Achim Hildebrand über Blackwood (Interview)
Michael
Schmidt: Hallo Achim, die meisten Leser sollten dich kennen. Stell dich
trotzdem bitte kurz vor!
Achim
Hildebrand: Ich bin Achim Hildebrand, lebe im östlichen Westerwald und
arbeite als technischer Redakteur in einem Unternehmen, das Industriesoftware
im Bereich IoT (Internet of Things) entwickelt. Für diese Programme schreibe
ich die Handbücher.
Natürlich schreibe ich auch privat; vorwiegend Fantasy, Science
Fiction und Horror, oft mit satirischen Elementen. Das sind dann meistens Kurzgeschichten,
von denen auch einige in Anthologien erschienen sind. Als bislang
professionellstes Projekt ist vor einigen Jahren ein Roman mit dem Titel
"Das Auge des Chaos" entstanden, eine Fantasy-Geschichte um Nidel den
Meuchelsänger, die ich jedem nur wärmstens empfehlen kann.
Schwerpunkt im Moment ist allerdings die Arbeit an der
Zwielicht-Reihe. Das umfasst das Lesen und die Auswahl der eingereichten Texte,
manchmal auch Lektorate, und das Übersetzen der Blackwoodgeschichten.
Gelegentlich steuere ich auch einen Artikel zu Horror-Themen bei. Im Moment
hätte ich auch Lust selbst mal wieder eine Geschichte zu schreiben - wenn die
Zeit es eben zulässt.
Michael
Schmidt: In Zwielicht 3 erschien mit Das
Tal der Tiere und damit das erste Mal eine Kurzgeschichte von Algernon
Blackwood. Warum ausgerechnet Algernon Blackwood? Was macht den Autor aus?
Achim Hildebrand: Nachdem wir von Zwielicht uns einmal entschlossen hatten,
Erstübersetzungen von klassischen Autoren zu bringen, war Blackwood automatisch
in der engeren Wahl. Er ist einer der großen Namen des Genres und durch die
Suhrkamp-Ausgaben in Deutschland recht gut eingeführt.
Daneben war er aber auch äußerst fruchtbar und bietet mit die
größte Auswahl an Texten, die zudem auch fast alle der Public Domain angehören.
Lovercraft war weitestgehend 'abgearbeitet', um Clark Ashton
Smith kümmert sich Festa in sehr verdienstvoller Weise und mit Howard ist der
Markt seit Conan ohnehin bestens versorgt.
Also haben wir uns auf Blackwood geeinigt, und da die Geschichten gut
angekommen sind, sind wir vorerst dabei geblieben. Daneben haben wir aber auch
schon andere Klassikern, wie Sheila Hodgson vorgestellt und werden uns
weiterhin bemühen, unbekannte Klassiker auszugraben, die es unsere Meinung nach
verdient haben, den deutschsprachigen Lesern zugänglich gemacht zu werden.
Achim Hildebrand: Das konnte ich schon damals nicht genau sagen. Vermutlich mag
ich einfach gern Tiergeschichten und der Titel hat mich gereizt. Wahrscheinlich aber, weil sie sich von Anfang
an gut übersetzen ließ und auch eine sehr spannende geradlinige Handlung hat.
Michael
Schmidt: Wenn man von Zwielicht 4 absieht ist seitdem in jedem Band eine
Algernon Blackwood Kurzgeschichte enthalten und bis auf Das Tal der Tiere und Die Wölfe Gottes handelt es sich unseres
Wissens nach um Deutsche Erstveröffentlichungen. Nach welchen Kriterien suchst du die Geschichten aus?
Achim
Hildebrand: Als erstes schaue ich meist auf die englische Wikipedia-Seite zu
Algernon Blackwood. Da finden sich zu vielen seiner Geschichten ein oder
zweizeilige Inhaltsangaben. Ich suche mir zwei oder drei aus, die für mich
interessant klingen und kontrolliere auf unserer Liste bereits vorhandenerdeutscher Übersetzungen (die mittlerweile ziemlich verlässlich ist), ob sie
schon mal in Deutschland erschienen sind. Ist dies nicht der Fall, versuche ich
im Internet englische Reviews zu finden, die ein wenig mehr über Inhalt und
Qualität verraten. Auf GoodReads findet sich öfter mal was, aber auch auf
kleinen Fanprojektseiten und Seiten, die eben Blackwood oder der klassischen
Phantastik gewidmet sind. Wenn ich nichts hilfreiches finde, nehme ich eine,
deren Titel mir gefällt und lese die ersten ein oder zwei Seiten. Ja, und dann
entscheide ich mich für eine und fange an zu übersetzen.
Natürlich versuche ich auch, Texte auszuwählen, die von Ausgabe
zu Ausgabe genug Abwechslung bringen.
Was ich nicht mache ist, die Geschichte vorher komplett zu
lesen. Übersetzen ist zum großen Teil eben auch Fleißarbeit, und manche der
Geschichten sind ziemlich lang. Da brauche ich dieses
Wie-geht-das-wohl-aus-Gefühl, um mich bis zum Schluss zu motivieren. Bis jetzt
ging es aber gut und ich bin noch auf keine gestoßen, die mich am Ende wirklich
enttäuscht hätte - auch wenn die Qualität natürlich schwankt.
Michael
Schmidt: Der Sammelband Aileen von Algernon Blackwood enthält neun Geschichten.
Hast du einen persönlichen Favoriten?
Achim
Hildebrand: Das sind eigentlich zwei.
Zum Einen ist das "Max Hensig". Hier verarbeitet
Blackwood Erlebnisse aus einer seiner schlimmsten Lebenskrisen und schafft so
eine ungeheuer dichte und authentische Atmosphäre. Die Schilderungen aus dem
Alltag eines drittklassigen New Yorker Zeitungsreporters sind fast noch
unterhaltsamer zu lesen, als die eigentliche Handlung.
Nummer zwei wäre "Der Preis von Wiggins' Orgie".
Kannibalismus als Vereinszweck fand ich einfach lustig, und in der Geschichte
steckt - auch wenn das Ende etwas zurückfällt - eine Menge an 'lebensnahem'
Humor und eine für Blackwood eher untypische, wahnwitzige Verfolgungsjagd.
Michael
Schmidt: Wie lässt sich Blackwood übersetzen und hat er spezielle Eigenarten in
seiner Prosa bzw. wie ist er gealtert? Die Geschichten in Aileen stammen ja aus
den Jahren zwischen 1907 und 1921.
Achim Hildebrand: Das ist sehr unterschiedlich. Mein Eindruck ist der, dass
Blackwood in seinen Geschichten vorwiegend zwei Themenkreise verarbeitet:
Einmal die Erfahrungen seines wirklich bewegten Lebens und einmal seine esoterische
Ader. Bei den ersteren ist seine Sprache sehr modern und klar - sieht man davon
ab, dass das Ambiente, das er beschreibt natürlich das der frühen 1900er ist
und auch ein paar Redewendungen mit einfließen, die seit 80 Jahren keiner mehr
kennt. Diese Texte lassen sich meist gut und zügig übersetzen und die lesen
sich dann auch in der deutschen Fassung ganz gut.
Bei den "esoterischen" Texten, also denen, die eher
dem Gothicbereich angehören ist das oft anders. Es ist naturgemäß schwierig,
Gefühle zu beschreiben, die sich auf Dinge beziehen, die selbst kaum
beschreibbar sind (gerade eben geht es mir anscheinend genauso) , Ahnungen von Empfindungen, die verunsichern, obwohl
man nicht weiß warum, die Auswirkungen unbekannter transzendenter Einflüsse und
dergleichen. Auch Blackwood fällt das oft nicht leicht und er verwendet dann
sehr gedrechselte Konstruktionen mit endlosen Schachtelsätzen und exzentrischer
Grammatik. Das sind manchmal wirklich harte Brocken, bei denen man froh ist,
sie hinter sich zu haben, und die dann auch im Deutschen oft eigenartig
klingen.
Michael
Schmidt: Gibt es etwas an den Blackwood Geschichten das dich besonders
fasziniert?
Achim Hildebrand: Fasziniert wäre zuviel gesagt. Ich mag die Vielfalt seiner
Sujets und die meist geradlinige und glaubwürdige Konstruktion seiner
Geschichten, besonders auch den 'alltagstauglichen', lakonischen Humor, der
hier und da aufblitzt. Allgemein würde ich sagen: Er ist ein Autor, der sein
Handwerk beherrscht und es macht einfach Spaß, sich damit zu beschäftigen.
Michael
Schmidt: Welche Geschichten sind für die nächsten Ausgaben geplant?
Achim Hildebrand: In Zwielicht 12 wird "Smiths Untergang" (The
Destruction of Smith) erscheinen, eine kürzere Geschichte über einen
Stadtgründer, dem seine Gründung allzusehr ans Herz gewachsen ist. Auf dem
Desktop habe ich für die nächste Ausgabe noch "The Decoy" und
"Egyptian Magic" zur Entscheidung liegen. Aber grundsätzlich plane
ich die Geschichten nicht sehr weit im voraus.
Michael
Schmidt: Wird es einen weiteren Sammelband geben?
Achim Hildebrand: Bis zum ersten Blackwood-Band hat es jetzt ca. 5 Jahre gedauert.
Wenn die Leser sich noch einmal so lange gedulden können - ja klar.
Michael
Schmidt: Blackwood hat ja auch Romane veröffentlicht, von denen ist bisher nur Der Zentaur (Festa Verlag) auf Deutsch
erschienen. Gibt es Hoffnungen dass sich das noch ändert und einer in der
Zwielicht Reihe erscheint?
Achim Hildebrand: Ich bin mir nicht sicher. Bisher habe ich mich noch nicht näher
mit seinen Romanen befasst - es sind ja auch nur wenige - aber nach dem was ich
weiß, behandelt er hier vorwiegend esoterische Themen, also die eher
'beschaulichen' und zäher zu übersetzenden. Nun ist ein Roman ein ziemliches
Stück Arbeit ... naja, ich will's nicht ganz ausschließen.
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