Netzwerkfee der Phantastik (Interview)
Netzwerkfee der Phantastik
Amandara beim 20. Deutschen Phantastik Preis ( Copyright Max-Georg Schulzke) |
Michael
Schmidt: Liebe Amandara, ich habe mal einen Blick auf deine Homepage
geworfen. Anna Dampf in allen Gassen fällt mir da nur ein, du tanzt auf wirklich vielen Hochzeiten. Bist du jemand, der
gerne anpackt und dem es wichtig ist, aktiv zu sein?
Amandara M. Schulzke: Ich bin einfach aktiv, immer. Ich kann nicht anders. Selbst wenn ich herumsitze, arbeitet mein Gehirn. Gerade dann. Übrigens bin ich Rentnerin.
Michael
Schmidt: Jetzt bin ich aber mit der Tür ins Haus gefallen. Die letzte Zeit
lächelt mich des Öfteren ein sympathisches Gesicht auf Facebook an. Erzähl doch
mal, wer hinter dem Bild dieser blonden Frau steckt!
Amandara
M. Schulzke: Das Attribut Netzwerkfee verlieh mir Christian von Aster. Ich
studierte Wissenschaftsjournalistik, arbeitete als Pressesprecherin und
Lektorin von Fachbüchern. Das meiste Geld verdiente ich in den letzten 26
Jahren mit meinem Marktstand, mit dem ich europaweit über Mittelalterfeste,
LARP’s und Musikfestivals zog.
Zwischendurch war ich Chefredakteurin der Zeitschrift “Karfunkel”, gründete als Chefredakteurin “Pax et gaudium” mit und organisierte große Feste im Schwarzwald. Heute ist mein Ziel, phantastische Literatur salonfähig zu machen. In Berlin-Tiergarten fülle ich die Kulturbremse mit Lesungen und kleinen Konzerten. Für das Festival-Mediaval organisiere ich das Literaturzelt, dort haben bis 600 Gäste Platz.
Meist schreibe ich für Phantastisch lesen, das Hanfjournal, seltener für Booknerds und die Literaturcouch.
Mein persönliches Highlight war, dass ich den 20. Deutschen Phantastik Preis moderieren durfte und ihn meinem deutschen Lieblingsautor überreichen konnte.
Gerade arbeite ich an einer neuen Anthologie für den Lindwurm Verlag über Met, lektoriere und lasse mich aus dem Rollstuhl auf Bühnen tragen, um zu moderieren.
Zwei
mittlerweile erwachsene Söhne habe ich zu Bücher-, Computer- und Spielsüchtigen
erzogen. Inzwischen verdienen sie ihr Geld damit.
Michael Schmidt: Mittelalter und Met sind neben dem Mitteninitial das dritte M bei dir. Fangen wir mit dem Honigwein an. Erkläre doch mal den ganzen Biertrinkern, warum sie unbedingt den leckeren Met versuchen sollten, welche Sorte besonders empfehlenswert ist und ob es beim Servieren besondere Tipps gibt!
Michael
Schmidt: Dem Met begegnet man auch oft auf Mittelaltermärkten. Warum reizt dich
dieser spezielle Abschnitt der Vergangenheit und wie vielfältig ist so ein
Mittelaltermarkt?
Amandara
M. Schulzke: Dieser Abschnitt unserer Vergangenheit reizt mich genauso wie das
Alte Ägypten, die Stein- und Bronzezeit, die Antike bis zu den neuen Wilden der
20er des vergangenen Jahrhunderts. Ich bin einfach geschichtsinteressiert und
verfolge gerne Entwicklungen über viele hundert oder tausend Jahre.
Es
gibt nicht den einen Mittelaltermarkt. Das hängt immer vom Veranstalter ab, wie viel Geld er investieren kann und möchte, um vorführende Handwerker und Lager
zu bezahlen. Dann kann ein Markt richtig vielseitig werden. Schmiede,
Drechsler, Tischler, Schuhmacher, Gewandschneider, Hutmacher, Sarwürker (das
sind Kettenhemdmacher), Kerzenzieher – auch Unschlittbossierer genannt – zeigen
und erklären dem Publikum ihre Gewerke. Die Qualität der Marktstände hängt auch
davon ab, wie viel Fantasy der Veranstalter zulässt oder welche Ansprüche er an
die Waren und Stände stellt. Zu Zeiten des Mittelalters waren Märkte natürlich
die Einkommensquelle der Speluden. Heutzutage immer noch. Musiker, Jongleure,
Puppenspieler, Stelzenläufer und viele andere unterhalten das Volk und erinnern
an eine Zeit, wie sie einmal gewesen sein könnte.
Michael
Schmidt: Bei Mittelaltermärkten denkt man immer an Musik aus handgemachten
Instrumenten, es gibt aber auch moderne heftige Musik wie Metal. Wo liegen
deine Präferenzen?
Amandara
M. Schulzke: Meist höre ich Gothik-Rock wie ASP, Subway to Sally, Eisbrecher,
MajorVoice, Lord of the Lost, Blutengel, Tanzwut, Mono Inc.. Ich bin großer Fan
von Live-Musik, da gehören Mittelalterbands dazu wie Corvus Corax, Qntal. Im
letzten Jahr hatte ich ein Aha-Erlebnis mit Poeta Magica. Ich kenne die Band
schon seit 1996, doch hatte ich mir nie ein vollständiges Konzert anhören
können, weil ich ja immer arbeiten musste. Deren Musik ist einfach nur
traumhaft schön. In diesem Jahr freue ich mich riesig auf Wardruna, eine der
wenigen Bands, die ich mir auch digital reinziehe. Live kann mich Jazz, auch
Freejazz, genauso begeistern wie ein klassisches Konzert. Die einzige Musik,
bei der mir die Milch sauer wird, ist Blasmusik. So Rumtata.
Motherfucker-Hiphop kann mir auch gestohlen bleiben.
Michael
Schmidt: »Wir sind die Bunten - Erlebnisse auf dem Festival-Mediaval« ist eine
Anthologie unter deiner Ägide. Worum geht es da und wo kann man das Buch und
das Hörbuch beziehen?
Amandara
M. Schulzke: Im Buch geht es um die Geschichten, die einem Festivalgänger
passieren können – oder lieber nicht. Wer sich da alles auf dem Goldberg in Selb
herumtreibt: Zeitreisende, Räuber, Könige, Aliens, Aluhutträger, Drachen,
Krähen. So vielfältig wie das Festival selbst sind seine Geschichten. In vielen
geht es um das Thema Heilung. Die Antho fängt die herrschende Stimmung gut ein.
Die ist nicht immer nur von Jubel, Trubel und Heiterkeit geprägt, sondern auch
von Mord, Trauer, Verlust und Vertreibung.
Da
ich als Rezensentin schon gefühlte Ewigkeiten in der Szene unterwegs bin, kenne
ich glücklicherweise jede Menge Autorinnen und Autoren, die auf dem Festival zu
Gast waren und eine Geschichte beigesteuert haben, wie z.B. mein Freund
Friedhelm Schneidewind, Bernhard Hennen, Robert Corvus, Ju Honisch, Isa
Theobald. Und auf jeden Fall Tommy Krappweis, der mich mag, seitdem ich ihn
einmal als „größten Langweiler aller Zeiten“ anmoderiert habe und der schon oft
auf dem Festival-Mediaval zu Gast war.
Michael
Schmidt: Hast du noch andere Bücher als Herausgeberin betreut?
Amandara
M. Schulzke: Nein, das war mein erstes, jetzt sitze ich gemeinsam mit Nadine
Muriel an der Anthologie „Met bringt die Magie wieder in die Welt“, das ist der
Arbeitstitel, die im Lindwurm Verlag erscheinen wird.
Michael
Schmidt: "Drachen und ihre Peiniger" auf Entdeckungstour im All, so
der Slogan für deine neueste Kurzgeschichte. im Verlag Modern PhantastikDie ist in der Science Fiction
angesiedelt und da stellt sich die Frage, vom Mittelalter in die ferne Zukunft,
wie kommt das? Aber so ganz konntest du es wohl nicht lassen. Ich lese da was
von Drachen …
Amandara
M. Schulzke: Nein, andersherum wird ein Schuh draus: Von der Science Fiction
zum Mittelalter. Und zwar über Autorinnen wie Marion Zimmer-Bradley mit ihrem
Darkover-Epos und Ann McCaffrey mit den Drachenreitern von Pern. Mein
Lieblingsbuch als junge Erwachsene war „Menschen wie Götter“ von Sergej Snegow.
Science Fiction! Viele Sternenfahrer reiten auf der Erde auf Drachen. Übrigens
ist meine Story in „Wir sind die Bunten“ auch Science Fiction. Ein Alien mit
Minderwertigkeitskomplexen landet auf dem Goldberg in Selb, auf dem das
Festival-Mediaval jährlich am zweiten Septemberwochenende stattfindet.
Erstkontakt. Na, der hat eine Menge zum Staunen.
Michael
Schmidt: Auf deiner
Homepage findet man sonst keine Veröffentlichungen
ausgebreitet. Aber da gibt es noch mehr, oder? Nenn uns doch mal ein paar
Beispiele und charakterisiere die Autorin Amandara M. Schulzke!
Amandara
M. Schulzke: Oh nein, ich habe ganze Schuber voller Belegexemplare als
Wissenschaftsjournalistin und Redakteurin. Mit der Belletristik habe ich erst
2019 begonnen. Auf dem Seminar „Professionelles Schreiben“ kam der Spruch von
Markus Heitz: “Wer als Journalist schreiben kann, kann auch Geschichten
schreiben.” Also hatte ich keine Ausrede mehr. Inzwischen habe ich fünf
Geschichten geschrieben, von denen vier veröffentlicht werden. Ich bin sehr
zielorientiert und schreibe selten für die Schublade. Seit 2019 schreibe ich
Beiträge für das Hanfjournal, viel über Umwelt- und gesellschaftspolitische
Themen. Und über Cyborgs. Rezensionen über Bücher gibt es von mir bereits seit 1997.
Michael
Schmidt: Du bist Fördermitglied
im Phantastik Autoren Netzwerk (PAN). Was ist das PAN und warum sollte man da
mitmachen und was ist dort die Aufgabe der Netzwerkerin Amandara M. Schulzke?
Amandara
M. Schulzke: PAN ist der Zusammenschluss von deutschsprachigen Autoren, die
sich den Genres der Phantastik verschrieben haben. Gemeinsam vertreten sie ihre
Interessen. Dazu zählen z.B. Autoren- und Urheberrechte. Wir bilden uns auf den
Branchentreffen weiter, lernen neue Dinge und erweitern unseren Horizont. Das
Netzwerk unterstützt die Phantastik im deutschsprachigen Raum. Dazu gehören
Stipendien, die Kurzgeschichte des Monats mit tor-online gemeinsam, die
Unterstützung von Veranstaltungen und Informationen über die vielen Dinge, die
sich auf dem Buchmarkt ständig verändern. Gruppenknuddeln ist ein wichtiger
Punkt.
Ich
selbst habe nur die Aufgabe, die ich mir selber stelle. Die habe ich scheinbar
zufällig formuliert, indem ich jemandem schrieb: Ich habe keine Zeit, ich muss
die Phantastik salonfähig machen. Drück mir die Daumen, dass ich spätestens im
November mit den Warm Ups zur BuchBerlin den ersten Phantastischen Salon
Deutschlands gründen kann.
Michael
Schmidt: Die Phantastische Szene ist bunt und vor allem sehr vielfältig. Wie
würdest du die deutschsprachige Szene beurteilen und findest du, dass sie ihr
Potenzial ausschöpft?
Amandara
M. Schulzke: Ich mag mir nicht anmaßen, sie zu bewerten. Meist wird sie m.E. unterschätzt,
weil sich vor allem die großen Publikumsverlage auf die hauptsächlich
englischsprachigen Bestsellerautor*innen stürzen. Ich weiß nur, dass die
Verlagsveröffentlichungen nicht die Breite und Vielfalt widerspiegeln, die sich
unsere Mitglieder ausdenken. Gerade durch die Corona-Krise verfügen mittlere
und kleine Verlage nicht mehr über ausreichend Mittel, Experimente zu wagen und
außergewöhnliche, innovative Ideen zu veröffentlichen.
Michael
Schmidt: Gesundheit ist sehr wichtig, gerade in der heutigen Zeit. Wie geht es
dir?
Amandara
M. Schulzke: Corona hat mir in dem Sinne Glück gebracht, dass meine ständige
körperliche Überforderung gestoppt wurde. Ansonsten habe ich gerade einen
schweren MS-Schub hinter mir und freue mich über besseres Laufen und weniger
Spastiken.
Michael
Schmidt: Ein Wort noch an die Menschen dort draußen!
Amandara
M. Schulzke: Macht, was ihr wollt, doch fügt niemandem Schaden zu. Love, peace
and happiness. Die Welt ist himmelblau.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen