Hanns Heinz Ewers - Das Grauen
Das Grauen ist eine Kurzgeschichtensammlung des Düsseldorfer Autors Hanns Heinz Ewers aus dem Jahr 1907: Publication: Das Grauen: Seltsame Geschichten (isfdb.org)
Die Neuauflage bildet den Auftakt der Reihe Untote Klassiker im Jojomedia Verlag:
Dr. Hanns Heinz Ewers (1871 - 1943) war der erste deutsche Popstar der unheimlichen Literatur.
Für Furore sorgte Ewers nicht nur als kreatives Multitalent - er begann seine Karriere als Dichter, Kinderbuchautor, Übersetzer und Satiriker, war Mitbegründer des ersten Berliner Kabaretts "Ueberbrettl", Stummfilmpionier der ersten Stunde und schrieb publicityträchtige Bestseller wie "Alraune" -, sondern vor allem auch durch sein exzessives und skandalträchtiges Privatleben als Celebrity seiner Zeit. So wurde er unter anderem wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften verurteilt, konsumierte Rauschmittel aller Art und hatte zahlreiche Affären.
Ewers stand in Kontakt mit vielen prominenten Zeitgenossen - von Künstlerkollegen wie Gustav Klimt oder Max Reinhardt bis hin zu einflussreichen gesellschaftlichen und politischen Kreisen. Aufgrund seiner opportunistischen Anbiederung an das Nazi-Regime wurde er angeblich von Adolf Hitler selbst per Handschlag in die NSDAP aufgenommen und mit der Ausarbeitung des Propagandaromans "Horst Wessel" beauftragt. Dennoch fiel Ewers auch unter den Nationalsozialisten schnell wieder in Ungnade, seine Bücher wurden als entartet verbrannt, er selbst mit Schreibverbot belegt. Ewers starb schließlich vereinsamt und vergessen 1943 in Berlin.
Hanns Heinz Ewers interessierte sich zeitlebens besonders für phantastische, makabre, abseitige und unheimliche Themen in der Tradition von E.A. Poe oder den "Contes Cruels" von Villiers de l'Isle-Adam. Für seine Bücher wurde er von seinen Lesern geliebt und von der Kritik gerne zu Unrecht als Autor von reiner Trivialliteratur abgestempelt. Mit DAS GRAUEN, einer Sammlung von elf "seltsamen Geschichten" voller Gewalt, versteckter sexueller Perversion und psychopathologischen Figuren, gelang ihm 1907 der große Durchbruch als Schriftsteller.
312 Seiten, mit Illustrationen von Ladi Bartok.
Die erste Geschichte namens Tomatensauce wird hier auf das Jahr 1905 datiert:
Title: Die Tomatensauce (isfdb.org)
Sie erschien auf englisch, portugesisch und französisch.
Laut Christian Pree erschien sie auch in Fantasie 72:
Bibliographie deutschsprachiger SF-Stories und Bücher: Hanns Heinz Ewers - Stories (chpr.at)
Hinter dem harmlosen Titel steckt eine Splatterstory. In Granada verfolgt der deutsche Erzähler erst einem Stierkampf, dann einem blutigen Hahnenkampf und immer bei ihm der geächtete Pope, ein Geistlicher, der eher geduldet wird. Doch dieser Pope führt den Erzähler zu einem Kampf. der den Stier- und Hahnenkampf noch übertrifft. Die Salsa.
Eine packende Geschichte über die entfesselten Instinkte von Menschen.
Die Geschichte kannte ich schon aus Phantastische Literatur 1983, einem sehr lesenswerten Band
Ein Maler meldet sich bei einem Herzog und meldet forsch an, er solle die Bilder kaufen. Der Herzog, ein sehr neugieriger Mensch, besucht den Maler und es stellt sich heraus, die Bilder sind mit den Herzen seiner toten Verwandten gemalt und der Maler selbst, wurde mehr oder minder von den Verstorbenen besessen, als er die Bilder erstellte.
Malerei und Horror das passt und das zeigt auch die, hier und da vielleicht ein wenig breit getretene Geschichte. Gruselig ist die Geschichte und nichts für zarte Gemüter. Tolle Story.
Das weiße Mädchen erschien auch auf englisch und französisch:
Es geht um ein junges, unschuldiges Mädchen, das vor einer Reihe älterer Herren tanzt. Die Haut ist blendend weiß und im Finale reisst sie eine weiße Taube auseinander und badet in dem Blut, während sie in den Boden versinkt.
Eine recht simple Geschichte die auf Schockelemente ausgerichtet ist.
Das Feenland erschien auf französisch und portugiesisch:
Ein kleines, unbedarftes Mädchen ruft die Besatzung des Schiffes mit dem es nach Haiti gekommen ist, und behauptet im Feenland gelandet zu sein. Doch statt märchenhafte Wesen trifft die Schiffsbesatzung arme kranke Menschen, deren Hände vergrößert sind und deren Haut Pusteln hat.
Die Geschichte lebt davon, das sie ganz harmlos aus der Sicht des Kindes geschildert wird und so das Grauen erst auf den zweiten Blick ins Bewusstsein des Leser tröpfelt.
Eine Geschichte über die Gerechtigkeit des Justizsystem und über die Grausamkeit der Todesstrafe. Kein Horror, aber hat mir gut gefallen
Wenn die Kunst, die man liebt, nicht erwidert wird, man aber mit populistischen Reimen erfolgreich ist und sich damit selbst untreu wird. Tolle Idee, aber auch keine phantastische Geschichte.
Die Liebe ist der Weg zum reinsten Horror. Ein paar Gesellen treffen sich um ihre Todesarten zu besprechen. Und fünf Jahre später, als einer der ihren nach London zurück kehrt, ziehen zwei dieser Kameraden Bilanz. Der eine ist wirklich durch eine Kugel gestorben. Ein anderer wie erwartet an einer Lungenkrankheit. Doch auch John Hamilton Llewellyn stirbt wie erwartet am Weib und an der Kunst. Und das hat sich so zugetragen. Ein Mammut wird aus dem sibirischen Eis gebracht in ein Museum in London. Doch im Eis ist noch mehr versteckt, nämlich eine sibirische Fürstin. Diese, gefangen in einem Eisblock, wird von Llewellyn gemalt, da sie sich durch die Reflexionen des umschlossenen Eises nicht gut fotografieren lässt. Doch der Maler verliebt sich in die eiskalte Dame, taut sie auf und verliert dabei sie und seinen Verstand.
Ja, die Künstler sind von anderen Welten und so ist es eine sehr mitreißende Geschichte oder eher Mär.
Aus dem Tagebuche eines Orangenbaumes
Auch das Militär kann der Liebe verfallen und als der erste der liebestollen Soldaten ein schlimmes Schicksal nimmt. wird von oberster Stelle der Besuch der Koblenzer Strasse, dort wohnt die Zauberin verboten. Doch unser ICH Erzähler, der in ein Sanatorium eingewiesen wurde, hält dieses Verbot nicht davon ab, die Dame zu besuchen, ihr völig zu verfallen und sich im Wahn zu befinden, sich in einen Orangenbaum verwandelt zu haben.
Eine großartige Geschichte über Gedanken, die sich verselbstständigen und die dafür sorgen, das der Mensch das zu sein scheint, was er zu werden will.
Der tote Jude wurde auch ins Französische übersetzt:
Ein Duell nach Korpsregeln. Hier der Judenhasser Märker, dort der stotternde und unansehnliche Perlmutter, der eigentlich gar kein Duell will und bei drei Versuchen nicht einmal schießt, danach aber tödlich in die Stirn getroffen wurde. Unsere Protagonisten bringen den Toten weg, werden aber von einem Totenhaus in ein anderes, eine Klinik verwiesen. Nachdem die erste Reise schon drei Stunden dauerte, haben sie erneut über vier Stunden vor sich und so besaufen sie sich und flößen dem Toten Alkohol ein, stecken ihm Zigaretten in den Mund und kloppen mit ihm Skat. Da erwacht der tote Jude zu unheilvollen Leben.
Das ist eine echt eklige Geschichte. Weiß noch nicht was ich davon halten soll.
Die Tophabraut erschien ebenfalls auf französisch:
Und wurde in Das dritte Buch des Horrors nachgedruckt:
Ein Mann, Fritz, sucht in Berlin ein Zimmer, findet vier, will aber nur eins mieten. Die Crux: Um an die hinteren Zimmer zu kommen, muss man durch das vordere gehen. Als ein weiterer Mann die Wohnungen besichtigt, einigen sie sich, sich jeweils zwei Zimmer und Rücksicht aufeinander zu nehmen. Der zweite Mann, Fritz Becker, scheint ein angenehmer und ruhiger Geselle und so verstehen sich die beiden.
Doch der Erzähler hat eine Freundin, Änny, über die er sonst nichts weiß und die ein schwaches Herz hat. Diese hasst Becker und kann ihn nicht ertragen. Sie hat eine solch groé Abneigung, das ihr Herz aussetzt und als die beiden Bewohner einen Arzt rufen, ist nach ihrer Rückkehr Änny verschwunden.
Als Fritz eine Ausstellung im Museum für Heimatkunde besucht, wird eine Mumie präsentiert, deren Kopf und Schultern frei ist. Es ist Äny.
Eine tolle und mitreißende Geschichte mit vielen okkulten Andeutungen.
Die Mamaloi wurde mehrfach nachgedruckt sowie ins Englische und Französische übersetzt:
Haiti. Eine Geschichte über düstere Kulte, Menschenopfer und -fresser, Orgien und Aberglaube.
Fazit:
Das Grauen ist ein abwechslungsreicher Band, bei dem mir nicht alle Geschichten gefallen haben, die man heute aber noch gut lesen kann.
Man darf aber auch nicht allzu empfindlich sein, gerade die damalige Weltsicht blitzt doch ein ums andere auf. Das Vorwort von Joe Piccol und die Illustrationen von Ladi Bartok werten die Neuauflage eindeutig auf.
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