Uwe Voehl (Interview)
Bewahrt eure Leidenschaft!
Nichts beweist mehr das gesellschaftliche Desinteresse am Horror als die im letzten Jahrzehnt ansteigende Zahl von Klein- und Hobbyverlagen.
aus "Horror ist ein einsames Wort" von Uwe Voehl (erschienen in Die Horror-Fabrik (Goblin Press)
Michael Schmidt: Hallo Uwe, wir hatten uns schon mal gesprochen, da ging es vor allem um die Horror-Factory, siehe hier. Damals startete diese und mittlerweile sind 26 Ausgaben erschienen. Es gibt Gerüchte, die 26. Ausgabe wäre die letzte gewesen, da die Vorankündigung zur Nummer 27 fehlt. Ist da was dran?
Uwe Voehl: Als die HORROR FACTORY startete,
war nur eine Staffel geplant, das heißt, wir hatten den Ehrgeiz, dreizehn
eigenständige Romane herauszubringen. Die waren so erfolgreich, dass der Verlag
schon nach den ersten E-Books beschloss, eine zweite Staffel anzugehen. Es gab
und gibt keinen Grund, von einer Einstellung zu sprechen. Es liegen, wie du sagst, 26 Horror-Romane
vor, die Edition ist damit vorerst abgeschlossen. Und der Unterschied zu
Romanheften – abgesehen vom inhaltlichen Anspruch – ist nun mal der Vorteil,
dass alle 26 Romane sehr, sehr lange und jederzeit verfügbar sein werden.
Michael Schmidt: Mit welchen
Erwartungen bist du damals an die Horror Factory herangegangen und jetzt, nach
26 Ausgaben, wie fällt dein Resümee aus?
Uwe Voehl: Nun, zunächst einmal wollte ich
endlich wieder eine Horrorreihe mit eigenständigen Romanen etablieren.
Gleichzeitig sollte es keine Endlosreihe werden, die irgendwann nach hinten
immer mehr ausfranst, sondern mir schwebte eine Art Bestandsaufnahme oder Katalog
aktueller deutschsprachiger Horrorliteratur vor. Dazu gehören etablierte
Autoren, die im Romanheftgenre ihr Geld verdienen wie Christian Montillon oder
Timothy Stahl ebenso wie talentierte Nachwuchsautoren wie Vincent Voss oder
Rona Walter. Aber natürlich auch
Bestsellerautoren wie Wolfgang Hohlbein. Mit Robert C. Marley und Oliver Buslau
habe ich zwei Krimiautoren für die Reihe gewinnen können, von denen ich wusste,
dass sie ein Faible für Horrorliteratur haben.
Nach wie vor stehe ich hinter
jedem einzelnen Roman, den ich ausgewählt habe, aber es gab natürlich von
meiner Seite her Wünsche, die leider unerfüllt blieben. Nicht jeder Autor, den
ich angefragt habe, hatte auch Zeit.
Michael Schmidt: Welche Bände
fandst du besonders herausragend?
Uwe Voehl: „Herrin der Schmerzen“ von
Michael Marcus Thurner ist mein persönlicher Lieblingsroman. Ich bin einfach
vernarrt in diese morbiden, abseitigen Phantasien, wie sie wohl nur ein
Österreicher spinnen kann. Früher war es Ernst Vlcek, der mich in dieser Hinsicht
begeisterte und inspirierte. In Michael Marcus Thurner hat er seinen würdigen
Nachfolger gefunden. Als Autor war Christian Endres eine Neuentdeckung für
mich. Er hat mit „Crazy Wolf“ sofort einen völlig neuen, eigenständigen Stil
entwickelt.
Michael Schmidt: Du bist ja wie
immer umtriebig und Herausgeber von Angel Island. Wie kam es zu dem Buch und
wer ist Oliver Schütte?
Uwe Voehl: Oliver Schütte ist Drehbuchautor
und Dramaturg und wie ich für die Bastei Lübbe Academy tätig. In diesem Rahmen
entstand die Idee zu „Angel Island“: Acht Autoren schreiben jeweils eine
eigenständige Geschichte, die an Halloween auf Angel Island spielt. Oliver
Schütte und Jan Wielpütz, der eigentlich auch zum Herausgeberteam zählt, haben
mit vier Autoren aus der Academy die Storys erarbeitet. Ich habe vier Autoren
von außerhalb gebeten, eine Story beizusteuern.
Michael Schmidt: Ist das der
Beginn einer neuen Renaissance der Kurzgeschichte bei großen Verlagen wie
Bastei oder wird das eher die Ausnahme bleiben?
Uwe Voehl: Ich sage immer: Mal sehen, wie
sich die Anthologie verkauft. Bisher wohl recht gut. Aber die Konstellation,
aufgrund der „Angel Island“ entstand, war ein absoluter Glücksfall. Leider sehe
ich generell keine Renaissance. Das, was da in letzter Zeit bei verschiedenen
Verlagen herauskam, war in dieser Menge sicherlich ein Zufall und immer dem
Engagement Einzelner zu verdanken. Vor Kurzem schrieb ich ein Essay mit dem
Titel „Horror ist ein einsames Wort“.
Ich fürchte, irgendwann wird es ein vergessenes Wort sein. Zumindest auf
gedruckten Büchern.
Ganz anders sieht das natürlich
abseits der Großverlage aus. Ich lese gerade mit großem Vergnügen „Aus dunklen
Federn“, eine mit viel Liebe herausgegebene Anthologie von Sonja Rüther mit
Storys von Markus Heitz, Thomas Finn, Boris Koch und einigen anderen. So ein
Buch wird unter den Horror-Fans immer seine Leser finden.
Michael Schmidt: Vor 35 Jahren
warst du Herausgeber der Galgenpuppe, jetzt Angel Island. Wie würdest du 35
Jahre Anthologien und Kurzgeschichten zusammenfassen? Was hat sich in dieser
Zeit geändert und was blieb gleich?
Uwe Voehl: In meinem Fall erschienen beide
Anthologien unter professionellen Bedingungen bei einem Großverlag. In beiden
Fällen hatte ich völlig freie Hand, heute kommt der Vertrauensbonus vielleicht
hinzu. Der Unterschied dürften die Auflagen sein: Die Vampir-Taschenbuchreihe
stand damals in jeder Bahnhofsbuchhandlung und hatte bis zu 20.000 Leser.
Horror war damals ein populäres Genre weit in alle Gesellschaftsschichten
hinein.
Michael Schmidt: Du schreibst ja
auch vor allem selbst. Welche deiner neu erschienen Horrorkurzgeschichten
sollte man auf jeden Fall lesen?
Uwe Voehl: Ich schreibe kaum mehr
Kurzgeschichten, zuletzt einige Krimis. Insofern empfehle ich meine Kurzstory
„Blutschande“, die in der Anthologie „Diagnose Mord“ im Buchvolk-Verlag
herausgekommen ist. Selbst als Autor geht sie mir beim Wiederlesen immer noch
unter die Haut – mehr als manche Horrorstory.
Michael Schmidt: In der Horror
Factory ist ja deine dreiteilige Kurzserie „Necroversum“ erschienen. Wird diese
irgendwann auch als gedrucktes Buch erscheinen und wie sieht es da auch mit den
anderen HF-Bänden aus?
Uwe Voehl: Gedruckte Bücher
(klingt fasst wie ein weißer Schimmel, aber so heißt es ja nun einmal) sind
nicht geplant. Bastei Entertainment ist ausschließlich an der Entwicklung und
Vermarktung von digitalen Serienprodukten interessiert. Und auch nur dafür
zuständig, das darf man nicht vergessen. Dieser Markt ist nun mal Teil der
Zukunft und eröffnet auch für uns Autoren ungeahnte (um nicht zu sagen:
unbegrenzte) Möglichkeiten. Immerhin sind die ersten Bände der HORROR FACTORY
jetzt auch im englischsprachigen Raum abrufbar. Wann hat es das schon mal
gegeben?
Michael Schmidt: Was hat der
Autor Uwe Voehl noch so geplant für die nächste Zeit?
Uwe Voehl: Nachdem ich die Redaktion für
COTTON RELOADED, der digitalen Fortsetzung der Kultserie JERRY COTTON
übernommen habe, ist die Zeit für den Autor nach wie vor knapp. Ich schreibe ja
auch noch die Exposés für die Horror-Serie DAS HAUS ZAMIS und steuere für
DORIAN HUNTER (beide Zaubermond-Verlag) ab und zu einen Roman bei. Als Autor
wage ich mich als Nächstes an ein größeres Thriller-Konzept. Mal sehen, ob
etwas daraus wird.
Michael Schmidt: Ich habe deinen
Namen bei Perry Rhodan Neo gelesen. Bist du jetzt auch SF Autor und was
erwartet einen interessierten Leser?
Uwe Voehl: Die Arbeit an PR-NEO hat mir
großen Spaß gemacht, aber auch Albträume beschert, weil ich zeitlich einfach
nicht damit fertig wurde. Es war unwahrscheinlich viel Arbeit, die ich
reingesteckt habe. Letztlich saß ich doppelt so lange dran wie geplant. Im
Gegensatz zum Horror oder Krimi fließt mir SF nicht so aus der Feder. Ich lebe
vom Schreiben, muss also irgendwie auch rationell arbeiten, und das gelingt mir
im Falle von SF nicht. Daher belasse ich es zunächst bei diesem einmaligen
Ausflug.
Michael Schmidt: Ein Wort noch an
die Leser dort draußen!
Uwe Voehl: Zunächst danke ich dir
für deine interessanten Fragen und die Möglichkeit, einige Dinge zum Stand der
HORROR FACTORY zu sagen. Ich bedanke mich bei allen, die die HORROR FACTORY auch
weiterhin unterstützen! Und allen Horror-Lesern, der ja auch ich einer bin,
kann ich nur wünschen: Bewahrt eure Leidenschaft! Sie kann euch keiner nehmen!
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