Jörg Munsonius - Bärenklau (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Jörg, was darf ich dir für unser Interview servieren: Deftig oder süß?
Jörg Munsonius: Kurz und knapp: Ich lass’ mich überraschen.
Michael Schmidt: Du bist ein Tausendsassa und in allen Bereichen aktiv, da fällt es schwer, den Anfang zu finden. Okay, du hast den Deutsche Fantasy Preis gewonnen! Erzähle mal!
Es wurde ein
ziemlich schweres Hardcover bei Fanpro,
über 1,6 kg und sollte später bei Heyne
als Taschenbuchausgabe, ähnlich dem SF-Lexikon, die Reihen vervollständigen,
was aber leider nicht klappte. Gefreut haben sich alle, denn es war eine
mehrjährige Arbeit für die Beteiligten und eine kleine Genugtuung, dass sie so
gewürdigt wurde.
Etwas Ähnliches
hatte es kurz nach der Jahrtausendwende in Deutschland im Bereich Fantasy noch
nicht gegeben. Wenn man über die internationale Szene sich einen ersten
Überblick verschaffen wollte, musste man auf die Standardwerke z. B. von
John Clute oder für den europäischen Sprachraum die wirklich opulenten Corian-Sachen wälzen, was mich immer
wieder bei letzterer Loseblattsammlung in die öffentlichen Bibliotheken eilen
ließ.
Michael Schmidt: Wer ist Steve Mayer?
Michael Schmidt: Wie gehst du vor bei den Illustrationen? Wie entstehen die Bilder?
Jörg Munsonius: Ich bevorzuge Affinity zum digitalen erstellen meiner Bilder, eine Mischung aus Fotos, Collagen, Stockfotos von Bildagenturen oder meinen eigenen Bildern, KI-gepromptete Details und den elektronischen Pinsel, um meine Vorstellungen in mannigfaltigen Bildwelten zu materialisieren.
Ein Beispiel: Die ursprüngliche Vorlage ist ein altes s/w-Foto der Tänzerin, vermutlich schon über 100 Jahre alt. Letztendlich habe ich das daraus gemacht.
Michael Schmidt: Die Edition Bärenklau ist …
Jörg Munsonius: Ein Verlag der allgemeinen Belletristik.
Michael Schmidt: Wie kam es zum Verlag und was hat sich im Laufe der Zeit so verändert?
Jörg Munsonius: Uuups – mit dem Künstler hat das aber nichts zu tun, ha. Okay – der Vorgängerverlag war der „Bärenklau Verlag“ gegründet so etwa Ende der 90er Jahre. Es sollten ein paar junge Autoren gefördert werden und ich wollte meinem damaligen Steckenpferd „Hörbuch“ dabei unbedingt nachgehen können. Ich meine so um die Jahrtausendwende oder ein, zwei Jahre später lernte ich Uve Techner kennen, ein tolles Talent mit eigenem Ministudio, der mit vielleicht einem Dutzend Hörbüchern für mich, meine damaligen Vorstellungen selbst gebrannter CDs kongenial umsetzte. Wirklich – selbst gebrannte CDs, gedrucktes Cover und CD-Hülle. Also irgendwo zwischen Amateur- und semiprofessionellem Status.
Ich habe da viel
Herzblut reingesteckt. Und stolz bin ich immer noch auf meinen Star „Thomas
Ligotti“ den der Berliner Autor und Künstler Thomas Wagner und Frau Eddie
Angerhuber an Land gezogen hatten. Eine Auswahl von Ligottis Kurzgeschichten in
Deutsch gelesen von den beiden, und als echtes Sahnehäubchen obendrauf wurde
die auf 1-2-3 Exemplare limitierte Auflage vom Meister drüben in Amerika
persönlich durchnummeriert und alle Cover handsigniert. Die meisten Exemplare
gingen in ganz Europa weg. Ich meine mich zu erinnern, dass ein Uni-Prof aus
der Türkei gleich zwei Exemplare bestellt hat.
Na ja, die großen
deutschen Verlage sahen da in den ersten Jahren keinerlei Konkurrenz. So ist
das eben … Leichte Belletristik blieb mein Motto – für jeden ist etwas
dabei. Thriller, Krimis, Science-Fiction, Western, Horror und allgemeine
Phantastik. Ein paar Übersetzungen aus dem englischsprachigen Raum,
mehrheitlich Phantastik, rundeten das Programm dann ab.
Ende des
Jahrzehnts sollten dann auch gedruckte Exemplare das Programm noch vielfältiger
machen. Wir experimentierten, doch am Ende war es aus betriebsinternen Gründen
mit Lizenznehmern so nicht umsetzbar, wie ich mir das vorgestellt habe.
Ich gründete mit
einer meiner ehemaligen Lektorinnen, Frau Kerstin Peschel, dann einen neuen
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Ein eigener Shop folgte.
Und damit sind
wir im Hier und Heute angekommen – und wenn auch die Edition Bärenklau
zurückgefahren wurde und ich mich im Moment mehr auf Bärenklau Exklusiv
konzentriere – wir haben noch einiges geplant. Das Ende der Fahnenstange ist
noch nicht in Sicht, auch wenn momentan das gesamte Branchenumfeld in schweres
Fahrwasser geraten ist.
Wir bleiben auf
Kurs, kein Vertun!
Kerstin Peschel: Jörg Munsonius hat mich gebeten, mich an dieser Stelle als Co-Verlegerin schriftlich mit einzubringen.
Für mich sind
Texte das, was für einen Musiker die Melodien mit den dazugehörigen Texten
sind. Auch Roman-Texte, wenn ich sie lese, erzeugen in mir eine eigene
„Melodie“, die stets von Rechtschreib- oder Grammatik- manchmal auch Wortfehlern
gestört wurde und wird. Da bilden die Bestseller großer Verlage keine Ausnahme.
Aus diesem Grund habe ich mir irgendwann selbst zur Aufgabe gemacht, Bücher mit
möglichst wenig Fehlern, deren „Text-Melodie“ für mich harmonisch klingt, auf
den Markt zu bringen. So begann mein Dasein als Lektorin. Leider musste ich
mich ganz schnell von der Möglichkeit eines absolut fehlerfreien Buches
verabschieden.
Da die Edition
Bärenklau damals der einzige Verlag war, der auf meine Hinweise bezüglich von
Fehlern in deren Büchern überhaupt reagiert hat, liegt es nahe, dass ich in
diesem Verlag als Lektorin gelandet bin.
Da für mich bei
Büchern auch die äußere Optik also die Cover-Gestaltung wichtig ist, habe ich
bereits zeitig begonnen, mit einer Grafik-Designerin zusammenzuarbeiten, die
nach meinen Vorstellungen Cover entworfen hat.
All diese
Bemühungen führten schließlich dazu, dass Jörg Munsonius eines Tages an mich
herangetreten ist und mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm
einen Verlag zu gründen, indem ich die Möglichkeit hätte, all das zu
verwirklichen, was ich mir für ein gutes Buch vorstellte. Ich überlegte nicht
lange und bald danach war Bärenklau Exklusiv, unser gemeinsamer Verlag,
„geboren“.
Michael Schmidt: Auf welche Bücher bist du besonders stolz?
Jörg Munsonius: Ein bisserl eine unangenehme Frage. Bei mir, sorry, bei uns ist kein schlechter Autor. Da haben alle ihre Stärken und natürlich auch ein paar Schwächen. Die Stärken überwiegen bei allen eindeutig.
Ich wage mich
trotzdem mal aufs „Glatteis“ und begründe das damit, dass mein Geschmack ja
nicht der Geschmack aller Leser sein kann und sollte, denn sonst würden wir ja
alle dasselbe lesen. Allein meine Co-Verlegerin favorisiert oft – nicht immer –
andere Stoffe und letztendlich sind wir beide zufrieden, wenn der gigantische eBook-Markt
unsere „Ware“ mag und die eBooks und sogar ein paar gedruckte Bücher gekauft
werden.
Was finde ich
gut? Hier lasse ich der Co-Verlegerin Frau Kerstin Peschel zuerst den Vortritt:
Kerstin Peschel: Ich habe ganz schnell gemerkt, dass sich meine Genre-Vorlieben mit denen von Jörg Munsonius ergänzen. Ich liebe Krimis, historische Romane und wenn es um Liebe und Herz-Schmerz geht, bin ich nicht abgeneigt. Mit Märchen verbindet mich eine besondere Leidenschaft, die ich nicht erklären kann.
Bei einem unserer
vielen Telefonate meinte Jörg Munsonius sogar einmal: „Was, du liebst Krimis
UND historische Romane? Dann ist ein Western genau das Richtige für dich.“ Ich
wollte ihm nicht glauben, ließ mich jedoch dazu überreden, einen Western zu
lesen und ich musste ihm recht geben: Ein Western vereint gleich mehrere
Genres. So finden sich in diesen „historischen“ Romanen meist auch Elemente aus
dem Krimi- und Abenteuer-Bereich, manchmal sogar Liebe und Herz-Schmerz. Daher
gebe ich auch gerne diesem Genre in unserem Verlag eine weitere Chance, als
eBook gelesen zu werden.
Eins meiner
neusten Herzensprojekte ist die Wiederveröffentlichung der Tony-Ballard-Romane
von A. F. Morland unter dem neuen Serien-Titel Tony-Ballard Reloaded, die
exklusiv in den Shops von Bärenklau Exklusiv, dem XEBAN-Verlag sowie im Marvellous-Buchshop
erhältlich sind.
Jörg Munsonius: Was
bleibt mir? Ich schicke voraus, dass ich ursprünglich aus dem Hardcore-Bereich
der Phantastik gekommen bin. Ein paar Kurzgeschichten und Romane – Sachtexte
für das Heyne-SF-Jahr, damals noch unter Wolfgang Jeschke und für den Quarber
Merkur von Dr. Franz Rottensteiner, um nur zwei zu nennen. Tolle Leute – seufz,
leider habe ich von Wolfgang Jeschke nichts im Programm, dafür aber was von
Franz Rottensteiner und Herbert W. Franke.
Danke Leute.
Und wenn man
Rottensteiner sagt, kommt man als alter Hase nicht an der Insel-Bücherei vorbei und später an der Lila Reihe der
phantastischen Bibliothek des Suhrcamp
Verlages.
Der Kreis
schließt sich mit Lovecraft, Smith und anderen Autoren des Verlages, von Franz
Rottensteiner damals herausgegeben – und von da ist es nicht weit zu S.T. Joshi,
der ein wichtiger Helfer für unseren Verlag Bärenklau Exklusiv ist.
Ich schätze
weiter das Gesamtwerk meines amerikanischen Autors Michael Minnis und liebe
David Barker & W. H. Pugmire. Doch stolz bin ich auch auf Werke
anderer Genres in unserem Verlag: Thomas Ostwald alias Tomos Forrest, ein
wirklich toller Autor gerade bei historischen Stoffen. Christian Dörge hat in
einem Partnerverlag eine wirklich superbe Westernnummer mit Geschichten
verschiedener Autoren zusammengestellt: „Die Winterlinie“-Hardcover, Band 50
der Reihe Western-Colt.
Und bei den
Krimis: Anja Gust & Kurt Geisler haben mit „Fangfrische Küstenkrimis“ einen
cleveren Streifzug durch die norddeutsche Krimilandschaft angestoßen. Unbedingt
lesen. Und damit wenigstens noch einmal die Edition Bärenklau genannt wird –
„Jung, gierig, tödlich“ von dem Autorenteam Hans-Jürgen Raben mit Lynda Lys ist
absolut lesenswert.
Michael Schmidt: Bärenklau bietet eine sehr breite Palette an. Fluch oder Segen?
Jörg Munsonius: Nö, wir sind zwar ein kleiner Verlag. Aber wir wollen viele Zielgruppen erreichen. Und hoffen einfach, dass einige Leser auch mal neugierig über den „Tellerrand“ schauen, was ein Autor sonst noch so macht …
Michael Schmidt: Was darf man für 2026 erwarten?
Ich finde alle
Siegergeschichten auf ihre Art gelungen. Schade, dass die moderne italienische
Phantastik nach einer kurzen Ära kurz vor der Jahrtausendwende heute in den
deutschen Buchläden quasi nicht mehr existiert.
In den ersten
Januartagen 2026 kommt der Erzählband „Die Häuser, die wir verloren haben“ als
eBook in die Shops.
Es wird im
Frühjahr ein erster phantastischer Erzählband neuer polnischer Phantastik
ausgeliefert werden. Krzysztof Dąbrowski präsentiert ihn in Polnisch und in der
deutschsprachigen Übersetzung. In beiden Sprachen wird er wohl zumindest im
Untertitel „Legacy of Shadows – An Anthology of Polish Horror“ heißen, aber
festlegen tue ich mich noch nicht.
Natürlich wird
auch eine neue Anthologie „Fangfrische Küstenkrimis“ erscheinen, herausgegeben
von Nick Jentsch unter dem vorläufigen Titel: „Seemannsgarn von Landratten und
Leichtmatrosen – Maritime Kurzkrimis mit salziger Brise“.
So, genug. Auch
alle anderen sind gut und ich müsste jetzt vermutlich noch 50 Seiten dranhängen
…
Michael Schmidt: Du schreibst auch selbst. Was genau und was zeichnet deine Prosa aus?
Jörg Munsonius: Ich denke mein eigenes Werk ist sehr schmal, überwiegend zur Phantastik zuzurechnen, Horror und SF. Fast alles ist mit Autorenkollegen zusammen entstanden. Ich neige zu Reihenfortsetzungen – David Murphy (Gegen die Dämonender Dämmerung). Arik, der Schwertkämpfer. Corrigan, die Endzeitsaga. Alles ursprünglich in verschiedenen Verlagen verstreut erschienen. Hardcover, Taschenbücher und ein paar wenige Hefte.
Da sollen sich
Dritte als Leser und Kritiker betätigen.
Mein
Verleger-Schatten ist einfach viel größer und raubt mir einfach alle Zeit. Den
Rest erledigt Steve Mayer. Und das macht der Kerl wirklich gern.
Michael Schmidt: Du bist ja schon lange im Geschäft. Wie würdest du den Wandel in der Phantastischen Literatur in dieser Zeit charakterisieren?
Jörg Munsonius: Jedes hat seine Zeit.
Der Wandel?
Momentan hat man das Gefühl, dass die Verlage auf einige wenige Titel setzen
und deren Fortsetzungen, wenn der Erfolg schon da war und das dann verlängern,
so lange es geht. Der Lauf der Dinge eben. Neues, Ungewöhnliches, wird
möglichst gemieden. Und gibt es mal was Interessantes wie Young Adult, Gay
Romances, um mal zwei Sparten zu nennen, dann versuchen alle aufzuspringen.
Auch wir als Kleinverlag nehmen uns da leider nicht aus.
Michael Schmidt: Welche Stärken siehst du in der deutschsprachigen Phantastik?
Jörg Munsonius: Deutschsprachige Phantastik? Ich liebe gute Phantastik aus jedem Land …
Michael Schmidt: Noch ein Wort an die Meute dort draußen!
Jörg Munsonius: Es wäre wunderbar, wenn es eine interessierte und vor allem „große Meute dort draußen gäbe!“ Ich gebe zumindest die Hoffnung auch für Genres jenseits des Mainstreams nicht auf.
Selbstportrait








Kommentare
Kommentar veröffentlichen