Lady Evil
Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Lady Evil (aus Zwielicht 5 und Branded and Exiled)
Lady Evil (aus Zwielicht 5 und Branded and Exiled)
Die runtergekommene Gasse im Westteil
Silbermonds stinkt nach Pisse und das ziemlich penetrant. Das Neonlicht
flackert in den Pfützen wie in einer Disco und erzeugt surreale flüchtige
Bilder, die mal an die Karikatur einer Frau, mal an einen intensiven Maronrausch
erinnern.
Die fünf Typen vor mir fühlen sich
stark. Breit thronen sie auf dem Bürgersteig vor dem Postillion, die
Welt herausfordernd in all ihrer
selbstgefälligen Arroganz.
Ich nehme die Herausforderung an,
stehe prompt vor dem ersten und setze ihn mit einem trockenen Tritt in die
Weichteile außer Gefecht. Der zweite sinkt mit gebrochener Nase zu Boden.
Jetzt nehmen mich auch die drei
anderen Flachpfeifen wahr. Ich schenke ihnen ein dreckiges Grinsen und ein paar
schnelle Kombinationen, dann warte ich mit unverhohlener Ungeduld.
Der Rausschmeißer braucht geschlagene
78 Sekunden. In unserer Bude wäre er jetzt geflogen, aber Robert, der Eitle,
ist nicht umsonst die Nummer Zwei im Bezirk. Er hat sein Personal einfach nicht
im Griff. Der Fisch stinkt eindeutig vom Kopf und den werde ich heute waschen.
Der Typ gafft mich blöde an und zieht
ernsthaft in Erwägung, sich an mich heranzumachen. Nun, der Fehler würde
garantiert ohne Wiederholung bleiben. Aber ich habe ehrlich gesagt keine Zeit
für solche Spielchen.
„Bürschchen. Trab schnell zu deinem
Boss, sonst gibt es einen Satz heiße Ohren. Ich soll eine Nachricht von Bob
Rock übergeben. Also troll dich, ich warte nicht gerne.“
Das Gesicht ist eine wahre Pracht.
Das Schießpulver hat dieser Tiefflieger nicht erfunden, er schaut wie ein
Dum-Dum-Geschoss, wenn auch eines in Superslomo. Ein Blick auf meine erhobene
Faust sowie das elende Quintett am Boden scheinen ihn die richtigen Schlüsse
ziehen zu lassen.
Umgehend und kommentarlos verzieht er
sich aus meinem Gesichtsfeld. Diesmal warte ich geduldiger, stecke mir eine
Fluppe an und philosophiere über das Leben und seine Vorzüge. Die Flachpiepe ist
schnell wieder zurück und deutet mir an, mitzukommen. Na, warum nicht gleich
so.
Ich folge ihm auf dem Fuße, aber mit
dem nötigen Abstand. Wir durchwandern ein Gewirr von Treppen und Gängen, das
verwirren soll, aber nur die Schäbigkeit des Etablissements aufzeigt. Allgegenwärtig
liegt dieser unschöne Duft in den Räumen, eine Mischung aus Urin, Parfüm,
kaltem Tabakrauch und Rosen. Letzteres wirkt ein wenig fehl am Platz, aber
irgendwie wundert mich bei dem Eitlen und seinen Mannen mittlerweile gar nichts
mehr. Fröhlich pfeifend folge ich dem Bodyguard und grinse vor mich hin. Das
ist ein einfacher Auftrag.
Der eitle Robert lümmelt in einem
dieser scheißmodernen Designersessel. Geformt wie ein Ufo nach harter Landung
auf dem Mars in den Bröseln hängt der sonnenverbrannte Schwachmat und grient
mich blöde an. Ich griene zurück und sage meinen Spruch auf:
„Zehn Prozent oder Bob Rock jagt den Postillion durch den Mixer!“
Er bleibt eitel, sieht mich nur
herausfordernd an, dick und faul in seiner Selbstsicherheit. Ich habe nichts
anderes erwartet, alles verläuft nach Plan. Zeit, seine Zuversicht einer Diät
zu unterziehen.
„Sag. Deine Kleine. Sarah. Wann hast
du die zuletzt gesehen?“
Seine Gesichtszüge entgleisen und ich
weiß, ich habe ihn bei den Eiern.
„Bleib locker. Schau dir das an und
höre, was Bob Rock zu sagen hat. Und wenn einer von deinen Vögeln auf die Idee
kommt, eine falsche Bewegung zu machen, erleben wir hier eine Bombenstimmung.“
Ich reiche ihm das präparierte Handy
und lüfte gleichzeitig mein Jackett. Unter meinen Achseln thront der
Sprengstoff, die Botschaft ist eindeutig und kommt an.
Die Sonnenbräune gewinnt Land und so
starrt mich der bleiche Eitle eine halbe Ewigkeit an, bevor er in der Lage ist,
das Video zu starten. So ein Handy hat keinen großen Bildschirm, doch man kann
eindeutig erkennen, was seine Kleine und Bob Rock da miteinander veranstalten.
Er schaut mich an, das Versprechen
meines Todes im Blick. Ich lächle nur schwach und warte.
„Was…“
„Sie mal. Deine Kleine und das Maron
sind die besten Freunde geworden“, erwidere ich lakonisch. „Sie verdient es sich
jeden Morgen und jeden Abend. Bob Rock ist echt ausdauernd. Ich befürchte nur,
wenn sie das noch ein paar Jahre macht sieht sie genauso übel aus wie die
Schwalben auf der Acacia. Noch besteht Hoffnung, dass sie vom Stoff wieder
runter kommen kann. Es wäre doch echt wünschenswert wenn sie wieder in den
Armen ihres geliebten Vaters versinkt. Damit der sich fürsorglich darum
kümmert, dass sie in den Schoß der Gesellschaft zurückkehrt und ein spießiges
Leben führt. Kinder in die Welt setzen, das Haus sauber halten, kochen, das Übliche
halt. Besser als die Matratze eines jähzornigen Bosses zu sein, dessen Launen
berühmt und berüchtigt in Weststadt sind. Was sind schon zehn Prozent dafür,
dass man seine Tochter zurück erhält. Und mit ein wenig Glück bist du in
Jahresfrist Großvater und hast einen strammen und gesunden Enkel. Hey, was will
das Herz mehr?“
Mit den letzten Sätzen öffnet sich
die Tür und die pure Sünde tritt ein. Rotes Haar, weibliche Rundungen und ein
Mund, nach dem sich Männer verzehren. Wie ein Blitz trifft mich der Blick ihrer
grünen Augen. Sekundenlang starre ich sie mit offener Kinnlade an, buchstäblich
wie vom Donner gerührt. Es rauscht in meinen Ohren und alles um mich herum verliert
an Bedeutung. Ich versinke in den Tiefen ihrer Iris, gelähmt in jedem noch so
kleinen Muskel.
„…sag das Bob Rock. Aber…Hey, hörst
du mir zu?“
Mit Gewalt konzentriere ich mich auf
das Hier und Jetzt und löse mich von ihrer Präsenz.
„Also, ich sage es ein letztes Mal.
Bob Rock ist im Arsch wenn ich meine geliebte Sarah nicht umgehend heute noch
zurückbekomme. Ist das klar?“
Er springt auf, schreit es mir
förmlich entgegen, ein halb wahnsinniges Flackern in den braunen Augen.
Robert, der Eitle, ist am Rande des
Zusammenbruchs und ich frage mich, ob das wirklich nur mit dem Dilemma, in dem
sich seine Tochter befindet, zu tun hat. Er wirkt fahrig, aber unberechenbar
wie ein Vulkan, jederzeit bereit, den dünnen Grat zu überschreiten, der ihn vom
völligen Wahnsinn trennt.
„Er bekommt seine zehn Prozent. Aber
ich will meine Tochter heute noch zurück. Bring sie mir! Und zwar so schnell
wie nur irgendwie möglich.“
Er lässt die Schultern sinken.
Robert der Eitle ist jetzt Robert der
Gebrochene.
Er faselt vor sich hin. Ein letztes
Rückzugsgefecht, der Versuch, die Tochter und seine Selbstachtung zu retten,
aber spätestens in ein paar Tagen wird ihm bewusst werden, dass er auf ganzer
Linie verloren hat. Wenn er schlau ist sucht er bald das Weite und kehrt
Silbermond den Rücken.
Ich schaue auf die grünäugige Sünde.
Sie hat es ebenfalls erkannt und wendet sich von ihm ab. Ihr Blick ist das
Versprechen der vollkommenen Sünde.
Beschwingt verlasse ich den Saal. Ich
bin mehr als bereit den Platz des Eitlen einzunehmen. Lady, das wird nicht
unsere letzte Begegnung gewesen sein.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen