In der Reihe UNTOTE KLASSIKER präsentiert der JOJOMEDIA Verlag unentdeckte, vergessene oder vergriffene Highlights aus dem Bereich der unheimlichen Literatur (international auch als "Weird Fiction" bezeichnet) in neuer, zeitgemäßer und hochwertiger Aufmachung. Jeder Band enthält neben eigens für die Reihe UNTOTE KLASSIKER gestalteten kunstvollen Illustrationen auch ein vertiefendes Vorwort mit ausführlichen Hintergrundinformationen zu Buch und Autor. DIE BESESSENEN ist nach DAS GRAUEN die zweite Sammlung unheimlicher Geschichten, mit denen ihr Autor Hanns Heinz Ewers noch vor seinem großen Welterfolg, dem Roman ALRAUNE, weitreichende Bekanntheit erlangte. Darin enthalten ist auch seine wohl berühmteste Erzählung DIE SPINNE, die mit ihrer abgründigen Thematik als Prototyp der psychologischen Horrorgeschichte gelten kann. Die Sammlung DIE BESESSENEN wird in der vorliegenden kommentierten Ausgabe als Band 4 der UNTOTEN KLASSIKER erstmals seit beinahe 100 Jahren wieder in ihrer ursprünglichen Zusammenstellung neu aufgelegt.
Im Vorwort geht Jo Piccol auf die Umstrittenheit des Autors ein. Von der Kritik zerrissen, erst verhätschelt von den Nazis, dann verboten, bietet er Sprengstoff für alle. Seine erste Sammlung
Das Grauen war sehr lesenswert.
Zu den Geschichten:
Mit Liebe wird die Geschichte im Buch überschrieben, Das ist der falsche Begriff. Es geht eigentlich um Hörigkeit. Ein Graf verliebt sich in die Lebedame Stanislawa d'Asp, die ihn verhöhnt und seinen Nachstellungen die kalte Schulter zeigt, während sie sich mit allerlei Gesindel vergnügt. Als sie schwer krank wird, geht sie auf sein Werben ein, kommt mit ihm zusammen und lässt sich sogar überreden, ihn zu heiraten. Dabei stößt sie im die Hörner auf mit dem Freund des Grafen, Jan Olieslagers, ein AlterEgo von Ewers.
Am Ende verhöhnt die Stanislawa den Grafen noch über ihren Tod hinaus, in dem sie im Testament eine unmögliche Forderung stellt, doch seine Hörigkeit ist so groß, das er selbst die erfüllt.
Wie ich finde, ist das ein gelungener Auftakt.
Die Geschichte erzählt stimmungsvoll von einer Reise durch Mexiko, die den Erzähler quer durchs Land führt und am Ende zu den Blauen Indianer. Warum diese blau sind und ob es an der ausschließlichen Ernährung von Meerbewohnern liegt, darüber spekuliert der Erzähler. Das besondere an diesen blauen Indianer ist aber nicht ihre außergewöhnliche Hautfarbe, sondern ihr fotografisches Gedächtnis. Sie können sich an alles in ihrem Leben erinnern, zurück bis ins erste Lebensjahr. Und noch weiter, denn sie erinnern sich an das Leben von Vater und Mutter, Opa und Oma. Als dann ein Mädchen, vierzehnjähriges schwangere Mädchen "Alaf" ruft, ist klar, einer der Ahnen ist ein katscholischer Karnevalist aus dem Rheinland. Das ist einerseits ein wenig schaurig wenn diese Gestalt aus längst vergessenen Zeiten von dem Mädchen Besitz ergreift, hat aber auch eindeutig eine humorvolle Note. Der Ekelfaktor, als der Vater des Mädchen sich im Bann des Missionars die Zunge abbeißt, passt eigentlich nicht, soll der Geschichte aber wohl eine besondere Note verleihen.
Insgesamt eine sehr interessante Geschichte. Man muss natürlich, wie das im Jahr 1908 so war, auch solche Stellen ertragen:
Der Gegenvorschlag, der dahin ging, Teresita so lange zu prügeln, bis die nötige Aufreizung erreicht sei. Das hätte voraussichtlich wohl zum Ziel geführt und auch dem Mädchen nicht allzuviel geschadet, verträgt doch eine Indianerin mehr Schlägeals ein Maultier. Aber obwohl sich Tersita für den Silbergürtel gern zehnmal hätte peitschen lassen...
Das die Indios faul, träge und dumm sind, das versteht sich natürlich von selbst.
Die Spinne ist eine sehr berühmte Geschichte des Autors und erschien auf englisch, französisch, spanisch, schwedisch, italienisch und russisch, ich glaube aber, ich habe die vorher noch nicht gelesen gehabt:
Im Zimmer Nr. 7 in Paris, Hotel Stevens, Rue Alfred Stevens 6, gehen erstaunliche Dinge vor.Hintereinander erhängen sich drei Männer, jeweils am Freitag, jeweils um sechs Uhr und wie sich irgendwann herausstellt,war immer eine Spinne da, die an den toten Körpern krabbelte.
Der vierte Deliquent, ein Journalist, stellt sich freiwillig zur Verfügung, nutzt freie Kost und Logie, um das Geheimnis aufzudecken und an den ersten Freitagen passiert nichts. Gegenüber, wenn er aus dem Fenster schaut, sieht er Clarimonde, verliebt sich in ihr Aussehen und kommuniziert mit ihr über die Entfernung. Clarimonde benutzt einen Spinnenrocken, während die beiden flirten und Richard Bracquemont sich immer tiefer in das Spinnennetz der Clarimonde verstrickt.
Wie es endet ist wohl klar. Eine Geschichte über die Macht von Spinnen und Frauen und ihr Netz.
Da bekommt man ja direkt Angst vor dem weiblichen Geschlecht.
Der Spielkasten spielt in China. Dort herrschen andere Gebräuche. Hong-Dok bleibt stoisch wenn einer seiner neun Frauen ihn betrügt. Als ein Kadett ihn dauerhaft mit Ot-Chen betrügt, ist es plötzlich was anderes, denn der hat Hong-Dok damit das Gefühl gegeben, weniger Wert als die Frau zu sein und Frauen sind bei ihm völlig wertlos.
So kreuzigt er beide aufeinander, im Akt gefangen, näht ihnen die Münder zu und schickt sie den Fluss runter, wo sie nicht mehr gesehen werden.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Edgard Widerhold, einem Deutschen, bei dem bis zu diesem Ereignis die von der Fremdenlegion ein und aus gingen, der sich danach zurück zieht.
Eine sehr gruselige Geschichte über fremde Denkweisen.
C.3.3. erschien auch auf französisch.
Oscar Wilde erzählt seine Sicht, im Gespräch mit Hanns Heinz Ewers, warum er sich im Zuchthaus nicht umgebracht hat, sondern es durchstand, eine Geschichte, die sich also auf eine wahre Begebenheit bezieht, den Wilde war 1895 für zwei Jahre inhaftiert, Zitat:
Oscar Wilde wurde daraufhin selbst verhaftet und wegen Unzucht angeklagt. Da sich in der Jury aber zunächst keine ausreichende Mehrheit für einen Freispruch oder eine Verurteilung fand, wurde Wilde auf Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen. In einem zweiten Verfahren wurde er dann am 25. Mai 1895 zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Ausschlaggebend war nicht sein Verhältnis zu Lord Douglas, sondern sein Umgang mit männlichen Prostituierten, von denen einige als Zeugen gehört worden waren. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft hatten Freunde Wilde die Flucht aus England nahegelegt. Das lehnte Wilde ab. William Butler Yeats, der ihm gleichfalls die Flucht empfohlen hatte, schrieb über Wildes Entscheidung später: „Ich habe nie daran gezweifelt, nicht einen Augenblick, daß er die richtige Entscheidung getroffen hatte, und daß er ebendieser Entscheidung die Hälfte seines Ruhms verdankt.
Die Geschichte ist mit Spitzer Feder geschrieben, fast wie eine Glosse. Ein Freund des Barons erzählt aus seiner Sicht, bevor die Tagebucheinträge von Jesus Maria von Friedel geschildert werden.
Die Geschichte hat ein aktuelles Thema. Jesus Maria ist ein Gender oder auch queer, hat zwei Seelen in einer Brust, die sich seit seiner Geburt manisfestierten, aber erst spät einen Kampf gegeneinander ausfechten. Wer jetzt wenn umgebracht hat, als ob die männliche Seite die weibliche oder umgekehrt, das bleibt offen. Äußerlich gesehen ist es natürlich ein Selbstmord.
Die Geschichte selbst ist vielleicht etwas zu ausführlich erzählt, hat mir aber ausgesprochen gut gefallen.
Delphi ist eine merkwürdige Geschichte. Spielt im alten Delphi. Es geht um zwei Hirten. Ein Athlet und ein Sänger. Der Athlet erringt den Ruhm, es ist aber der Sänger, der mit seiner Lüge die Massen begeistert, schließlich lässt sich die Lüge gut vermarkten. So obsiegt die Dichtung über die Wahrheit, aber am Ende sind Athlet und Sänger tot, es leben aber der Priester und der Kauffmann.
Eine böse Satire.
Fazit:
Sehr schön illustriert von
Ladi Bartok bietet
Die Besessenen sich ein bunter Strauß an Geschichten, die aber insgesamt zu begeistern wissen. Fremde Länder und fremde Sitten, eine spitze Feder des Erzählers und morbide, stellenweise modern ist es auch.
Was will das Leserherz mehr. Lesenswert.
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