Aqua
Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Aqua ist dabei vordergründig dem Fantasy Genre zugehörig, aber wer sie liest, wird sehen, es handelt sich um eine lupenreine Horrorgeschichte. Aqua selbst habe ich in sechs verschiedenen Geschichten mitspielen lassen. Die anderen Saramee Autoren haben die Figur allerdings nicht verwendet.
Das dumpfe Trommeln
übertönte jedes andere Geräusch. Rhythmisch, mal schneller zunehmend, bevor die
Schläge wieder länger und tiefer wurden, ähnlich einer Sekunde, die sich
urplötzlich immer weiter dehnt, ein kurzer Moment der Ewigkeit, bevor sie wie
im Nichts verrinnt.
Stille!
Dann setzte das
Trommeln erneut ein. Schneller als zuvor, fordernd, mit einer Wildheit, welche
die versammelte Menge in Ekstase versetzte. Körper schüttelten sich, warfen
jegliche bewusste Wahrnehmung ab, wurden eins mit der Musik, der Energie, einem
wilden, tief verwurzelten Instinkt folgend.
Die Luft knisterte
und jederzeit konnte die Stimmung umschlagen und die gesammelte Aggressivität,
ein Ventil suchend, explodieren.
Die Houndi waren
die Attraktion in Saramee, versetzten die Massen in Entzücken mit ihrer Mischung
aus Kunst, Intellekt und Gewalt. Seit Wochen musizierten sie, allerdings
außerhalb der Stadtmauern, da Arun Beran, Harus und Meister der Gelehrtengilde,
sie dazu verdonnert hatte, ihre Konzerte in die Einöde des Umlandes zu
verlegen. Sie wären ein Anziehungspunkt für den Sündenpfuhl der Stadt, aus
Berans Sicht die Gestaltwerdung des Bösen und da greifbar, eine willkommene
Zielscheibe, um den immer mehr um sich greifenden Verfall von Sitten und Moral
zu brandmarken.
Beran sollte vor
seiner eigenen Haustür kehren und seine gierigen Blicke von den jungen Mädels
lassen, deren Lehrer er zu sein vorgab.
Aqua schüttelte bei
diesem Gedanken automatisch den Kopf, während er den restlichen Körper im
Rhythmus der Houndi wiegte. Aber ihn interessierte die Verbannung der Houndi in
Wirklichkeit überhaupt nicht. Hier, außerhalb der Stadt, war es viel einfacher,
seinen dunklen Begierden zu folgen.
Er blickte über die
tanzende Menge, eingerahmt von Dschungel und Meer, sah die provisorischen
Stände der Wetahverkäufer. Diese Lichtung war ein Brennpunkt nächtlichen
Treibens und zog von Mal zu Mal mehr Besucher an.
Seine vierzehigen
Füße führten ein unheilvolles Eigenleben, tanzten, sprangen, ohne dass er ihnen
Einhalt gebieten konnte. So schlecht seine Ohren auch waren, die Phi-eigenen
Organe am Hinterkopf nahmen die Musik auf und brachten sein kühles Blut zum
Erhitzen. Er kannte eine unendliche Anzahl von Musikern, aber noch nie empfand
er etwas anderes als fades Interesse, nie ein solch intensives Gefühl wie bei
dem orgastischen Rhythmus der Houndi: Die gallertartige Masse, die anstelle
Knochen seinen Körper formte, sendete Wellen voll Glückseligkeit in seine
vorderen Hirnlappen. In der Mitte das riesige Feuer, das ein bizarres
Schauspiel über die versammelte Menge warf, umhüllt von den glänzenden, mit Öl
eingeriebenen Houndis, die sich ganz ihrer Musik hingaben, hatte dieser Abend
etwas Magisches, Einmaliges.
Aqua musterte die
unzähligen Gruppen, die sich berauscht von Wetah und Stärkerem der Symphonie
der Trommeln hingaben. Eine Gruppe Glisk, seltsam steif, bewegte sich ruckartig
in einer komplizierten Schrittfolge um ein imaginäres Zentrum. Dort die dunklen
und glänzenden Körper der hoch gewachsenen Okaner, deren Augen weit aufgerissen
von der süßen Frucht Yalmens in höhere Sphären blickten. Er hingegen kaute auf
einem Stück Yang-Knolle, was seinem Geldbeutel mehr entgegen kam.
Links neben sich
gewahrte er eine bleichgesichtige Gruppe ekstatisch tanzender Istader und er
wollte seinen von der Vielzahl an Sinneseindrücken trägen Blick gerade
weiterwandern lassen, da erblickte er sie und erstarrte mitten in der Bewegung.
Ihre Größe passte zu den in der tanzenden Istadern, doch das Gesicht war nicht
spitz, sondern weich, die blassen, grauen Pupillen ihrer Augen schwammen in
einer trüben Flüssigkeit. Als sie ihn anblickte, pochten die Säfte in seinem
Inneren. Die gallertartige Masse dehnte sich und zog sich zusammen, machte ihn
länger und kürzer, gleichzeitig versprühten seine Drüsen jene Düfte
rücksichtloser Lust, die vollständig von ihm Besitz ergriffen hatte. Er
stolperte, verlor die Magie der Musik für sich unendlich dehnende Sekunden,
fiel zu Boden, während sein Ich erbebte. Schnell erhob er sich, immer noch
unkoordiniert schwankend, dann stand er mit suchendem Blick und geriet an den
Rand der Panik.
Wo war sie?
Erleichtert fand er
ihre Konturen, ihren harmonischen Gang, fließende Bewegungen, eins mit dem
dumpfen Bumm-Bumm, das die Luft erfüllte. Im Gleichklang tanzte er durch die
Menge, wich aus, wo nötig, doch der Abstand verringerte sich nicht. Über die
Schulter warf sie ihm einen koketten Blick zu, ein spöttisches Lächeln auf den
Lippen.
Er beschleunigte
seine Schritte und folgte ihr noch, als sie den Weg in das Dickicht nahm. Die
Trommeln waren immer noch allgegenwärtig, doch nahm die Lautstärke ab, erst
unhörbar, doch je mehr ihn die grüne Wand in sich aufnahm, desto mehr geriet
die hypnotische Musik in den Hintergrund. Immer wieder verschwand die
Unbekannte hinter hohen Bäumen und wucherndem Gestrüpp, aber kaum wallte Panik
in ihm auf, eine urtümliche Verlustangst, blitzte ihr lieblich bleiches Gesicht
im vollen Schein Landras auf.
Aqua verlor immer
mehr die Orientierung, tauchte immer tiefer in das Hinterland ein, bis sich die
Umgebung schlagartig änderte. Vor ihm öffnete sich eine Lichtung, die in das
schwarz schimmernde Meer überging. Er war gar nicht ins Hinterland Saramees
vorgedrungen. Der Weg musste ihn hin und her, schlussendlich aber wieder zum
offenen Wasser geführt haben. Ganz zart fühlte er die Musik der Houndi in der
Luft, doch schien sie weit entfernt und seltsam dumpf.
Gerade noch sah er
das Mädchen wie ein Pfeil durch die Luft schnellen, dann durchbrach sie mit
einem leichten Platsch die Wasseroberfläche und verschwand in den Tiefen des
Ozeans.
Er zögerte, verlangsamte
seine Schritte bis zum Stillstand und blickte unschlüssig die Fluten an. Diese
Phi hatte lange unterdrückte Bedürfnisse geweckt. Leidenschaften
hervorbeschworen, die er längst vergessen glaubte. Wie lange war es her, dass
er jemanden seiner Rasse getroffen hatte? Und dann eine solche begehrenswerte
Phi …
Das Meer rief, die
Verlockung nach dem kühlen Nass und der lang verwehrten Vereinigung ließ ihn
rasch handeln. Er entledigte sich seines einteiligen Gewandes, sprang in die
Fluten, die herrlich kalt waren. Er tauchte, folgte dem inneren Kompass, der
ihn in Spiralen nach unten zog, dem Ziel seiner Begierde folgend.
Aqua tauchte in das
kühle Nass. Das trübe Wasser erschwerte die Sicht, aber schon nach wenigen
Zügen hatten sich seine Augen auf die veränderten Bedingungen eingestellt.
Während er das Wasser gefühlvoll in seine Kiemen einsog, durchlief ein kaltes
Kribbeln seinen Körper. Jetzt war er in seinem Element, schoss durch die
Fluten, mal in eine warme Strömung, mal in eine kältere. Weit vorn schwamm die
Phi, er verdoppelte die Anstrengung und stellte fluchend fest, dass er nicht
näher heran kam. Die Muskeln anspannend erhöhte er die Taktzahl, katapultierte
sich nach vorne, seiner Sehnsucht entgegen. Und tatsächlich, endlich
verringerte sich der Abstand.
Seine Erregung
wuchs.
Er beobachtete, wie
sie die Richtung änderte und nach unten abtauchte, er im Gleichklang hinterher.
Sie drehte Spiralen, er auch, ein unheimliches, fast lustvolles Ballett.
Ein unbeteiligter
Beobachter wäre entzückt, ein solches Schauspiel zu beobachten, durchfuhr es Aqua
unwillkürlich.
Immer schneller
durchdrangen sie das Wasser, immer wilder waren die Figuren die sie dabei
zeichneten, und immer knapper wurde der Abstand zu ihr.
Und urplötzlich war
sie verschwunden. Weg!
Für einen Moment
blieb Aqua ohne Orientierung, schwamm im Kreis, während Panik ob ihres
Verlustes Besitz von ihm ergriff.
Dann hörte er ein
rhythmisches Pochen, die Musik der Houndi war zurückgekehrt, hier unten, weit
weg von der Lichtung, wo alles begann.
Sein ganzer Körper
pulsierte im Takt, war gefangen vom Zauber der einfachen, aber köstlichen
Melodie. Ohne es zu merken, hatte er eine bestimmte Richtung eingeschlagen: Der
Musik entgegen.
Der Rest der Geschichte findet sich in den Publikationen In den Gassen von Saramee sowie dem E-Book Der Glanz der Durtone.
Hier die Geschichten mit Aqua:
- Guter Rhad ist teuer Autor: Michael Schmidt
- Schattenspiele (Saramee Band 5) Autor: Michael Schmidt
- Himmelsstürmer (Saramee Band 9) Autor: Michael Schmidt
- Aqua in In den Gassen von Saramee Autor: Michael Schmidt
- Das Mädchen Jolanda (Kurzgeschichte) Autor: Michael Schmidt
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