Tiefraumphasen (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Andrè,
hallo Frank, stellt ihr euch kurz vor.
Andrè Skora: Seit ich zu
nächtlicher Zeit mit viel Geplärr auf diesen unseren Planeten geschlüpft bin,
bin ich meiner Heimatstadt treu geblieben, auch wenn es hier immer düsterer
wird. Beruflich mach ich irgendwas mit Medien und ansonsten treib ich mich
virtuell viel herum.
Frank Hebben: Was, schon WIEDER?! [hier und nachfolgend passende
Emoticons setzen, die in seriösen Interviews so gerne rausgekreuzt werden]
Frank Hebben, mein Name. Ich bin Technischer Redakteur und Werbetexter,
außerdem der „Wagner der Deutschen Science Fiction“, wie mich Michael Iwoleit
einmal zum Spaß auf Facebook genannt hat … Steht jetzt allerdings auf meinen
Visitenkarten.
Michael Schmidt: Du bist
Mitherausgeber der Tiefraumphasen. Nach den Fieberglasträumen ist das das
zweite Buch mit Frank Hebben/André Skora. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Frank Hebben: Das habe ich
verdrängt. [Emoticon] Nein, Harald Giersche, seines Zeichens Verleger des
Begedia-Verlags, hat also vor Urzeiten via E-Mail angefragt, ob ich denn nicht
meinen Beitrag zu einer geplanten Cyberpunk-Anthologie leisten will und kann
und muss; blieb aber vage. Ich habe ihm dann den Finger auf die Brust gesetzt,
bis ich alle Einzelheiten wusste: Welche Autoren sind dabei? Wer macht das
genau? Etc. Etc. Und da ich just meine schmerzliche Trennung vom NOVA-Magazin
hinter mich gebracht hatte, das in die weite Welt auszog, mit mehr Glück oder
Unglück als Verstand, dachte ich mir: Warum nicht mein Künstlerkollektiv für
diese Anthologie mit ins Boot holen, um den Cyberpunk auch optisch tanzen zu
lassen … So habe ich Kontakt zu André hergestellt, der erst skeptisch, dann
begeistert war.
André Skora: Frank hat es schon
gut beschrieben. Nachdem ich damals die Idee zu Fieberglasträume hatte, ist er
mir zugeschustert worden. Ja, eine gesunde Skepsis war da, da es ja zu gewissen
Teilen „mein Baby“ war. Als dann die ersten Ergebnisse eingetrudelt waren und
ich mal Franks Machwerke gelesen hatte, war die Entscheidung Fieberglasträume
„bunt“ werden zu lassen, genau die Richtige.
Michael Schmidt: Dieses Mal habt
ihr euch mit Armin Rößler einen erfahrenen Mitherausgeber ins Boot geholt!
Warum?
Frank Hebben: Armin ist, neben
Benedict Marko, mein Haus- und Hoflektor, der sowohl die Prothesengötter [hier
Werbejingle einfügen] als auch die Maschinenkinder [dito] saubergefegt hat;
seitdem leider in ärztlicher Behandlung, sodass ich nur am Wochenende dazu
komme, ihn für ein paar Stunden in der Anstalt zu besuchen. Wir hatten bei den
Fieberglasträumen anfangs noch Schwierigkeiten, ein professionelles Korrektorat
umzusetzen; letztlich haben viele Augen draufgesehen, und das war auch gut so.
Aber diesmal wollten wir einfach direkt einen Profi engagieren, eben: Armin,
der zur Belohnung, falls man das so nennen darf, gleich zum Mitherausgeber
gekrönt/verflucht worden ist.
André Skora: Vor den
Tiefraumphasen haben wir eben über alles diskutiert und die angesprochene
Änderung so beschlossen. Dank Frank war Armin schnell an Bord und so sind wir
zum Dreigestirn gewachsen.
Armin Rößler: Hat mich jemand
gerufen? Ja? Dann mische ich mich doch rasch ein. Das war schon lustig: Erst
sollte ich als Autor dabei sein, dann zusätzlich als Lektor und schließlich
auch noch als Herausgeber. Ich habe kurz gezögert, als das Angebot kam. Von
früheren Projekten her bin ich es gewohnt, das Ruder in Händen zu halten,
irgendjemand hat mich mal wenig schmeichelhaft einen „Kontrollfreak“ genannt.
Deshalb war es eine neue Erfahrung für mich, relativ spät zum Team zu stoßen.
Die Skepsis war aber unnötig: Das Dreigestirn hat sehr gut funktioniert, alle
Entscheidungen gingen demokratisch über die Bühne. Insofern habe ich mein
Ja-Wort nicht bereut, auch die Zusammenarbeit mit den Autoren, darunter einigen
alten Bekannten, hat dem manchmal schmerzhaften Lektoratsprozess zum Trotz viel
Spaß gemacht.
Michael Schmidt: Die Ankündigung
für Tiefraumphasen ist wie folgt: Ein
dreckiger, toter Kosmos – Maschinenmenschen steuern Frachtschiffe im
Methanregen; die dunkle Seite des Alls. Wir sind allein. Kolonisierte Planeten,
von Konzernen ausgebeutet: Der Traum von den unendlichen Weiten hat sich nicht
erfüllt. Abgrundtiefe Schwärze, überall. Alles strebt nach Glück und scheitert.
Oder gibt es Hoffnungsschimmer? Finden die tragischen Helden ihren Frieden in
der ewigen Stille oder ist am Ende nur der Tod?
Was also erwartet den Leser?
Andrè Skora: Garantiert alienfreie
Geschichten aus deutschem Lande.
Frank Hebben: Ein dreckiger,
toter Kosmos – Maschinenmenschen steuern Frachtschiffe im Methanregen; die
dunkle Seite des Alls.
Armin Rößler: Schon richtig. Aber
so düster sich das alles anhört – es darf auch an vielen Stellen geschmunzelt
werden. Die Mischung stimmt.
Michael Schmidt: Die Ankündigung
klingt nach einer Themenanthologie. Heißt das, die Geschichten sind ähnlich
oder erwartet den Leser doch einen bunten Strauß mit unterschiedlichen Themen
und Stilen?
Frank Hebben: Ich denke, diese
Frage beantwortet sich von selbst.
André Skora: *kopfnickend
zustimm*
Armin Rößler: Da muss ich jetzt
nichts mehr sagen, oder?
Michael Schmidt: Hast du einen Favoriten
in der Sammlung?
Andrè Skora: Wenn ich „nein“
sagen würde, würde ich lügen, aber das ist und bleibt mein Geheimnis.
Frank Hebben: Alle unsere Kinder
habe ich gleich lieb. <3 p="">3>
Michael Schmidt: Fieberglasträume ist ja schon eine Zeit auf dem Markt. Wie würdest du die Anthologie im Nachgang bewerten. Was war gut, was eher schlecht. Und war die Anthologie ein Erfolg?
Armin Rößler: Natürlich. Sogar
mehrere. Eigentlich mag ich sie sogar alle.
Michael Schmidt: Nach welchen
Kriterien habt ihr die Geschichten ausgewählt?
Andrè Skora: Wir haben uns die
Autoren einfach von der Straße her geschnappt, in den Schreibkeller gesperrt,
ihnen regelmäßig frisches Wasser und TK Pizza vorbeigebracht. Erst als das
Ergebnis gepasst hat, wurde Geblitztdingsbums.
Frank Hebben: Auswählen ist das
falsche Wort, wenn es um die Storys geht. Wir haben die Autoren (!) ausgewählt;
die zur Anthologie dann Geschichten in gewohnt hoher Qualität beigesteuert
haben; hier herrscht tatsächlich fast blindes Vertrauen, obwohl wir natürlich
prüfen, ob sie sich die Prilsterne auch redlich verdient haben.
Armin Rößler: Das war dann der
oben erwähnte schmerzhafte Prozess …
Michael Schmidt: Fieberglasträume
hat farbige Illustrationen. Ist das hier auch wieder so?
Frank Hebben: Nein, diesmal gibt
es starke Illus in S/W; ist ein Kostenfaktor. Denn allein die ganzen Belege des
32 (?) Mann/Frau starken Teams treibt Schnapper-Harald selbst in den Ruin; sagt
er. [Emoticon]
André Skora: Nee – aber bunte
Bildchen wäre hier auch deplatziert gewesen.
Armin Rößler: Die
Schwarz-Weiß-Illustrationen passen perfekt zu den Geschichten.
Michael Schmidt: Fieberglasträume ist ja schon eine Zeit auf dem Markt. Wie würdest du die Anthologie im Nachgang bewerten. Was war gut, was eher schlecht. Und war die Anthologie ein Erfolg?
Frank Hebben: Gute Frage. Nächste
Frage. Die das wäre, was denn mit Erfolg gemeint ist. Kommerziell haben wir
ordentliche Verkäufe gehabt; aber darum geht es uns Herausgeber ja nicht; wir
kriegen kein Geld für unsere mühselige Arbeit, sondern nur den obligatorischen
Schulterklopfer: Gut gemacht, Jungs! Und das haben wir auch: Wir haben
zusammen, als Team, eine echt geile Anthologie auf die Beine gestellt; die wir
jetzt mit den Tiefraumphasen toppen. [Werbejingle]
Andre Skora: Fieberglasträume ist
immer noch „unser Baby“. Es macht mir immer noch Freude, das Ding aus dem Regal
zu fischen und drin zu blättern. Was uns die Antho gebracht hat? Keinen Sack
voll Euronen, dafür aber Erfahrungen die jetzt in die Tiefraumphasen
eingeflossen sind und an der Levelschraube gedreht haben.
Michael Schmidt: Welche
Geschichten waren deine Favoriten in Fieberglasträume?
Andre Skora: Alle unsere Kinder
habe ich gleich lieb. <3 p="">3>
Frank Hebben: Alle unsere Kinder
habe ich gleich lieb. <3 p="">3>
Armin Rößler: Ich bin da ja sehr
unvoreingenommen als Nur-Leser herangegangen, weil ich lediglich an einer
Geschichte als Lektor beteiligt war. Ich bin vom Buch insgesamt sehr gut
unterhalten worden.
Michael Schmidt: Nach der
Anthologie ist vor der Anthologie. Wird es einen dritten Band geben?
Frank Hebben: Im Leben nicht!
Okay. Offiziell sind wir gerade im Urlaub, denn, man mag es gar nicht meinen,
solch eine Anthologie zu betreuen macht echt tierisch Stress, gerade in der
heißen Phase. Wir haben neue Ideen. Wir haben auch generell Lust. Allerdings
will und wird sich Begedia in Richtung nur Romane umorientieren, sodass wir
dann bei einem anderen Verlag vorstellig werden würden könnten müssten.
Andre Skora: Da gab es mal einen
Filmhelden, der genau das Richtige dazu sagte: „Sag niemals nie“.
Armin Rößler: Für mich war das
sicher nicht die letzte Anthologie, an der ich mitgewirkt habe, gerne auch
wieder in diesem Team. Wann? Gerade ist beim Corona Magazine etwas Neues in
Vorbereitung, und ich habe da noch das eine oder andere Buchprojekt, das ich vielleicht
noch vorher fertigstellen sollte …
Michael Schmidt: Welche Autoren
der deutschen SF Szene würdest du einem geneigten Leser besonders ans Herz
legen?
Andre Skora: Das ist echt eine
gute Frage. Aufgrund der Anthologien und meiner Bloggerei habe ich in letzter
Zeit so viel gutes Zeug gelesen, dass es schwierig ist, sich auf einen
Autor/eine Autorin festzulegen. Aber so viel sei gesagt: werft mal einen Blick
auf die anderen Bücher unserer Autoren, da ist echt krasser Lesestoff dabei.
Frank Hebben: Iwoleit! Lest mehr
IWOLEIT!
Armin Rößler: Die Frage ist
schwer zu beantworten, weil ich in den letzten Jahren als Lektor in den
Entstehungsprozess vieler Bücher involviert war: Das gilt für Franks
Collections wie auch für die Storysammlungen von Heidrun Jänchen („Willkommen
auf Aurora“) und Michael Iwoleit („Die letzten Tage der Ewigkeit“) oder Dieter
Schmitts Perlamith-Vierteiler. Natürlich bin ich da als Beteiligter
voreingenommen, aber diese Bücher kann ich guten Gewissens empfehlen. Als
Nur-Leser deutscher SF freue ich mich über Romane von Dirk van den Boom und
Karsten Kruschel, verfolge mit viel Interesse die D9E-Reihe und habe mir gerade
aus dem Hause Begedia den Horst-Pukallus-Storyband „Flüsterasphalt“ auf den
Nachttisch gelegt …
Michael Schmidt: Ein Wort noch an
die Leute dort draußen!
Armin Rößler: Lest Bücher.
Andre Skora: Der Weihnachtsmann
liefert auch Tiefraumphasen!
Frank Hebben: Kauft nix vom
Hebben! *umgekehrte Logik anwend* Vielen Dank für das Interview.
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