Ernst-Eberhard Manski (Interview)

Michael Schmidt: Hallo Edgar, stelle dich doch mal kurz vor!

Ernst-Eberhard Manski: Hallo Michael, gern. Ich wurde 1954 in Minden geboren und habe dann eine Weile in Bielefeld, Spandau und Neukölln gewohnt. Seit 1984 lebe ich mit meiner Frau in einem kleinen Ort in der flämischen Provinz Limburg. Unsere beiden Töchter sind inzwischen erwachsen und in die Großstadt gezogen, aber ein paar Katzen und Kakteen sind immer noch da. Ich bin gelernter Bankkaufmann, Historiker und Skandinavist und habe mir mein Studium unter anderem mit Jobs in Freibädern, Bibliotheken und bei der Post finanziert, was sich aus einigen meiner Erzählungen vermutlich herauslesen lässt. Zwischendurch habe ich zehn Jahre bei einer Bank in Brüssel gearbeitet. Momentan verdiene ich meinen Brotaufstrich als freier Übersetzer.


Michael Schmidt: Früher veröffentlichtest du unter Edgar Güttge, jetzt unter deinem Namen Ernst-Eberhard Manski. Wie kam es dazu?

Ernst-Eberhard Manski: Bevor ich 2004 wieder verstärkt mit dem Schreiben von Kurzgeschichten anfing, hatte ich mehrere Artikel über Umweltthemen in wirtschaftlichen und historischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Weil ich Fachliteratur und Belletristik strikt voneinander trennen wollte, hatte ich wieder mein Pseudonym aktiviert, mit dem ich in den siebziger Jahren als Bassist in einer Rockband gespielt hatte. Zunächst hat mir das Pseudonym einiges Glück gebracht, denn innerhalb eines Jahres erschien ein Dutzend Stories in diversen Anthologien. Auf Dauer ließ sich die Trennung zwischen dem Alter Ego und mir selbst jedoch irgendwie nicht durchhalten, und inzwischen bin ich ganz froh, wieder unter meinem Realnamen zu veröffentlichen.
Michael Schmidt: „Eine Landebahn für den Albatros“ steuerst du zu „Am Ende des Regens“ bei. Es ist eine Rückkehr in ein schon bekanntes Universum. Welches und wo kann man die anderen Geschichten nachlesen?

Ernst-Eberhard Manski: Die Landebahn spielt in einer Parallelwelt, die historisch unserer eigenen Wirklichkeit stark ähnelt. Die wichtigste Abweichung besteht darin, dass eine Methode der telepathischen Verständigung entdeckt worden ist, die von verschiedenen Tier- und Pflanzenarten genutzt wird, um sich als intelligent zu outen. Zuvor ist bereits eine Story aus dieser Welt erschienen: „Roda“ in der Anthologie „Golem & Goethe“ (Wurdack-Verlag), eine Verwechslungskomödie, in der Pflanzki eine Botschafterin von einem Jupitermond erwartet. Da es einigen Spaß macht, in diesem Milieu zu schreiben, wird es sicherlich noch mindestens eine weitere Folge geben.

Michael Schmidt: Hat die Geschichte eine besondere Intention?

Ernst-Eberhard Manski: Eigentlich sind es nur ein paar Überlegungen über die Toleranz gegenüber andersartigen Lebensentwürfen und die immer bedrohlicher werdende Einschränkung natürlicher Lebensräume durch die Überbevölkerung und die Globalisierung. Und natürlich zur Frage, wie man Intelligenz abgrenzt. Wenn ich mir so anschaue, wie Katzen oder Vögel draußen in der Natur ihre Reviere abstecken, ihren Nachwuchs erziehen und miteinander kommunizieren, frage ich mich manchmal, inwieweit es sinnvoll ist, in das Verhalten der Tiere menschliche Kommunikationsmuster hineininterpretieren zu wollen. Eine anderer Aspekt beruht auf dem Vorwurf, den sich Vegetarier manchmal anhören müssen: „Und was isst du, wenn es sich herausstellt, dass das Gemüse auch Gefühle hat?“ In der Welt von Pflanzki, Yucca und Kaktus sind die ethischen und wirtschaftlichen Verteilungskonflikte vorprogrammiert. Mal sehen, wo diese Gedankenspielerei hinführt, ob es für dergleichen Probleme überhaupt Lösungen geben wird und wie diese aussehen werden.

Michael Schmidt: Du hast mit „Das Klassentreffen der Weserwinzer“ den Kurd-Laßwitz-Preis 2010 gewonnen. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

Ernst-Eberhard Manski: Sehr viel. Es gibt ja nicht viele Literaturpreise, die ein SF-Kurzgeschichten-Autor in Deutschland gewinnen kann, und deshalb ist der Kurd-Laßwitz-Preis natürlich eine wertvolle Anerkennung. Besonders gefreut hat es mich, dass es mit „Das Klassentreffen der Weserwinzer“ meine bisher arbeitsintensivste Erzählung geschafft hat. Deshalb möchte ich allen, die seinerzeit für die Geschichte gestimmt haben, an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. In der Praxis hat sich für mich allerdings wenig geändert. Das Leben geht einfach weiter. Obwohl der KLP im Prinzip für die Geschichte verliehen worden ist, wirkt er jedoch auch als moralische Unterstützung für einen Autor wie mich, der noch kein eigenständiges Buch veröffentlicht hat. Solch eine Auszeichnung kann schon als überzeugendes Indiz gelten, dass die Erzählungen etwas taugen. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass die Narrenfreiheit, die ich mir in manchen Güttge-Texten noch erlaubt habe, abhanden gekommen ist. Ich setze jetzt viel höhere Ansprüche an mich selbst und das Schreiben ist dadurch sicherlich nicht einfacher geworden.

Michael Schmidt: Deine Geschichten sind nicht jedermanns Sache. Umso enthusiastischer sind die Liebhaber. Wann bekommen die Liebhaber endlich ihr Recht und den gesammelten Manski in einer Storycollection?

Ernst-Eberhard Manski: Zu einer Sammlung scheint es noch zu früh zu sein, denn das würde eine Doppelveröffentlichung vieler Stories bedeuten, deren Originalanthologien noch nicht vergriffen sind. In Vorbereitung ist allerdings ein Novellenband mit bisher unveröffentlichten Erzählungen. Als das Projekt beschlossen wurde, war ich recht zuversichtlich, dass die Arbeit zügig von der Bühne gehen würde, da die meisten Konzepte bereits vorlagen und viele der Texte schon fast fertig waren. Dann ist es allerdings beruflich hektischer geworden, sodass weniger Schreibzeit und weniger kreative Kapazität als erwartet und geplant übrigblieb, und außerdem haben mir private Sorgen so sehr zu schaffen gemacht, dass an eine gutgelaunte Arbeit an witzigen und optimistischen Utopien nicht zu denken war. Inzwischen beschäftige ich mich aber wieder relativ regelmäßig mit den Texten und hoffe, bald ein paar lesenswerte Novellen präsentieren zu können.

Michael Schmidt: Du hast viele Kurzgeschichten veröffentlicht. Welche sind deine persönlichen Schätzchen?

Ernst-Eberhard Manski: Generell immer die neueste, denn deren Entstehungsprozess ist noch am besten in Erinnerung. Wenn ich aber etwas länger über diese Frage nachdenke, muss ich zugeben, dass in jeder meiner Kurzgeschichten dieses oder jenes Detail enthalten ist, das mir persönlich viel bedeutet. Es gibt allerdings ein paar Storys, die sich im Nachhinein als etwas wichtiger erwiesen haben, weil ich darin kreative Innovationsschübe umsetzen konnte bzw. mir bewusst geworden ist, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ein entscheidender Schritt war zweifellos „Die E-Saite des Rickenbacker“ (in der Anthologie „Man gönnt sich ja sonst nichts“) mit ihrem minimalistischen schnellen Erzählstil, der auf lebensechte Dialoge und viele kurze pointierte Absätze aufbaut. Weitere persönliche Meilensteine sind die Kakteen-Story „Dezibel“ (in „Walfred Goreng“), mein Debüt im Wurdack-Verlag, dann die Kölner „Hohenzollernbrücke“ (in „SFX“) und natürlich „Das Klassentreffen der Weserwinzer“ (in „Molekularmusik“), eine Alternativweltgeschichte, die in meiner Heimatstadt Minden in Ostwestfalen spielt. Aber auch bei einigen anderen Texten bin ich den jeweiligen Herausgebern und Verlegern sehr dankbar, dass sie die Gelegenheit zur Veröffentlichung gegeben haben, darunter die Jethro-Tull-Story „Benefizkonzert“ (in „phantastisch!“ 34), die während des Mittelalterfestes in Visby auf Gotland spielende Erzählung „Kalksteinträume“ (in „Das Glaskuppelprinzip“) oder „Der Saxofonist vom Rathaus Neukölln“ (in „Hinterland“), wobei es um zwei Instrumentals von David Bowie geht.

Michael Schmidt: Woran arbeitest du im Moment und auf was können wir uns in näherer Zukunft freuen?

Ernst-Eberhard Manski: Wie erwähnt feile ich tagtäglich an mehreren Novellen. Dabei handelt es sich größtenteils um Ideen, die ich für verschiedene Ausschreibungen entwickelt habe, wobei sich die Texte dann aber während ihrer Umsetzung als zu lang erwiesen. Neben der Vorstellung einiger neuer Welten und Charaktere wird es voraussichtlich auch Fortsetzungen zu den Erzählungen „Gaiakommunikation“ (in „Staubgeist Null“) und „Zeitlupenwiederholung“ (in „Emotio“) und höchstwahrscheinlich auch eine weitere Episode mit Pflanzki, Kaktus und Yucca geben. Ich arbeite parallel an einem guten Dutzend Texten und bin selbst schon gespannt, welche von ihnen mich selbst am Ende so sehr überzeugen werden, dass ich sie vorzulegen wage.

Michael Schmidt: Dein Favorit in „Am Ende des Regens“?

Ernst-Eberhard Manski: Ich bin ja ein erklärter Fan der Stories von Achim Hildebrand, dessen unbeschwerten Schreibstil ich sehr mag. Die „Lieder von Freiheit und Tod“ hatten mich früher schon überzeugt und sein neuer Text „Nutzungsrecht“ ist auch wieder eine originelle und starke Story. Unter dem Strich sind aber alle Erzählungen in „Am Ende des Regens“ durchgehend lesenswert. Der Band ist optisch sehr schön geworden, bietet ein enorm hohes erzählerisches Niveau und gehört wegen seiner literarischen Qualität und seiner thematischen Vielfalt zweifellos zu den besten SF-Anthologien der letzten Jahre. Wenn ich aber eine Geschichte besonders hervorheben soll, dann ist es wohl die Titelstory, in der mit viel Stimmung und Gefühl eine vollkommen eigene Welt geschildert wird.

Michael Schmidt: Ein Wort an die Leute da draußen?

Ernst-Eberhard Manski: Zunächst mal viel Spaß bei der hoffentlich zahlreichen Lektüre von „Am Ende des Regens“. Und dann wünsche ich uns allen noch ein paar gesunde, glückliche und erfolgreiche Jahrzehnte auf diesem tollen Planeten, bevor sich die vielen Dystopien und Weltuntergangszenarien, die momentan in der Science Fiction gang und gebe sind, noch vollends bewahrheiten.

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