Hellrider

Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten  verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Hellrider (aus Teutonic Horror)

Die Geschichte basiert lose (aber nicht ausschließlich) auf dem Album Defenders Of The Faith! Der Titel natürlich auf dem Song Hellrider!


Ursprünglich war sie für eine Musikanthologie geplant, die allerdings nie das Licht der Welt erblickt hat.



Leseprobe:




Rauchende Schornsteine säumten den Horizont, soweit das Auge blicken konnte. Graue Schlieren stiegen aus den zahlreichen Schornsteinen und vermengten sich mit dem allgegenwärtigen Dunst. Die Fassaden der Häuser waren geschwärzt, die ursprüngliche Farbe verblichen und überall blätterte der Putz ab. Eine trostlose Betonwüste, die alle Hoffnung fraß wie ein Krebsgeschwür die Lebensenergie. Hier war ich aufgewachsen. Hier in den Midlands. Lebendig begraben in diesem gesichtslosen Industrieort namens Birmingham.
Über mir thront der traurige graue Himmel. Der Frust geißelt mich, sitzt tief drin in meiner Eingeweide. Ich spüre, wie sich der Frust löst, er zerspringt wie eine gespannte Feder und transformiert. Aus ihm erwächst Aggression, eine mächtige Aggression, die sich mit Urgewalt den Weg nach oben bahnt und mein Herz mit Feuer erfüllt.
Und genau in diesem Moment reißt die Wolkendecke auf. Ein gleißender Strahl bricht sich seinen Weg gen Boden und trifft mich unvermittelt.
Der Strahl bringt mir ein Wissen, das mich bis ins Innerste erschüttert. das mich zum Schwanken bringt. Wie ein besoffener Matrose im Wind taumele ich vorwärts, halte mich nur mühsam auf den Beinen, schwer getroffen von der bitteren Frucht der Erkenntnis.
Doch auf mich prasselt nicht nur pures Wissen ein. Das Licht gibt mir Instruktionen, geißelt mich mit Verantwortung, ohne mir auch nur den geringsten Hauch einer Wahl zu lassen. Ich werde nicht gefragt, ich werde bestimmt. Geboren für die Aufgabe meines Lebens, die sich mir in diesem Moment offenbart. Ich bin der Verteidiger des Glaubens. Mein Weg ist vorgezeichnet.
Ich schreite voran.
Und auch wenn es ein langer Weg bis hinauf zur Spitze ist: Ich werde mich niemals aufhalten lassen.
Von Niemandem!


Shouter genoss den Fahrtwind. Seine langen Haare wirbelten durch die Luft, während er am Gashahn seiner Harley spielte. Die Maschine schoss nach vorne, flog über den Asphalt. Der Rausch der Geschwindigkeit brachte sein Blut in Wallung. Er dachte an Stan, seinen knackigen Arsch und hatte sofort einen Steifen.
Vor der Fahrt hatte er ein paar Pillen eingeschmissen und langsam trat die Wirkung ein. Er fühlte sich gut, richtig gut, und wusste, das war nur der Auftakt für die beste Phase seines Lebens.
Er wechselte auf die Überholspur, jagte an den Vauxhalls und Rovers vorbei, eins mit seinem Motorrad. Das Testosteron spülte ihn voran, ein Kerl voller Glück, der die Welt in seinen Händen hielt.
Ihr erster Plattenvertrag, die erste Tour und die genau dort, wohin es auch die Beatles verschlagen hatte: Zu den Krauts auf die Reeperbahn, so richtig einen krachen lassen mit den Jungs. Guitar Heroe, Axeman, Bassman und Drummer, die vier machten keine Gefangenen. Es würde herrlich werden. Der Gipfel befand sich in erreichbarer Nähe.
Das Gitarrensolo von Guitar Heroes im Hinterkopf beschleunigte er noch weiter, fuhr kreuz und quer durch die stetig strömende Masse an Fahrzeugen, der Fähre nach Deutschland und dem kommenden Ruhm entgegen. Einzig die Trennung von Stan schmerzte.
Plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Schwarze Wolken erschienen förmlich aus dem Nichts und nach wenigen Minuten starteten Blitz und Donner ihr mächtiges Instrument.
Er nahm das Gas weg, ließ die Maschine auslaufen und passte sich dem allgemeinen Verkehrsfluss an. Die Straße wurde schmierig und er lobte sich für seine schnelle Reaktion.
16 Meilen bis Dover. Ein Klacks.
Doch ein Blick in den Rückspiegel und seine Zuversicht zerrann wie Butter in der Sonne. Direkt hinter ihm brach ein Monster aus den Wolken heraus. Abstehendes weißes Haar, ein Skelett, um dessen knochigen Körper die Kleidung flatterte. Das Wesen thronte auf einer Todesmachine, anders konnte man das schwarzrote Ungetüm von Motorrad nicht nennen. Seine Scheinwerfer leuchteten grell und tauchten die Fahrbahn in ein feuriges Licht.
Was um alles in der Welt war das?
Der Schreck sorgte dafür, dass er den Gashahn aufriss, über die nasse Fahrbahn schlitterte und sich durch den Blechkorso kämpfte, bevor er überhaupt einen vernünftigen Gedanken fassen konnte.
In Nullkommanichts jagte er an den Last- und Personen­kraftwagen vorbei, überholte einen E-Type, hätte normaler­weise anerkennend mit der Zunge geschnalzt, doch die Angst saß ihm in Nacken.
Was war das für eine Kreatur, die förmlich vom Himmel schoss, begleitet von Blitz und Donner, und ihm im Nacken saß?
So was konnte es doch gar nicht geben. Doch ein Blick in den Rückspiegel belehrte ihn eines Besseren. Die Kreatur, die nicht existieren dürfte, folgte ihm stetig. Und außer ihm schien niemand die irre Gestalt zu bemerken.
Der Trip, den er eingeschmissen hatte, musste übel gewesen sein.
12 Meilen bis Dover.
Erneut riss er am Gashebel, die Harley sprang nach vorne, schlingernd, da er den seifigen Untergrund unterschätzt hatte. Meile um Meile spulte er ab, mittlerweile durchnässt vom strömenden Regen. Fahrig wischte er sich eine Strähne aus der Stirn, nahm wieder beide Hände ans Lenkrad und raste mit irrwitzigen 115 Meilen pro Stunde über den Motorway.
Die weißhaarige Kreatur grinste ihr teuflisches Lächeln und folgte ihm mühelos.
9 Meilen bis Dover.
Verdammt!
Er beschleunigte weiter. 120 Meilen die Stunde und er flog über den Asphalt. Hier ein Zucken der Maschine, dort ein Hauch von Schlittern. Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus und vermischte sich mit dem sauren Regen.
6 Meilen bis Dover.
Kam das Ungeheuer näher? Dessen Haar brannte mittlerweile lichterloh. Sein Verfolger starrte ihn aus leeren Augenhöhlen an, schaute ihm durch den Spiegel in die Seele und berührte etwas tief in ihm drin.
2 Meilen bis Dover.
125 Meilen, so schnell hatte er die Kiste noch nie getreten. Sie
surrte wie ein Pfeil, fraß Fuß um Fuß und urplötzlich verließ ihn die Angst. Er würde nicht rutschen, er würde auch nicht eingeholt werden. Zum allgegenwärtigen Testosteron gesellte sich nun pures Adrenalin, das wie Benzin im Blut brannte, ihm aber eine innere Stärke verlieh, die er die ersten neunzehn Jahre seines Lebens vermisst hatte.
Exit Dover.
Die Abfahrt! Endlich!
Er stieg in die Eisen. Die Kiste blockierte und kam ins Schlittern. Vorder- und Hinterrad gerieten auf eine Höhe, die Kurve kam immer näher. Er bekam einen Steifen, während sein Hirn jeglicher Emotion beraubt, die Situation analysierte, die Bremse losließ, um sofort wieder in die Eisen zu gehen. Er lenkte gegen, die Maschine stellte sich gerade, er beschleunigte kurz, hielt dann die Spur, bevor er sanft abbremste, die Kurve nahm und an der Straßengabelung zum Stehen kam.
Zitternd verharrte er und sah furchtsam in den Rückspiegel.
Nichts! Kein Monster, keine Höllenmaschine!
Stattdessen brach die Wolkendecke auf und ein kräftiger Sonnenstrahl bahnte sich den Weg gen Boden, um kurz darauf als Regenbogen zu leuchten.
Shouter zögerte keine Sekunde mehr und gab Gas. Nichts wie weg von hier.
Was war das gewesen? Was wollte das Wesen? Oder war es doch nur ein übler LSD-Trip, der sich durch den Schreck ins Nichts aufgelöst hatte?
In gemächlichem Tempo fuhr er die restliche Strecke, mittlerweile am ganzen Körper zitternd.
Ja, wahrscheinlich war es nur eine Einbildung gewesen. Er redete es sich immer wieder ein und fast glaubte er selbst daran.

Doch insgeheim war er sich sicher, die Kreatur und ihre Todesmaschine würde er ein weiteres Mal treffen. Und bei dem Gedanken wurde ihm angst und bange.

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