.
Ich
lächelte sie aufmunternd an. Wir prosteten und spülten den schalen Geschmack
der Söhne Eddies hinunter. Ich sinnierte ein wenig und nahm einen weiteren
Schluck. Dann war ich soweit. Meine Neugier kannte keine Grenzen.
„Sprich!
Was um alles in der Welt macht eine Dame vom horizontalen Gewerbe in den frühen
Vormittagsstunden auf der Acacia Avenue, ein Haufen dieser üblen Gestalten im
Nacken? Nach Frühsport sah das nicht aus.“
Sie
warf mir einen rätselhaften Blick aus ihren wunderschönen blauen Augen zu.
Sollte etwas in mir an Liebe auf den ersten Blick gezweifelt haben, war jetzt
der Moment gekommen, davon Abstand zu nehmen. Fast streckte es mich zu Boden,
so heftig hatte mich Amors Pfeil getroffen.
Sie
begann zu erzählen. Erst stockend, dann immer flüssiger sprudelten die Worte
aus ihr heraus. Und mit jedem Wort füllten sich meine Augen mit Tränen.
Silbermond ist eine Stadt in einer Parallelwelt zur unseren. Die Stadt liegt an drei Flüssen, deren Mündung gut sechs Kilometer auseinanderliegen. Die Stadt zieht sich weit in die Ebene hinein, wesentlich weiter als die sechs Kilometer zwischen den Flüssen. Eine glitzernde Betonwüste, ein stromfressender Moloch, der für die meisten nicht nur Geburtsort, sondern auch zum Grab wird.
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