Generationenkonflikt

We are defenders of the faith”, sangen anno 1984 Judas Priest. “Defenders of the faith“ war auch der Titel des gleichnamigen Albums. Ein weiterer Titel namens „Eat me alive“ war Programm, da sich gleichzeitig die Hysterie gegen diverse Horrorfilme breit machte – ich nennen da nur „Maneater“ oder „Tanz der Teufel“ – war es nur einen Schritt, die ganze Zensurdebatte neben den Filmen auch auf den gepflegten „Heavy Metal“ auszudehnen. Zensiert wurde dann nicht wirklich, aber es gab Platten, die durften nicht im Schaufenster ausgelegt werden, da sie nicht jugendfrei waren, so auch das Album „Condition Critical“ von Quiet Riot (oder war es das Metal Health Album?), da die abgebildete Szene an gewisse Filme erinnere.
Solche Diskussionen hatte eine Serie wie der Dämonenkiller schon hinter sich, dort wurden meines Wissens vier Romane von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Schriften eingezogen, bei der Serie Dr. Morton waren es gewiss mehr, eventuell vier Romane, die nicht der Zensur anheim fielen.


Damals gab es noch das Motto: Je schlimmer, desto besser. Je härter, desto besser. Je schneller, desto besser. Damals. Heute regiert allenthalben das Mittelmaß, Grenzgänger sind nicht gefragt, wohl weil die Grenzen hinreichend ausgelotet wurden und mittlerweile eher abschrecken als reizen.

So könnte man von der heutigen Jugend erwarten, dass sie brav ist. Angeblich verwischen die Geschlechter, ein Mann wird immer mehr zur Frau, die Frau immer männlicher. Die Jugend schaut verwirrt auf ihre Eltern, die Eltern, die gekifft und in der Gruppe unter freiem Himmel Liebe machten. Das Biedermeierprinzip. Nachfolgegeneration von Nullbock und den Wohlstandjünglingen.

Doch habt Acht liebe Erwachsenen. Die Jugend ist ein schlafender Riese, so auch dieser Tage. Frankreich, mitten in Europa gelegen, zeigt Bilder, die man sonst aus dem Nahen Osten oder einer Bananenrepublik kennt. Brennende Autos, Straßenschlachten zwischen jugendlichen Randalierern und den Ordnungskräften. Die Schuld natürlich wird rundherum vergeben, jeder kennt Gründe und äußert diese.

Aber was treibt diese Jugend an? Zwanzig Jahre Gangsterrap scheinen nicht Ausdruck ihrer Kultur zu sein, oder doch?

Zeitzeugen berichten, dass es in den Sechzigern zahlreiche Talentshows gab, ein bekanntes Beispiel sind „The Monkeys“. Auch dort gab es eine gesellschaftliche Sackgasse, der Krieg der Generationen, der schlussendlich zur RAF führte, zu den Blumenkindern, zu neuen Werten wie antiautoritäre Erziehung. Heute sind diese Leute an den Schaltzentralen der Macht. „Pink Floyd“ tragen Anzüge und Aktenkoffer. Für jede neue Band gibt es ein Label, die Maximierung des Gewinnes wird zur Grundlage der Gesellschaft.

Natürlich auch in der Phantastik. Aus dem legendären – wenn auch zweifelhaften Dr.Morton – werden „Chroniken des Blutes“, ein müder Abklatsch. Es wird kopiert, variiert, doch selten findet sich etwas mit dem Charme erfrischendem Neuem. In der unheimlichen Literatur steht kein Horror im Mittelpunkt, nein, die dunklen Poeten reißen die Macht an sich.
Ähnlich in der SF. Immer schon ein Label für den Untergrund versuchen sich inzwischen die Intellektuellen an einem Genre, das sie in der Jugend faszinierte, das sie aber jetzt eigentlich anwidert, so bestehen sie zwar auf dem Etikett, wählen ihre Texte aber so, dass es eher ein Mainstreampublikum anspricht oder gar einem höheren Anspruch gerecht versucht zu werden. Wo bleibt die Provokation? Wo das Andersartige? Aus Vordenkern werden gleichmäßige Nacherzähler, die Korrektheit steht vor dem Punk. Aber was will diese Generation eigentlich?

Eine Generation ohne Visionen, ohne Hoffnung, ohne Sinn, zerstört und brandschatzt, oder flieht in die Welten eines Harry Potters. Doch wer zeigt ihr auf, wohin sie gehen kann, was auf sie wartet?

Die große Koalition kann das bestimmt nicht und die jetzigen oppositionellen Kräfte erscheinen dafür ebenfalls nicht geeignet. Aber vielleicht hat eine fehlende Leitfigur auch etwas gutes, schließlich zeigen Hitler, Stalin oder Konsorten ja, wohin falsche Ideologie hinführen kann.

Ich denke, wir befinden uns in einer spannenden Periode der Zeitgeschichte. Hoffentlich findet die Gesellschaft einen gangbaren Weg, der einen guten Kompromiss quer durch die Gesellschaft findet. Dann wird es auch wieder Visionäre geben, die ihre Bilder in Film, Musik und Literatur wiederfinden, in den Teilen der Gegenwartskultur, die uns Freude bereitet und die Seele entzückt.

Vielleicht gibt es das alles schon. In zehn Jahren, rückblickend gesehen, werden wir es erkennen. Ich kann es kaum erwarten.

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