Jörg Kleudgen (Interview) - Teil 2
Jörg Kleudgen (Interview) - Teil 1
Die Fortsetzung des Interviews:
Michael Schmidt: Umreiße doch mal das Programm der Goblin Press!
Jörg Kleudgen: Das Programm ist sehr auf meinen eigenen Geschmack
bezogen. Ich veröffentliche einfach das, was mir gefällt, und da die
Auflagen sich an der Nachfrage orientieren, ist es für mich nicht
wichtig, wie viele Exemplare ich pro Titel verkaufe. Bei der Goblin
Press werden zum einen diejenigen fündig, die H. P. Lovecraft mögen.
Denen kann ich zum Beispiel JENSEITS VON GUT UND BÖSE oder Michael
Knokes VOM FLÜSTERN DER MOLLUSKEN ans Herz legen. Und es gibt andere
Novellen aus dem Reich der düsteren Phantastik wie Tobias Bachmanns EIN
WAHRHAFT SELTENER PRIVATDRUCK. Eigentlich versuche ich, jedes Jahr einen
Titel aus meiner eigenen Feder zu präsentieren. Aber von dieser Regel
gab es in der Vergangenheit Ausnahmen, und die wird es auch weiterhin
geben.
Michael Schmidt: Wie viele Bücher sind bisher in der Goblin Press erschienen und wo sind die Bücher erhältlich?
Jörg Kleudgen: Also, nehmen wir mal nur die Titel seit STELLA MARIS,
dann sind es … lass mich mal nachzählen … neun bis zehn, wenn man den
TOTENFRESSER mitzählt, eine Sonderausgabe, die ich letztes Jahr zum
Buchmesse-Con in Dreieich herausgebracht habe. Das ist schon eine ganze
Menge, finde ich. Die Erscheinungsweise hat sich auf zwei Titel pro Jahr
eingependelt. Erhältlich sind die Bücher alle nur direkt über mich. Es
reicht eine kurze E-Mail an joerg@the-house-of-usher.de
Michael Schmidt: In Zwielicht Classic 8 gibst du dein Debüt bei
Zwielicht. Sanctuarium war Beilage einer CD. Worum geht es in der
Geschichte?
Jörg Kleudgen: SANCTUARIUM spielt mit verschiedenen
Wahrnehmungsebenen und Symbolen. In wenigen Worten zusammengefasst wird
die Geschichte eines lebensbedrohlich erkrankten Mannes erzählt, der auf
einer geistigen Wanderung zurück in seine Kindheit seinen Urängsten wie
auch seinen wertvollsten Schätzen begegnet. Der Text endet mit einer
rätselhaften Szene, in der Bewaffnete sich in den engen Straßen des
Burgdorfes, in dem er in einem Hotel Unterkunft gefunden hat, auf eine
Jagd vorbereiten. Es könnte der Auftakt eines längeren Textes sein,
stellt aber auch noch einmal das zuvor Erzählte in Frage und wirft ein
anderes Licht darauf.
Michael Schmidt: In Zwielicht 6 bist du mit Penventinue vertreten. Gibt es dazu eine Entstehungsgeschichte?
Jörg Kleudgen: Oh ja! Ursprünglich sollte PENVENTINUE zum Album
RADIO CORNWALL meiner Band THE HOUSE OF USHER erscheinen. Zum Schreiben
der Songs hatten wir uns in Fowey/Cornwall ein Bauernhaus gemietet, und
das trug den Namen PENVENTINUE (siehe auch:
http://www.penventinuemanorfarm.co.uk/).
Wir sind viel durch König-Artus-Land gefahren, nach Tintagel, ins
Bodmin Moor … sodass die Grals-Thematik ständig präsent war. Sie ist
zwangsläufig in die Geschichte gelangt. Seltsamerweise passte
PENVENTINUE nicht mehr so recht zum Album, als die Songs fertig
aufgenommen waren. Ich habe damals relativ spontan eine neue Erzählung
verfasst, und für den ursprünglichen Text habe ich nie eine angemessene
Form der Veröffentlichung gefunden, bis die Anfrage von ZWIELICHT kam …
Michael Schmidt: Des Autors liebstes Kind. Jeder hat ja so
Geschichte, die er besonders mag. Liegt dir irgendeine deiner
Geschichten besonders am Herzen?
Jörg Kleudgen: Am Herzen liegen mir besonders alle Geschichten, zu
denen ich einen persönlichen Bezug habe, und das ist der überwiegende
Teil, also auch Texte, die auf den ersten Blick nicht autobiographisch
klingen. Einen ganz besonderen Stellenwert nehmen die Geschichten zu den
Alben meiner Band ein, weil sie meist über einen sehr langen Zeitraum
hinweg entstehen und immer wieder umgeschrieben werden. Mir stehen in
einem CD-Booklet ja nur wenige Seiten zur Verfügung, das bedeutet, ich
muss meine Sprache sehr komprimieren und auf den Punkt bringen, wenn ich
eine komplette Geschichte erzählen will. Das ist mir bei den zuletzt
erschienenen Geschichten I HEAR A NEW WORLD (vom Album ANGST) und DIE
BÜCHSE DER PANDORA (von PANDORA’S BOX) mit am besten gelungen. Auch der
Text zu INAUGURATION ist voller Andeutungen und „Links“, die den Leser
dazu bewegen sollen, selber weiter zu recherchieren.
Michael Schmidt: Woran arbeitest du aktuell und welche Veröffentlichungen stehen an?
Jörg Kleudgen: Ich habe ja gerade die Neubearbeitungen meiner beiden
Venedig-Romane als TEATRO OSCURA abgeschlossen (EDITION CL) und in der
Goblin-Press Michael Knokes „Nacht über Rochester“ herausgegeben. Für
den Basilisk-Verlag habe ich mit einem großartigen Autorenteam einen
Reiseführer für die von Lovecraft ersonnene Stadt Ulthar
zusammengestellt, illustriert, begleitet und mit einer Stadtkarte
versehen. Eigentlich hätte ich jetzt etwas Ruhe verdient. Aber zum einen
ist das noch die Erzählung „Stolzenstein“, die ich als
Fortsetzungsroman für unsere Bandnewsletter NEKROLOG verfasse, zum
anderen ein altes Projekt von Michael Knoke und mir, das schon lange
darauf wartet, endlich abgeschlossen zu werden. Es ist eine sehr
vielversprechende Geschichte, die etwas aus dem Rahmen unserer sonstigen
Arbeiten fällt, aber die Bearbeitung fällt mir ehrlich gesagt schwer.
Ich möchte in diesem Fall alles besonders richtig machen und stehe mir
da vielleicht selber im Weg …
Michael Schmidt: Ein Wort noch an die Leute draußen!
Jörg Kleudgen: Ich war ja letztes Wochenende wieder auf dem
Marburg-Con und habe dort viele an der Phantastik Interessierte
getroffen. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … aber das sind schon
außergewöhnliche, liebe Menschen! Ich bin froh, dass ich ein Teil des
Ganzen sein darf. Bleibt wie Ihr seid!
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