Guter Rhad ist teuer
Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Guter Rhad ist teuer aus Terracom 122 10/2009
Leseprobe:
Die Hitze stand wie eine Glocke über Saramee. Das Meer war schon seit
Tagen windstill und so saßen zahlreiche Schiffe im Hafen fest, ohne Aussicht
darauf, in Bälde in See stechen zu können. Die Flaute kam zur Unzeit, fand doch
um die neunte Woche ein besonders reger Handel statt, denn zahlreiche Besucher
strömten entweder über die Portale oder den Seeweg in die Stadt. Die
Stadtoberen schafften immer wieder eine logistische Meisterleistung, in dem sie
mitten in der Trockenzeit diese Menschenansammlung versorgten. Ein Grund für
diese Massen war das dreiwöchige Fest zu Ehren des Maden Glinski.
Durch die anhaltende Windstille geriet die Versorgung langsam in Gefahr,
doch der Stadtrat begegnete solchen Gerüchten mit Optimismus und bestritt jegliche
Notlage.
Aqua konnte es egal sein. Das einzige, das ihn an der diesjährigen
Trockenzeit störte, war die enorme Hitze, die weit über dem jährlichen Mittel
lag. Als ein Wesen, dessen Wurzeln im Wasser lagen, litt er natürlich besonders
unter diesen Umständen.
Im Moment genoss er allerdings den puren Augenblick. Reichlich Teyang,
einer rauschfördernden Abart der Yang Wurzel, sowie das ein oder andere Glas Wetah
hielten seine Kehle feucht und seine Stimmung hoch. Doch das war nicht der
einzige Grund, gut gelaunt zu sein.
Hier, im äußersten Südosten der Stadt, erreichte das Straßenfest seinen
Höhepunkt. Unzählige Musikanten und Gaukler boten ein buntes Spektakel, in das
Aqua eintauchte und von dem er sich treiben ließ. Die Musik inspirierte ihn und
fütterte seine poetische Ader:
Oh, Herr. Das Wasser schwillt,
die Dame steigt empor,
Mein Wunsch ist bald erfüllt,
dank der Macht Amor.
Getroffen sink ich nieder,
mein Atem fast erstarrt,
ich schmettre lüsterne Lieder,
und ihr Feuer ist entfacht.
Dame meines Herzens,
geh doch bitte nicht fort.
Ich singe weiter Lieder,
bann dich an diesen Ort.
Der Reim verließ sein Herz und erreichte seine Augen. Oder woher sonst
kam der entzückende Augenschmaus, den er soeben erblickte? Verzückt griff er
nach der Teyang Wurzel und kaute auf ihr herum.
Sie erstrahlte. So blass, so feucht, dass es ihn fast zeriss. Eine
weibliche Phi und das in einer seiner seltenen lyrischen Phasen…
Es musste sein Glückstag sein. Er bummelte in ihre Richtung, hielt kurz
für einen Krug Wetah, den er beschwingt von Amors Pfeil in einem Zug leerte,
bevor er seine amouröse Reise fortsetzte.
Doch seine gute Laune bekam einen jähen Dämpfer. Plötzlich nahm die
Dame seines Herzens Fahrt auf.
Still fluchte er in sich hinein, nicht schon früher Tempo zugelegt zu
haben und die Gelegenheit am Schopfe zu packen. Missvergnügt sah er, wie sich
das Objekt seiner Begierde immer weiter entfernte. Aqua drängte sich durch die
Menge, die wenig Neigung zeigte, einem liebeskranken Phi Platz zu machen.
Immer wieder stoppten ihn herumstehende Passanten. Und just in dem
Moment, als er sich auf rabiate Art und Weise den Weg bahnte, packte ihn ein Glisk.
Die gefährliche Mischung aus Erregung und Rausch abschüttelnd, befreite Aqua
sich aus dem Griff des Fremden, der ihm glücklicherweise nur lauthals hinterher
schimpfte und ansonsten das Interesse an ihm und der sich anbahnenden
Auseinandersetzung verlor.
Aqua sah aus dem Augenwinkel gerade noch, wie die Phi um die Ecke bog.
Erneut versuchte er ihr auf den Fersen zu bleiben. Diesmal achtete er aber
darauf, jeglichem Streit aus dem Weg zu gehen. Verständlicherweise kam er nur
mühsam vorwärts. Als er um die Ecke kam, bog die Dame erneut in eine
Seitengasse ein. So folgte er einem Phantom und als die Menge endlich lichter
wurde, war sein Unglück perfekt.
Die Phi war ins Wasser gegangen, sprich, wie vom Boden verschluckt.
Seinen Trancezustand abschüttelnd erkannte er, in welch einer dunklen Gasse er
gestrandet war. Sollte das Objekt seiner Begierde wirklich hier gelandet sein,
würde sie alle Hände voll zu tun haben, sich ihrer Haut zu wehren. Als Schatten
kannte er für sich selbst keine Angst. Trotzdem hatte er Respekt vor den
ansässigen Gangs und beschloss, besonders aufzupassen.
Seine suchenden Augen wurden jäh fündig, jedoch vollkommen anders als
er es erwartet hätte. Statt einer gefährlichen Ansammlung entdeckte er Rune
Flock, seinen größten Feind. Flock befand sich gerade im Gespräch mit einem
Xer, dieser stinkenden, Toten fressenden Brut.
Sofort duckte er sich in den nächstbesten Hauseingang und observiert
das ungleiche Pärchen aus dem Verborgenen. Der Xer hatte tiefbraune Haut und
schlohweißes Haar, der ausladende Hinterkopf war selbst für seine Spezies
gewaltig. Mit seinen krallenartigen Händen gestikulierte er wild vor Rune, der
unwillkürlich zurückwich. Blond und blauäugig, klein und von schmaler Natur,
war der nur mit einem blauen Lendenschurz gekleidete Mann das genaue Gegenteil
des urzeitlichen Xers.
Rune zwirbelte an seinem Schnurrbart, bevor er einen Schwall Worte auf
den Xer losließ, der nur wortkarg antwortete. Das ging eine geraume Zeit so,
bevor sich die beiden trennten.
Rune, was um alles in der Welt machst du hier, in dieser dunklen Ecke,
ein Geschäft mit diesem Xer? Das stinkt doch zum Himmel.
Aqua ärgerte sich tierisch, dass er kein Wort von dem Gespräch hatte erlauschen
können. Spontan heftete er sich an die Fährte Runes. Hier ging etwas Seltsames vor
und er war sicher, es würde sich lohnen, bei dieser Angelegenheit am Ball zu
bleiben.
Die Verfolgung wurde zur Geduldsprobe. Während in Aqua ein Sturm tobte
und die Neugier ihn quälte, schlenderte Rune in Seelenruhe durch die belebten
Gassen, plauderte hier mit einem Händler oder flirtete dort mit einer leichten
Dame. Man merkte deutlich, dass Rune Zeit totschlagen wollte und so trottete
Aqua unaufmerksam hinter ihm her.
Und schon passierte das Malheur. Scheinbar hatte er einen der Passanten
angerempelt. Die schwarze Haut des Okaners funkelte in der untergehenden Sonne.
Das ärmellose Oberhemd entblößte mächtige Oberarme und Aqua beglückwünschte
sich. Ärger stand ins Haus und das mit einem Riesen. Der baute sich vor ihm auf
und packte ihn unwirsch am Kragen.
„Hey! Du willst also Ärger mit Renam. Nichts leichter als das. Dich
verarbeite ich zu Fischfutter.“
Die Faust flog heran und streifte Aquas Kinn, der ziemlich perplex rein
instinktiv auswich und damit dem Schlag den größten Schwung nahm. Trotzdem
spürte er die unbändige Kraft des Hünen, wankte rückwärts und nutzte den
Schwung, um herumzuwirbeln und Reißaus zu nehmen. Hinter ihm ertönte Geschrei
und ein Blick über die Schulter zeigte ihm das ganze Dilemma. Aus dem einen
Okaner waren drei geworden.
Aqua nahm die Beine in die Hand und rannte was das Zeug hielt. Die
Gassen waren hier weniger stark frequentiert und so kam ihm seine Schnelligkeit
zu Gute. Mit abrupten Richtungswechseln schoss er durch das Straßengewirr,
seiner Verfolger im Nacken spürend. Ihr schwerer Atem kündigte es früh an und
so hatte er sie nach nicht allzu langer Zeit abgeschüttelt, selbst nach
Sauerstoff pumpend.
Mist!
Er war zwar jetzt in Sicherheit, aber der Zwischenfall hatte ihn von
seiner Fährte abgebracht. Zu gern hätte er Runes Pläne in Erfahrung gebracht. Verzweifelt
suchte er die Gegend ab, doch Flock blieb auch in der folgenden Stunde wie vom
Erdboden verschwunden.
Aqua schlug eine neue Richtung ein. Mittlerweile war die Sonne
vollständig untergegangen und es dürstete ihm nach einem Krug Wetah. Flugs
marschierte er zur Nassen Feder und staunte nicht schlecht, als er seinen
Lieblingsfeind durch eines der Fenster erspähte. Was man in der Ferne sucht,
findet man vor der eigenen Haustür.
Und wie bestellt kam gerade Ragun um die Ecke, der ihm schon den einen
oder anderen Dienst geleistet hatte. Der dicke Schuhmacher strebte danach ein
Schatten zu werden und sah in Aqua einen möglichen Türöffner.
„Schön dich zu treffen, Aqua. Was liegt so an?“
Ragun sah ihn erwartungsvoll an und brachte ihn auf eine Idee.
„Mein Freund, dich schickt Araxon, Schutzpatron der Söldner und Gott
des Krieges. Wisse ihm zu gefallen, denn ich habe eine Aufgabe für dich.“
Ragun, der junge Schuhmacher, wünschte sich nicht sehnlicher, als sich
den Schatten anzuschließen und war immer bereit, einen Auftrag auszuführen. Und
dieser schien selbst für einen geschwätzigen Tollpatsch wie Ragun machbar.
„Schau durch dieses Fenster. Siehst du den Blonden da?“
„Du meinst Rune?“
„Genau! Begib dich in seine Nähe. Er bekommt demnächst Besuch und ich
muss wissen, was sie sprechen. Es soll nicht dein Nachteil sein.“
„Hör mal, Aqua. Rune ist…“
„Sei nicht sentimental, Junge! Willst du ein Schatten werden? Soll ich
bei Borschard ein gutes Wort für dich einlegen?“
Sein Gegenüber nickte zustimmend.
„Dann gehorche, gehe hinein und bring mir die Information. Denk an die
Kiste Gold und daran, dein Anteil wird kein kleiner sein.“
Und drückte ihm eine Münze in die Hand. Wenig später saß Ragun direkt
in Runes Nähe. Jetzt hieß es warten.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen