Uwe Post zum Future Fiction Magazine (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Uwe, stell
dich doch mal vor!
Uwe Post: Ich hab irgendwo ein Astronomie-Diplom rumfliegen, verdiene meine Kohle aber nicht mit Sternen, sondern mit Rumsitzen und Augenverderben vor Computerbildschirmen. Manchmal kommen dabei Bücher raus (»Besser coden«, »Klima-Korrektur-Konzern«), manchmal Android-Games (»Secret Galaxy«, »Cool Machines«, um mal die erfolglosesten zu nennen), und seit Anfang des Jahres auch die deutsche Ausgabe des FutureFiction Magazine, das ich zusammen mit Sylvana Freyberg herausgebe.
Michael Schmidt: Das FutureFiction Magazine ist ein internationales Projekt und bringt Science Fiction in
Kurzgeschichten und Artikel aus aller Welt. So habe ich das aufgefasst oder wie
würdest du das sehen als Mitherausgeber?
Uwe Post: So ist es. Wir haben
allerdings einen klaren thematischen Fokus auf einen Unterbereich der SF:
Nahzukunft, einigermaßen realistisch, und nicht zu negativ. Denn Warnungen vor
schlimmen Dingen (sogenannte Dystopien) helfen ja offensichtlich nicht, daher
gehen wir den Weg des Positivbeispiels. Na ja, weitgehend. Wir bringen
Solarpunk, Climate Fiction, Utopien, aber auch unterlichtschnelle Raumfahrt,
Biopunk und dergleichen. Umgekehrt gesagt: Klassische Themen wie Aliens,
Zeitreise, Raumschlachten, Steam- und Cyberpunk sind außen vor, dafür gibt es
genug andere Publikationen.
Michael Schmidt: Wer hatte die
Idee zum Magazin?
Uwe Post: Ich will nicht allzu
weit ausholen, aber es gab, wie viele Insider wissen, vor 1-2 Jahren eine
unschöne Diskussion um NOVA. Im Laufe diverser Gespräche kam der Gedanke auf,
ein neues Magazin zu machen, das eine etwas andere Herangehensweise hat. Ich
konnte letztlich Sylvana Freyberg und Francesco Verso von der Idee begeistern.
Francesco ist der Besitzer der Marke »Future Fiction«, der unzählige Kontakte
zu internationalen Autorinnen und Autoren hat und in Italien schon länger
internationale Anthologien unter dem Label herausbringt. Kennengelernt hatte
ich ihn übrigens auf dem EuroCon in Dortmund. Hätte damals auch nicht gedacht,
wozu das mal führt ...
Michael Schmidt: Die
Übersetzungen macht wer?
Uwe Post: DeepL.com, das ist die
beste Übersetzungs-KI auf dem Markt. Andere SF-Magazine bringen nur Storys über
Kis, wir hingegen haben quasi eine in der Redaktion ;-) Natürlich müssen die
Übersetzungen überarbeitet werden. Dabei helfen meine Erfahrung als Autor und
Sylvanas langer Geduldsfaden. Bisher hat sich diese Lösung bewährt – denn
professionelle Übersetzungen wären schlicht zu teuer, damit wäre das Magazin
nicht finanzierbar. Aus dem gleichen Grund gibt es in jeder Ausgabe etwa zur
Hälfte deutsche Beiträge. Alles nur Übersetzungen – das wäre viel zu viel
Arbeit.
Michael Schmidt: An welche
Lesegruppe orientiert sich das Magazin?
Uwe Post: Das ist der Clou: An
jeden und jede. Natürlich sollte man ein gewisses Interesse an der Zukunft
mitbringen. Es gibt bekanntermaßen eine gewisse (nicht immer unberechtigte)
Angst von Lesern vor der SF. Deshalb
steht auf den meisten SF-Romanen längst nicht mehr SF drauf. Auch bei uns
nicht. Unsere Geschichten und Artikel kann man ohne Vorkenntnisse lesen, es
gibt keine Sekundär-Artikel über längst tote Autoren des Golden Age oder die
hundertste »Ups, ein Zeitparadoxon, wie unerwartet!«-Pointenstory. Wir machen
einen weiten Bogen um angloamerikanische Autoren, denn die Welt ist groß und
auch völlig andere Perspektiven verdienen es, in Betracht gezogen zu werden.
Unser Magazin sieht außerdem toll aus und niemand muss sich vor mitleidigen
Blicken fürchten, wenn er oder sie es in der S-Bahn aus dem Rucksack zieht (wo
es dank des handlichen Formats immer rein passt). Außerdem ist es mit sieben
Euro ziemlich preisgünstig, das nimmt man einfach mal mit und bereut es selbst
dann nicht, wenn einem nicht alle Beiträge gefallen.
Michael Schmidt: Der erste Band soll gut eingeschlagen haben und Band 2 ist gerade auf dem Markt. Seid ihr mit dem bisherigen Verlauf zufrieden?
Uwe Post: Wir haben den Erfolg
zur Bedingung für das Weitermachen gemacht. Wir zahlen Honorar in Höhe von 50
Euro pro Beitrag, weil wir finden, dass gute Arbeit Anerkennung verdient. Aber
wir wollen dafür natürlich nicht unser Erspartes auf den Kopf hauen. Das
Magazin muss sich selbst finanzieren, freilich ohne dass wir was dran
verdienen, es ist immer noch ein Freizeitprojekt. Dazu müssen mindestens
100-150 Stück pro Ausgabe verkauft werden. Und Stand jetzt, wo Heft 2 ein paar
Tage auf dem Markt ist, kann man sagen: Es funktioniert super. Wir werden
weitermachen.
Michael Schmidt: Kannst du uns
schon einen Ausblick auf Band 3 geben? Ich habe gehört, Interessierte dürfen
bzw. können Beiträge beisteuern?
Uwe Post: Ja, Heft 3 wird das
perfekte Weihnachtsgeschenk, jedenfalls sieht so unser Zeitplan aus. Jetzt, wo
wir wissen, dass wir weitermachen, haben wir das Magazin auch offiziell für
Manuskripteinreichungen geöffnet. Der Hauptteil wird allerdings weiterhin aus
Beiträgen bestehen, die wir selbst an Land ziehen. Wir haben bereits einen
weiteren großartigen Text aus Afrika vorliegen, aber die Planungen sind noch in
einem frühen Stadium.
Michael Schmidt: Wann kommen die
ersten Beiträge vom Herausgeberteam, also von Sylvana Freyberg und dir? Oder
werdet ihr euch auf das herausgeben beschränken?
Uwe Post: Ich halte grundsätzlich
nicht viel davon, diese Rollen zu vereinen. Eigene Texte im eigenen Magazin zu
platzieren, erweckt ein bisschen den Eindruck von Vorteilsnahme. Nein, das
lassen wir schön bleiben. Wenn ich mal eine Kurzgeschichte schreibe, erscheint
die woanders, zuletzt zum Beispiel in »Gegen unendlich«. Und mein nächster
Roman … ist geheim, nur soviel: Auf dem Elstercon Mitte September in Leipzig
wird das Geheimnis enthüllt.
Michael Schmidt: Werden die orginal deutschsprachigen Beiträge auch in den internationalen Ausgaben des Future Fiction Magazine erscheinen?
Uwe Post: Meine Glaskugel ist
kaputt, daher kann ich hierzu nur Vermutungen äußern. Stand jetzt gibt es ja
noch keine anderssprachigen Ausgaben des Magazins, denn dazu braucht man
verlässliche Herausgeber, die sich diese Arbeit aufhalsen. Aber es gibt ja auch
die Anthologien, die Future Fiction veröffentlicht, teils auch nach China
vermittelt. Ich kann dazu verraten, dass es bereits erste Gespräche gibt. Ich
denke, mit der Zeit werden einige deutsche Autoren auf dem internationalen
Story-Markt auftauchen. Wir stehen da erst am Anfang.
Michael Schmidt: Du schreibst
selbst und hast dieses Jahr einen neuen Roman veröffentlicht. Wo ist der
erschienen und worum geht es?
Michael Schmidt: Das war nicht
dein erster Roman…
Uwe Post: ...der kein
kommerzieller Erfolg war, genau. Ich schreibe einfach zu schräges Zeug. Aber
nur das macht mir Spaß, was soll ich da machen? Letztens hat Robert Corvus auf
seinem Twitch-Kanal einen Leserbrief für meinen DSFP-Gewinner-Roman »WalparTonnraffir und der Zeigefinger Gottes« geschrieben. Das Buch ist mittlerweile
über zehn Jahre alt. Aber offensichtlich hier und da im Gedächtnis geblieben.
Sowas freut mich dann ganz besonders. Oder wenn ein Rezensent meinen Roman
»Klima-Korrektur-Konzern« mit dem Bestseller »Das Ministerium für die Zukunft«
vergleicht und findet, meiner sei ja viel kurzweiliger. Oder wenn einer »E-tot«
in einem Atemzug mit Brunners »Morgenwelt« erwähnt. In dem Moment interessieren
mich die Verkaufszahlen nicht, weil ich das Gefühl habe, gute Science Fiction
produziert zu haben. Und davon träume ich, seit ich als kleiner Junge Jules
Verne und »Commander Perkins« gelesen habe.
Michael Schmidt: Wie siehst du
die deutschsprachige SF Szene? Was sind ihre Stärken und was fehlt ihr?
Uwe Post: Die Stärke besteht
eindeutig darin, solide Reihen in großer Auflage zu verkaufen. Damit meine ich
jetzt nichtmal in erster Linie Perry Rhodan, sondern auch die Selfpublisher wie
Peterson, Joshua Tree und wie sie alle heißen. Was fehlt? Der Mut. Den Autoren
fehlt es oft an Mut, das Besondere, das Abseitige, das Undenkbare in Worte zu
fassen. Lest mal die letzte Geschichte im FFM Nr. 2, dann wisst ihr, was ich
meine. Und manchen Lesern fehlt womöglich der Mut, sich auf dergleichen
einzulassen. Dabei bietet die SF so viel Raum für Visionen. Mit unserem Magazin
wollen wir diesen so zugänglich wie möglich machen.
Michael Schmidt: Ein Wort noch an
die Leser!
Uwe Post: Lest mehr Zukunft.
Bevor sie euch überrascht.
Super sympathisches Magazin und eine tolle Idee mit deepl mehr internationale Inhalte zu berücksichtigen. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg!
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