Der Tod ist dir sicher


 Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten  verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:

Der Tod ist dir sicher (aus Zwielicht II und Teutonic Horror)

Eigentlich sollte die Geschichte den Titel Der weiße Mann tragen, ich habe mich aber am Ende dagegen entschieden. Entstanden ist sie als viel längere Geschichte 1985, der Held bekam seinen Namen aus einem Missverständnis. McShougar hatte ich gehört, die Klassenkameradin aber Mick Jagger gemeint und mein Kumpel und ich mussten so lachen das wir für diese Stunde rausflogen.
Die Story selbst ist dem Heftromanautor Werner Kurt Giesa gewidmet und wer dessen Auftreten kennt wird ihn hoffentlich erkennen.

„Ein Bier, bitte!”, rief ich durch den Tumult.
Die düstere Kaschemme hatte heute Hochbetrieb. Allerlei halbseidenes Gesindel ging seinen diversen, illegalen Geschäften nach. Eine Razzia würde den absoluten Erfolg versprechen. Es gab nur ein Problem. Die Polizisten von Tanger vermieden es tunlichst, das Etablissement zu betreten. Die Unterwelt hatte dieses Viertel voll im Griff, und der eine oder andere Vorstoß der Ordnungshüter würde ein Blutvergießen nach sich ziehen.
Woraufhin der Polizeipräsident beschlossen hatte, diesen Auswuchs der Kriminalität zu dulden, sofern die ungeschriebenen Regeln eingehalten wurden. Und das wurden sie. Inter-ne Streitigkeiten intern zu regeln war Ehrensache in der hiesigen Unterwelt. Schließlich hatten beide Seiten etwas von diesem Stillhalteabkommen.
Nur selten verirrte sich ein Tourist in diese Gegend, es sei denn, er spielte mit seinem Leben. Ich befand mich erst seit zwei Monaten in Tanger, wusste die verschwiegene Atmosphäre aber zu schätzen. Seit vier Jahren trieb ich mich in den Agavenwäldern und Städten der Umgebung herum. Und nicht alles, mit dem ich meinen Lebensunterhalt finanzierte, musste der Obrigkeit zu Gesicht kommen.
Ich war ein ruheloser Geist, getrieben vom Schmerz und Verlust der Vergangenheit. Selten blieb ich länger an einem Platz. In Tanger hielt ich mich schon fast zu lange auf. Doch irgendwie gefielen mir der Ort und seine Menschen. Es musste an der geheimnisvollen Atmosphäre des alten Schmugglernests liegen. Die diversen Kulturen wie Römer, Karthager und Araber hatten die Stadt ebenso geprägt wie die Spanier und Portugiesen. 
Mein Bier kam. Ich zahlte und nahm einen kräftigen Schluck. Das Bier war warm. So ein Mist auch. Ich haderte nicht lange, sondern genehmigte mir einen weiteren Schluck. Mit der Zeit gewöhnte man sich an alles. Wenn man von den Moskitos absah. 
An die würde ich mich nie gewöhnen. Verdammte Plagen.
Ich zündete mir eine Zigarette an. Der Qualm gesellte sich zu den restlichen Rauchschwaden, die wie eine Dunstwolke im Raum hingen. Die Luft war zum Schneiden dick, dazu kam eine unerträgliche Schwüle.
Ich wartete auf einen Amerikaner namens Ted McShougar. Typ reicher Snob. Affektiertes Gehabe, zumindest am Tele-fon, doch der Lohn für sein Vorhaben schien beachtlich zu sein. Also hatte ich einem Treffen zugestimmt und saß jetzt entnervt in dieser Räuberhöhle. Trank ein zweites Bier und betrachtete die Damenwelt des „Dark Wizard“.
Die Blonde rechts hinten, wohl eine von den zahlreichen Engländerinnen in der Stadt, war zwar nicht mehr ganz tau-frisch, aber ihre Oberweite nicht von schlechten Eltern. 
Wir bekamen Blickkontakt. Verheißungsvoll. 
Falls der Ami nicht aufkreuzen sollte, würde ich mich anderweitig amüsieren. Doch ein Blick Richtung Tür enttäuschte den Freund in meiner Hose. Er würde warten müssen. 
Ja, das musste McShougar sein. Insgeheim zollte ich ihm Respekt. Sehr mutig von ihm, in diesem Aufzug das Lokal zu betreten. Na, jeder muss auf seine Art durchs Leben kommen. Es war ja nicht mein Problem, wenn er hier das Ende seiner Schönheit zu betrauern hatte. Wo er hin wollte, würde er sich größeren Gefahren stellen müssen.
“Hierher”, rief ich, als sein Blick auf mich fiel und winkte ungeniert.
Er kam. Groß, selbstsicher und gut aussehend. Lässiger Gang. Gekleidet in einen weißen Anzug, auf dem Kopf thronte ein übergroßer weißer Stetson. Abschätzig blieb er vor mir stehen.
“Hi!”
Die Begrüßung lang gezogen, mit dem typischen Kaugummigrinsen im Gesicht. Ich beschloss, ihn nicht zu mögen. Ein eingebildeter Affe, der in seinem Leben noch keinen Finger krumm gemacht hatte.
“Setz dich”, forderte ich ihn auf.
Ich schätzte ihn auf um die dreißig und damit ein gutes Stück älter als ich. Das würde ein Spaß werden. Ich erschauerte.
“Einen doppelten Bourbon”, rief er dem Wirt zu.
Noch so ein Klischee, das passte. Ich zwickte mich in die Wange, doch es war kein Traum. 
Gab es für solche Auftritte Handbücher?
“Einen schönen Abend. Hast du dir die Sache überlegt?“, kam er ohne Umschweife zum eigentlichen Thema.
Respekt! Der Mann verstand etwas von Tempo. Nun, ich war auch nicht der Typ überflüssigen Geplauders. Ganz im Gegen-teil. Ich revidierte meine Meinung ein wenig. Vielleicht war er doch ganz in Ordnung.
“Soviel ich am Telefon verstanden habe, wollen Sie zur zerfallenen Tempelruine. Dürfte ich erfahren, was Sie dort wollen?”
“Lassen Sie das mal meine Sache sein. Sie bekommen zwei-hundert Dollar, wenn Sie mich hinbringen. Und wenn wir heil zurückkommen, noch mal das Doppelte oben drauf. Aber keine Fragen und keine krummen Dinger.”
Mein Mund blieb offen. Das war mein Mann. Und wenn ich es mir recht überlegte, war er mir eigentlich sympathisch. Ja, ich lehnte mich zurück und horchte genau in mich hinein. Ich mochte, nein ich liebte ihn. Ich schätzte die offene und groß-zügige Art der Amerikaner. 
Habe ich schon erwähnt, wie außerordentlich interessant ich seinen Aufzug fand?
“Ich bin Ihr Mann. Morgen um sieben hole ich Sie an ihrem Hotel ab. Keine Fragen, keine Schwierigkeiten. Ich bring Sie zu ihrem Zielort, Sie zahlen und danach leide ich an partiellem Gedächtnisschwund. Ist das in Ordnung?”
Er bejahte, bestellte uns noch ein Bier und übte sich im Small Talk. Schnell war er wieder weg, sein Auftritt kurz und knackig. Er hätte noch gewisse Vorbereitungen zu treffen. Mir sollte es recht sein, ich dürfte ja noch ausreichend das Vergnügen mit ihm haben. Außerdem hatte ich selbst noch gewisse Vorbereitungen im Sinn. Ich nahm mein Bier und schlenderte zu der Blonden, unwillkürlich den Gang des Amis imitierend. 
Sie sah mich aus großen braunen Augen an. Ich bestellte ihr einen Drink und wir lernten uns kennen. Nach zwei Sätzen tauschten wir Körperflüssigkeiten aus. Wir lagen voll auf einer Wellenlänge. 
Flugs verließen wir das Lokal, die Dame bei mir untergehakt. Sie übernahm die Führung, ich ließ mich leiten. Ihre Absätze verursachten ein klackendes Geräusch auf dem Asphalt. Mein bester Freund war angespannt und bereit. Sie drückte ihre Oberweite in meine Seite, die Vorfreude stieg. Wir dagegen stiegen ab. Die Gegend wurde immer dunkler und im hintersten Winkel meldete sich eine Stimme, die aber nicht durch den Schleier aufgescheuchter Hormone drang.
Wir waren da, Stock Drei des zweifelhaften Etablissements. Fast erwartete ich, dass sie sich auf das Bett fallen ließ, die Kleider vom Leib riss und mich auf sie zog.
Aber die Realität war anders.
„Was möchtest du trinken, Pete?“
Ich wählte ein Bier, sie einen Whiskey, dann saßen wir uns gegenüber.
„Du hast von dem Zeug gesprochen…“
Es war klar, was sie begehrte. Ich langte in die hintere Hosentasche und entnahm ein Päckchen mit dem weißen Pulver. Gierig griff sie danach, öffnete den Verschluss routiniert und testete eine Prise mit der Zunge. 
„Guuuut!“
Sie nahm eine Ladung mit der Nase, dann schob sie das Päckchen zu mir herüber.
„Du auch! So macht es am meisten Spaß!“
Vorbeugend zeigte sie ihre Weiblichkeit, strich fast beiläufig über meinen Hosenstall, dann lehnte sie sich zurück, zündete sich eine Zigarette an und musterte mich, den Rauch inhalierend. Ein leichtes Lächeln umspülte ihre Mundwinkel. 
Mein Freund drückte schmerzhaft gegen den Reißverschluss und drängte, also nahm ich etwas von dem weißen Pulver und zündete mir ebenfalls eine Kippe an.
Der Rauch drang tief in meine Lungen, das Nikotin heizte meine Geilheit noch an. Ich packte die Flasche und spülte den schalen Geschmack mit Bier hinunter. Mein Pulsschlag stieg, erst recht, als ich registrierte, wie sich das blonde Wunder entblätterte. Ihre Brüste sprangen mir entgegen, in meine Hände, fast geschah es von selbst.
Sie stöhnte auf, ein erstickter Schrei folgte, dann sackte sie zusammen. Verwirrt schaute ich in ihre brechenden Augen, bevor ich realisierte, was mit ihr los war.
Der Tod war zu Besuch gekommen und hing drohend in der Luft.
....



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