Torsten Scheib (Interview)
Michael
Schmidt: Normalerweise frage ich hier, wer ist Torsten Scheib. Hier frage ich
aber, wer zum Teufel ist Ralf Kemper!
Torsten
Scheib: Mein Co-Autor – HA! Aber im Ernst: Ralf ist ein Tausendsassa. Der Mann
war Musiker, dann ist er beim Film gelandet. Neben seiner eigenen
Produktionsfirma (www.spontitotalfilm.com) drehte er als Regisseur ferner diverse
Spiel- und Kurzfilme, vorwiegend aus dem Horrorgenre und ausnahmslos
Independent-Produktionen, soweit mir bekannt ist. Dementsprechend fungierte er
dort auch als Produzent, Cutter und –Drehbuchautor. Letzteres eben auch bei Toxic
Lullaby. Ach, und das jährlich stattfindende Trashfilm-Festival in
Kassel wäre ohne ihn auch nicht denkbar. Wobei ich Ralf keineswegs als
Trashfilm-Regisseur sehe; im Gegenteil! Toxic Lullaby ist das beste
Beispiel: trotz minimalster finanzieller Mittel (ich glaube, das Budget lag bei
gerade mal 10.000 Euro) hat Ralf einen wunderbar atmosphärischen Streifen
kreiert, der neben teils beeindruckenden Locations insbesondere mit einer
hervorragenden, originellen Story und ferner sehr guter Kamera- und
Schnittarbeit punkten kann. Der Cineast in mir findet es jedenfalls ärgerlich,
dass Ralf – bislang – noch keine größere Produktion betreuen durfte.
So
erfährt man beispielsweise mehr über die Vergangenheit bzw. das Innenleben von
Pro- und Antagonisten. Dazu habe ich mehrere Actionszenen, die im Film
allenfalls wenige Minuten lang waren … nun ja, „aufgebessert“ würde ich es
nicht nennen,„vergrößert“ trifft es wohl eher (schließlich gab's beim Schreiben
kein Budget, das ich einhalten musste). Ferner habe ich die „blanken Stellen“
zwischen den jeweiligen Aufnahmen und Einstellungen möglichst nachvollziehbar
ausgefüllt, was wohl das Hauptmerkmal einer solchen Novellisierung darstellt
und den Unterschied zwischen Film und Buch am Deutlichsten werden lässt.
Beim
Film läuft es –leicht übertrieben – folgendermaßen: Handlung – Schnitt –
Handlung – Schnitt. Was ja auch okay ist. Beim Buch, das eine gänzlich andere
Erzählstruktur besitzt, kannst du das nicht machen. Einerseits liest es sich
miserabel, andererseits will der Leser erfahren, wie die Protagonisten von
Punkt A nach Punkt B gelangt sind und natürlich weshalb.
Ansonsten:
siehe oben. Stichwort Verarsche. Obwohl ich eingestehen muss, dass hie und da
mit mir während des Schreibens auch mal die Pferde durchgegangen sind. Unter'm
Strich dienten Ralfs Drehbuch und der fertige Film ganz klar als Fundament des
Romans; als Kompass sozusagen, der dafür Sorge trug, dass am Ende nicht etwas
gänzlich anderes bei rauskommt, das nur namentlich noch was mit dem Film gemein
hat.
Michael
Schmidt: Zwei Autoren werden ja zu dem Roman genannt. Wie kann man sich die
Arbeitsteilung vorstellen? Wer hat was gemacht und wie kam die ganze Sache
überhaupt zustande?
Torsten
Scheib: Die Vorarbeit – also das Drehbuch und der Film – stammten natürlich von
Ralf, weshalb ich auch darauf bestanden hatte, dass er als Co-Autor genannt
wird. Die eigentliche „Arbeit“ (wenn man es so nennen darf), also der Text,
stammt zu 100 Prozent aus meiner Feder. Zustande gekommen ist das Projekt dank
eines Threads im Horror-Forum; 2009 oder 2010 muss es gewesen sein.
Wer
den Film kennt, weiß ja, dass auch die von mir sehr geschätzten
„Apokalyptischen Schreiber“ in Toxic Lullaby Gastauftritte haben. Das
hat mich neugierig gemacht.
Und
nachdem ich den tollen Trailer gesehen hatte, wollte ich natürlich auch den
kompletten Film sehen und für das Online-Magazine www.fantasyguide.de rezensieren (was ich auch getan habe: http://www.fantasyguide.de/11365/). Danach ging mir der Film aber nicht
mehr aus dem Kopf; zum einen, weil er trotz bescheidener Mittel so gut geworden
war und zum anderen … weil ich hier die Möglichkeit sah, etwas zu machen, das
ich schon immer tun wollte, nämlich einen klassischen „Roman zum Film“ zu
schreiben! Gesagt, getan und nachdem ich Ralf überzeugen konnte, ging's
praktisch umgehend los. Bis leider mehrere Stolpersteine – etwa die
Verlagssuche und private Probleme – alles nach hinten verzögert hatten.
Andernfalls wäre das Buch nämlich unter Umständen schon ein, zwei Jährchen
früher erschienen! Schwamm drüber...
Torsten
Scheib: Dreh-und Angelpunkt ist Eloise Delario, eine junge Frau, die sich nach
einer reichlich feucht-fröhlichen Zeit mit ihren Freunden unvermittelt und
alleine in einer apokalyptischen, toten Welt wiederfindet: die Zivilisation
liegt in Trümmern, die Luft ist vergiftet, Flora und Fauna existieren nicht
mehr. Wer hier überleben will, muss nicht nur knallhart sein, sondern mitunter
auch seine Menschlichkeit abstreifen – besonders gegenüber jenen ehemaligen
Menschen, die als „Schläfer“ Jagd auf sie machen. Infiziert vom Gift, das in
der Luft liegt, sind sie zu tollwütigen Kannibalen geworden, die nur noch von
ihren animalischen Trieben und ihrer Gier angetrieben werden. Zusammen mit
einer Handvoll Überlebender macht sich Eloise auf, mehr über diese Welt zu
erfahren –und über ihr Schicksal...
Michael
Schmidt: Wo erhält man das Buch und wo den Film?
Torsten
Scheib: Das Buch? Bei den „üblichen Verdächtigen“, würde ich sagen; sprich bei
Amazon.de und/oder Buch.de. Noch besser ist natürlich eine Bestellung direkt
beim Verlag: pmachinery.
Film gibt’s ebenfalls bei Amazon, ich habe ihn aber auch in gut sortierten Elektronik-Fachmärkten und einmal sogar bei Real.- entdeckt.
Film gibt’s ebenfalls bei Amazon, ich habe ihn aber auch in gut sortierten Elektronik-Fachmärkten und einmal sogar bei Real.- entdeckt.
Michael
Schmidt:p.machinery ist jetzt dein neuer Hausverlag so
konnte ich lesen. Was bedeutet das im Detail und auf welchen Lesestoff können
sich deine Fans freuen?
Torsten
Scheib: Dass die kommenden Storysammlungen, Anthologien und Romane exklusiv nur
dort erscheinen werden (bis auf wenige Ausnahmen, dazu gleich mehr). Es passt
einfach zwischen Michael Haitel und mir, würde ich sagen.
Außerdem
bin ich ihm unendlich dankbar dafür, dass er Toxic … ins Verlagsprogramm
aufgenommen hat, nachdem ich die Hoffnung schon praktisch aufgegeben hatte. An
dieser Stelle möchte ich ferner ein großes Dankeschön an „Mrs. Geisterspiegel“,
Anke Brandt aussprechen, ohne die der Deal womöglich nie zustande gekommen
wäre!
Nach Toxic
Lullabywerde ich erst mal meine Novelle – oder wird’s doch ein Roman? – Göttersturzbeenden,
die GROSSE Fortsetzung zu meiner Kurzgeschichte Götterdämmerung, welche
ja in Zwielicht 1 erschien und ziemlich positiv
aufgenommen wurde.
Danach
werde ich mich der Fantasy zuwenden, sprich, meinen Roman zur Saramee-Reihe zu
Ende bringen. Zwischendurch, wenn's die Zeit zulässt, eventuell noch ein paar
Short Storys und Artikel, dann hoffentlich Mondo Bizarro, eine
Geschichtensammlung …und danach?
Schau'n
mer mal. Langweilig wird’s mir nicht werden ;-)
Michael
Schmidt: Du hast bisher drei Geschichten zu Zwielicht beigesteuert sowie zwei
zu Zwielicht Classic. Lass uns mal darüber sprechen! Dein Zwielicht Debüt war
Götterdämmerung in Zwielicht 1. Worum geht es in der Geschichte und
wann kommt die angekündigte Fortsetzung?
Göttersturz –die Fortsetzung – nimmt sich der Thematik
noch detailreicher und ausufernder an. Schon eine ganze Weile wollte ich das
tun, leider gab es aber keine passende Gelegenheit dazu. Als ich von Constantin
Dupien eingeladen wurde, einen Beitrag für seine 2. Mängelexemplare-Anthologie Dystopia
zu verfassen, sah ich den idealen Zeitpunkt gekommen und schrieb drauf los. Die
Inspiration kam übrigens während der Rückfahrt vom Marburg-Con 2013, als ich
einen Zwischenstopp in Frankfurt/Main einlegte, die Häuserschluchten sah und
mir die Frage stellte, wie die Skyline unter einer meterhohen Schneeschicht
aussehen mag.
Doch
dabei blieb es nicht, weshalb aus der Kurzgeschichte inzwischen eine halber
Roman geworden ist, der nun eine Art Spin-Off zur eigentlichen Anthologie
darstellt. Und eins kann ich versprechen: Es wird größer, es wird
actionreicher, es wird wilder werden. Ihr wollt Feuer, Schneestürme, mystische
Kreaturen und vieles mehr? Genau das wird’s in Göttersturz geben. Ein
wilder Trip, versprochen!
Michael
Schmidt: Motten aus Zwielicht 2 ist eine harte Geschichte und entzweit
die Leserschaft. Was ist das besondere an der Geschichte?
Torsten
Scheib: Hat die Story wirklich so deutlich die Leserschaft entzweit? Ich muss
gestehen, dass mir das weniger aufgefallen ist. Die meisten Kritiken waren ja
doch gottlob positiver Natur. Aber ich kann's durchaus verstehen. Es ist
fieser, ungeschönter Horror, der auch die dunkelsten Seiten des Menschen nicht
außen vor lässt. Das schmeckt nicht unbedingt jedem, besonders, wenn er
vorzugsweise Weichspüler-Pseudo-Horror Marke Stephenie Meyer konsumiert. Ach
ja, und eventuell könnte es auch an der Sprache liegen. Irgendjemand behauptete
mal, dass eine Geschichte, in der ich nicht mindestens einmal das Wort
„F**ze“verwenden würde, keine gute sei. Ist natürlich völlig Quatsch, aber auch
gar nicht mal so daneben. Ich bin in einer Arbeiterstadt geboren und
aufgewachsen, entstamme der Mittelklasse – und dort wird eben rustikaler
gesprochen. Insofern wäre der Versuch, „gestelzte“ Dialoge zu schreiben, ebenso
falsch wie meinen Hintergrund zu verleugnen. „So redde mia halt in Lumbehafe!“
Wem das halt nicht passt … Pech gehabt.
Michael
Schmidt: Besessen! Erschien erst in
Der wahre Schatz und dann in Zwielicht Classic 1 und das Thema folgt dem Titel. Muschelmädchen aus Zwielicht 3 ist dagegen eine für dich ungewöhnliche
Geschichte. Gute Ansätze aus ZwielichtClassic 4 ist dagegen eine Art Grüner Horror!
Liebst du die Abwechslung und was ist das Beständige an der Marke Torsten Scheib? Manche bezeichnen dich
als den deutschen Brian Keene!
Torsten
Scheib: Also, ich bin bei Weitem kein deutscher Brian Keene; so gut bin ich
nicht mal ansatzweise. Was wir aber gemein haben – und eventuell stammt der
Vergleich von dort – ist unser Background. Wie ich, entstammt Brian nämlich
keiner Akademikerfamilie, sondern der Arbeiterklasse. Gut möglich, dass mir
sein Stil– der ja auch bisweilen recht ruppig und ungefiltert sein kann – aus
ebendiesem Grund so sehr zusagt. Klar, ich liebe die Abwechslung und sie muss
auch meiner Meinung nach sein, wenn man beständig und dauerhaft gut schreiben
möchte. Das setzt sich übrigens auch bei den Lesegewohnheiten fort. Wer
gelegentlich mal über den Tellerrand schaut, der kann einiges lernen. Was die
genannten Storys betrifft, so stand bei jeder einzelnen stets die IDEE im
Vordergrund – und mit der bin ich dann gewissermaßen los gerannt, hin zu einem
unbekannten Ziel. So entstehen übrigens die meisten meiner Geschichten. Was das
„Beständige“betrifft … diese Frage kann ich dir echt nicht zufriedenstellend
beantworten. Das müssen andere beurteilen.
Michael
Schmidt: Vier deiner Geschichten (Gute Ansätze, Götterdämmerung, Motten,
Illusionen) wurden für den Vincent Preis nominiert. Was bedeutet dir diese
Auszeichnung und wann gewinnst du das Teil endlich!
Torsten
Scheib: Ich wollte ja dieses Jahr mal den 1. Platz nach Hause nehmen, aber da
mussten mir ja ausgerechnet Arthur Gordon Wolf und dieser Vincent Voss (kennt
den jemand überhaupt?) in die Suppe spucken …;-)
Im
Ernst: Schon in die Endrunde zu kommen, macht mich stolz und spornt mich an.
Ich fühle mich geehrt und privilegiert, Teil einer so illustren wie auch
fröhlich-herzlichen Szene wie der dt. Horror-Szene anzugehören. Super-nette
Menschen, super-nette Kollegen, super-nette Leser – und manche betrachte ich
durchaus als Freunde. Du weißt ja selbst, wie es etwa auf dem Marburg-Con oder
dem BuCon ist …
Da
ist ein Preis ein nettes, ein tolles Zubrot, keine Frage. Und wenn ich dann
wirklich mal gewinnen sollte – mein Tipp: 2036 – ist das gewissermaßen die
Kirsche auf einem ohnehin schon köstlich mundenden Kuchen. Schwarzwälder Kirsch
oder Donauwelle.
Michael
Schmidt: Hast du unter deinen vielen Kurzgeschichten einen Favoriten?
Torsten
Scheib: Schwer. Es mag sich komisch anhören, aber ich denke, diese Position
könnte durchaus der anstehende Göttersturz einnehmen. Teilweise – und
rein subjektiv betrachtet – sind da Passagen dabei, die ich für das Beste
halte, was ich bislang geschrieben habe. Schwester Sexy (aus Enter
Sandman: Inspiration Metallica) mag ich auch sehr. Eine fiese kleine Story
mitsamt dem passenden Ende.
Michael
Schmidt: Toxic Lullaby ist dein erster Roman. Werden jetzt weitere folgen und
was hast du konkret in Planung?
Torsten
Scheib: Ich hoffe es! Ideen für weitere Romane – auch jenseits des Horrors –
spuken genug in meinem Schädel rum, wobei mein Augenmerk vorläufig wohl den
beiden nächsten Toxic-Romanen gelten wird. Ganz Recht, wenn mir die
Götter gewogen sind, plane ich eine Trilogie. Ein Prequel (also eine
Vorgeschichte) und zum Abschluss eine Fortsetzung, die nahtlos an den ersten
Band anknüpfen wird.
Michael
Schmidt: Auf welche Veröffentlichungen darf man sich noch demnächst freuen?
Torsten
Scheib: Neben dem Göttersturz steht noch die eine oder andere
Kurzgeschichte an, etwa ein ziemlich cooler Zombie-Horror-Western in dem Sergio
Leone auf George Romero trifft. Im Verlag Thorsten Low werde ich in der
Anthologie Dunkle Stundenmit der Story Die Dunkelheit im Herzen
vertreten sein, die einerseits ihre Verbindung zu Carpenters Das Ding aus
einer anderen Welt nicht gänzlich verleugnen kann, andererseits von der
Thematik her eine Art Testballon für einen eventuellen Roman darstellt.
Ansonsten … lasst euch überraschen!
Michael
Schmidt: Was liest du selbst und was würdest du der Horrorgemeinde empfehlen?
Torsten
Scheib: Ach, querbeet. Mal Horror, mal Krimis, mal Fantasy, mal
Science-Fiction, mal Comics… es muss mich halt ansprechen. Lesetipps für die
Horrorgemeinde?
Neben
den üblichen Verdächtigen, die wohl keiner Erwähnung bedürfen, fand ich aktuell
Patrick Senécals Roman 7 Tage der Rache (Festa) sehr intensiv und
packend und Lauren Beukes' Shining Girls (rororo) war zwar nicht immer
perfekt, schmeckte aber an den besten Stellen so edel wie ein gut gekühltes
Tannzäpfle-Bier. Von ihr erwarte ich noch Großes.
Bei
den heimischen Autoren empfehle ich stellvertretend (denn die Auswahl ist groß
und wächst beständig!) den grandiosen Vincent Voss, praktisch alles von Markus
K. Korb und wer auch gegenüber rasanter Dark Fantasy ohne Schmalz nicht
abgeneigt ist, dem dürfte Thomas Finns aktueller Wälzer, Schwarze Tränen
bestimmt gefallen!
Torsten Scheib auf dem Marburg Con (rote Jacke) |
Michael
Schmidt: Ein Wort noch an die Leute da draußen!
Torsten Scheib: Danke und unterstützt die hiesige Szene weiterhin so leidenschaftlich. Außerdem: Ich war's noch immer nicht. Und zu guter Letzt: alles ist verbunden.
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