Segmentfäule - Leseprobe


Eine Menge Kurzgeschichten habe ich bisher veröffentlicht, eine Liste gibt es hier.

 Im März erschienen ist die Anthologie Strandgut im Hirnkost Verlag. Im SF Netzwerk fand ein Lesezirkel statt.

Meine Geschichte Segmentfäule schneidet dabei hervorragend ab. Rezensionsnerdista gefällt es wie man hier lesen kann.
Rostig geht noch weiter: Eine der besten Geschichten im Buch.
Auch Maximilian Wust ist angetan. Wieso ist das eine Kurzgeschichte und kein Roman? Oder gleich eine ganze Serie? interpretiere ich als Lob.

Grund genug eine Leseprobe für potenzielle Interessenten einzustellen.


Entdeckungen

Marek wanderte tief in das Ödland hinein und es wurde mit jedem Schritt ekelhafter. Dunkle Stellen, wohin er sah, und in der Luft hing ein übler Gestank, der seine Nase beleidigte. Nur mit Mühe unterdrückte er ein Würgen. Gerade betrat er eine kleine Höhle; von der Decke hingen fingerdicke Fäden, die einen besonders beißenden Gestank verströmten.

Bisher hatte er gezweifelt, ob es sich bei der Blase um ein Gebilde natürlichen oder künstlichen Ursprungs handelte. Gerüchte gab es viele, doch die meisten hatte er ins Reich der Fabel verwiesen. Doch jetzt war er sich sicher: Die Blase war organisch, und der Bereich, in dem er herumkroch, krank. Oder starb ab.

Wenn dieser Bereich starb, was würde das für die komplette Blase bedeuten? Würde sich die Fäule ausbreiten und andere Segmente anstecken?

Die Vorstellung, ihre Welt könne sterben, war so ungeheuerlich, dass es ihn eiskalt schüttelte. Nun, er wusste nicht, ob er daran glauben sollte, aber der fortschreitende Verfall ließ sich einfach nicht leugnen. Er musste unbedingt Janus nach seiner Rückkehr informieren. Mit gebotener Vorsicht und einer gehörigen Portion Ekel versuchte er, sich durch die Fäden zu schlängeln, ohne sie zu berühren. Natürlich misslang das.

Wie eine kalte, tote Hand fühlten sich die Fäden an, und so eilte er weiter, nur, um noch häufiger mit ihnen in Kontakt zu kommen. Das sorgte dafür, dass er seine Schritte beschleunigte. Ein Teufelskreis. Schauer durchfuhren ihn und er wünschte, er hätte beizeiten kehrtgemacht. Doch sein Pflichtbewusstsein verbot ein Zurück. Am Schluss rannte er das letzte Stück, während er sich vor Abscheu schüttelte.

Endlich hatte er das Segment durchquert und stand vor dem nächsten, zögernd und in banger Erwartung.

Ein erster vorsichtiger Schritt und er versank in einer zähen und schleimigen Masse, die ihn fest umschloss. Unwillkürlich wich er zurück und zog seinen Fuß nur mit Mühe aus dem Sumpf heraus. Er spielte mit dem Gedanken, umzukehren, doch allein die Vorstellung, nochmals den Saal der toten Hände, so nannte er den Fadenraum in Gedanken, zu durchqueren, verdrängte den Ekel vor dem merkwürdigen Morast, der vor ihm lag.

Skeptisch blickte er nach vorne. Dieses Segment war kurz, nur wenige Meter. Marek, das schaffst du, sprach er sich Mut zu und tat den nächsten Schritt. Noch tiefer als beim ersten Mal sank er ein, noch schleimiger erschien ihm der Boden. Er hatte das Gefühl, als würden Tausende kleine Zähne nach ihm greifen. Zähne, die zwar stumpf, aber trotzdem sehr hungrig an ihm nagten.

Er gab sich einen Ruck und ging weiter, die Bilder verdrängend, die ihm durch den Kopf gingen. Bilder von gierigen kleinen Mäulern.

Recherche

»Und Marek, mein Scout, fand trotz aller Mühen zurück. Ich habe ihn sofort damit beauftragt, das Segment auszumachen, das von der Fäule betroffen ist. Wie weit es geht und auch, wie schnell es sich ausbreitet. Doch was kann ein Mann allein schon erreichen?«, fragte Baumeister Janus den Rat, dem er Mareks Berichte vortrug.

Er sah in die Runde. Eine Mischung aus Langeweile, Unglauben und Widerwillen blickte ihm entgegen. Die Langeweile dominierte eindeutig. Er seufzte.

»Wir müssen alles Menschenmögliche tun, um herauszufinden, was unsere Welt zerstört. Wir müssen wissen, woher die Krankheit kommt, bevor es unsere Heimat vollkommen verschlingt und sie unwiderruflich zerstört. Hat irgendeiner von euch eine Ahnung, ob Vesika, unsere liebe Heimat, in vergangener Zeit schon einmal heimgesucht wurde? Welche Ursachen es haben könnte und wie es zu stoppen ist? Wir müssen die Lexeten besuchen und können nur hoffen, dass sie Antworten liefern.«

»Aufzeichnungen? Verehrter Janus. Du weißt genau, in unserer Wissensburg herrscht vollkommenes Chaos und noch nie hat dort jemand etwas Sinnstiftendes gefunden. Wer soll sich durch den Wust kämpfen? Die Indexten werden immer merkwürdiger, und ich fürchte, sie sind von der Fäule mehr betroffen als die Segmente. Dort scheint mir die große Gefahr zu lauern. Der unwiederbringliche Wissensverlust droht. Wer von euch möchte diese Aufgabe übernehmen, die Janus, unser allwürdiger Baumeister, hier angedacht hat?«

Rat Jeremias sah in die Runde und erhielt Ablehnung von allen Seiten.

»Siehst du!«, triumphierte Jeremias. »Niemand möchte das tun. Niemand kommt zu den gleichen Schlüssen wie du. Die Blase verändert sich. Ja und? Hat sie das nicht schon immer?«

Eine Pause, die Räte sprachen wild durcheinander, dann hob Jeremias die Hand.

»Einigen wir uns doch auf folgendes Szenario. Du untersuchst diese Segmentfäule. Dein Assistent Marek unterstützt dich, und wenn ihr auf wirklich konkrete Ergebnisse gekommen seid, erscheinst du auf einer Sitzung und wir beratschlagen, wie wir mit dieser Thematik weiter vorgehen werden. Für heute sollten wir uns mit diesem Umstand lange genug beschäftigt haben. Zum nächsten Punkt …«

Janus wartete die weitere Rede gar nicht erst ab.

Diese Ignoranten!

Mit hochrotem Kopf stürmte er aus dem Sitzungssaal. Er musste schnell hier raus. Sonst würde er sich vergessen. In ihm flammte eine unbezähmbare Wut. Abgekanzelt von diesem unfähigen Rat, der die drohende Gefahr nicht sah, selbst wenn man ihn mit der Nase draufstieß.

Er rauschte durch die Gänge, seine Umgebung ignorierend, und erreichte die Wissensburg, das Blut immer noch in Wallung. Sein Herz klopfte wie wild, und wenn er an Jeremias dachte, würde er am liebsten …

Wo war seine Melancholie geblieben?

Seit Wochen trug er schwer an seinen Gefühlen, quälte sich tagtäglich aus dem Bett und verbrachte den Tag in grauem und eintönigem Zwielicht. Nur Marek steckte ihn hin und wieder mit seiner Unternehmungslust an. Doch auch dieses Licht flackerte nur kurz und wurde immer wieder aufs Neue von tiefer Schwärze verdrängt. Seit Merina von ihm gegangen war, hatte er seine Freude verloren, seinen Mut und seinen Optimismus.

Jetzt aber war dieses ewige Grau verschwunden und wich einer Wut, zu der er sich gar nicht mehr fähig gefühlt hatte. Eine Wut, die ihn mit Leben erfüllte und wie eine heiße Quelle antrieb.

Er betrat die Wissensburg, orientierte sich kurz und steuerte sofort Gerek an. Die Lexeten waren so etwas wie das Inhaltsverzeichnis der Burg. Die meisten von ihnen verhielten sich mehr oder minder sonderbar. Gerek bildete da die große Ausnahme. Und voller Freude erkannte er, dass sein alter Freund Zeit für ihn hatte.

»Liebster Gerek, ich habe hier ein diffiziles Problem. Ich vermute, du bist der Einzige, der überhaupt in der Lage ist, mir weiterzuhelfen ...«

Weiterlesen könnt ihr in Strandgut .


Die Übersicht meiner Werke.

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