Julio

Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten  verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:

Julio (aus MVP-M Nr. 17-B und Branded and Exiled) 



Die Geschichte spielt in der Stadt Silbermond


Elaines Gesicht brannte. Gut, Marlene, ihre Schwester, die war so eine. Machte mit einem Revolvermann rum und kam nie darüber hinweg.

Diese dumme Schlampe!

Hatte es nicht besser verdient. Aber sie? Elaine Rosenberg, Lieblingstochter von Ariel Rosenberg, ja genau, von dem Rosenberg, hatte das nicht nötig.

„Marianna! Schnell, ich brauche was zum anziehen.“

Sie schaute an sich herunter. Bequeme Stoffhose, ein zu großer Pullover, der angenehm warm hielt, das war das richtige für zu Hause, aber nicht für den Anlass, der ihr bevorstand.

Immer noch wallte die Wut in ihr auf wenn sie an das Telefonat mit Medina dachte. Die ihr so frank und frei zu verstehen gegeben hatte, das sie einen Hurenbock in ihr Bett gelassen hatte.

Marianna kam und erkannte schnell die Verfassung, in der sich ihre Herrin befand. Hurtig huschte sie zum Kleiderschrank und zeigte ein Kleidungsstück nach dem anderen.

„Hier, das dunkelrote Abendkleid! Darin siehst du immer hinreißend aus. Die Männerherzen werden dahin schmelzen.“

„Nein, das erinnert mich an den gestrigen Abend mit IHM. Und wage es nicht, seinen Namen zu erwähnen.“

Das Gesicht rot, stand Elaine kurz davor zu platzen. Und je knallroter ihr Kopf wurde, desto bleicher wurde Marianna, die weiter hin und her huschte, um das passende Kleidungsstück herauszusuchen.

„Ja, genau das ist es. Das werde ich tragen. Das Grün passt sehr gut zu meiner Stimmung und wird mein rotes Haar noch betonen. Und jetzt lade bitte Joel Bahrensow. Die Leiterin unserer Musikabteilung wird heute ihr blaues Wunder erleben.“

Die Bahrensow würde es büßen, ihr zusammen mit Sven, diesem Ekelpaket, die Hörner aufgesetzt zu haben.

 

Joels Hand zitterte. Hätte sie doch nicht. Sven, dieses dämliche Arschloch. Dieser abgehalfterte Schlagersänger. Warum um alles in der Welt musste sie sich unbedingt mit ihm einlassen? War es der Wein oder das Maron? Oder einfach die Tatsache, dass sie sich in letzter Zeit verletzlich und einsam fühlte und Sven, die Stimme. genau den richtigen Ton angeschlagen hatte? Konnte er nicht einfach seine große Klappe halten und wie ein Gentleman genießen, statt seine Bettgeschichten überall herumzuerzählen?

Sie zuckte zusammen, als die Tür mit einem Ruck aufsprang, gegen die Wand prallte und die Bombe namens Elaine in ihr Büro schoss.

„Hallo Elaine…“, weiter kam sie nicht.

„Du verdammte Schlampe. Was bildest du dir ein? Dich mach ich fertig. Ein für alle Mal. Diesmal wird mich dein Vater nicht schützen. Diesmal bist du eindeutig zu weit gegangen. Ich werde dich zerquetschen wie eine Fliege. Ich…“

„Elaine, warte doch. Es tut mir Leid…“

„Es tut dir Leid? Ja, und ob es dir noch leidtun wird.“

„Er sagt, du hättest dich von ihm getrennt und er war so am Boden zerstört, da habe ich mich…“

„Waaaaasssssss? Ich hätte mich von ihm getrennt? Dieses Arschloch….“

„Eben!“

„…werde ich fertig machen.“

„Das geschieht ihm Recht. Er bricht dir und mir das Herz, dieses Schwein.“

„Was….du meinst, er hat dich genauso reingelegt wie mich?“

„Genauso war es. Er sagte, er hätte dich nur benutzt. Er hat auch mich nur benutzt.“

Stille! Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Joel wagte nicht zu atmen.

„Ich bring ihn um!“

„Ich war nicht die einzige!“

„Ich weiß!“

„Es tut mir leid.“

„Ich tu mir auch leid. Warum falle ich nur immer auf die größten Schürzenjäger rein. Er hat doch gesagt, er liebt mich. Er war so unglaublich zärtlich, so einfühlsam und so sanft.“

„Ja, er beherrscht diese Masche.“

Schluchzen auf der anderen Seite. Joel reichte ihr ein Taschentuch, nahm ihre Hand und drückte sie sanft.

„Du Arme!“

„Ich Arme!“

„Ich weiß was, das hilft vielleicht.“

Weiteres Schluchzen.

„Willst du es nicht wissen?“

„Doch!“

„Du kennst doch Julio, den Rocksänger.“

„Ja!“

„Er gibt ein kleines Konzert in Weststadt. Das erste seit drei Jahren. Er will, dass du mit ihm ein Duett singst. Nachher feiern wir im kleinen Kreis. Was hälst du von der Idee?“

Aus rotgeränderten Augen schaute sie Elaine an.

„Wirklich?“

„Wirklich!“

Ein letztes Schluchzen, dann wusste Joel, sie hatte gewonnen. Elaine war so einfach zu manipulieren.

„Oh, wann ist der Auftritt. Ich muss ja noch proben.“

„In einer Woche!“

„Was? Kann man das nicht verschieben? Eine Woche! Das schaff ich nie. Das ist viel zu knapp.“

„Du schaffst das. Und sieh mal, je länger es bis zum Auftritt ist, desto nervöser wirst du. Weißt du noch, damals, das Duett mit Lem?“

Joel dachte schaudernd an Elaines Performance. So schlimm würde es dieses Mal hoffentlich nicht sein. Sie musste unbedingt dafür sorgen, dass ihre Leute im Publikum waren. Ausgepfiffen zu werden war für eine Rosenberg undenkbar. Und Elaine würde dann mit Sicherheit noch wütender sein als dieses Mal.

„Okay, ich schaff das. Und Julio wollte unbedingt mich?“

„Und ob er das wollte!“

Das würde sie ihm auf jeden Fall eindringlich zu Verstehen geben. Julio würde alles andere als begeistert sein.

„Ja, dann machen wir es so.“

Elaine strahlte über beide Backen. Sie brachte ihr Gesicht in Ordnung, umarmte Joel innig, und dampfte dann durch die immer noch offene Tür davon.

Joel fiel eine Last von den Schultern. Sie griff zum Hörer und bestellte ihr Gefolge. Julio wusste noch nichts von seinem Glück. Und die Zeit rannte für einen Rockstar, der die letzten drei Jahre nicht in der Verfassung gewesen war, öffentlich aufzutreten.

To be continued

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