Paul Sanker (Interview)
Paul Sanker: Paul Sanker,
Jahrgang 1958, ist von Beruf Arzt für Neurochirurgie und Spezialist für
Wirbelsäulen-Operationen mit Niederlassung in Aachen. Er lebt derzeit in Köln,
ist glücklich verheiratet, hat 3 fabelhafte Kinder und ist bis jetzt schon
stolzer vierfacher Großvater.
Michael Schmidt: Und wer zum
Teufel ist Abel Inkun?
Paul Sanker: Nachdem ich 2008
begonnen hatte literarisch zu schreiben, hielt ich es für sinnvoll, neben
meinem eigenen Namen ein Pseudonym zu wählen, das ich für besonders düstere,
abgedrehte oder nicht jugendfreie Geschichten nutzen konnte, oder wenn ich mich
mal in einem für mich untypischen Genre versuchen wollte. Ich befürchtete, dass
einige Patienten, die die Storys mehr oder weniger zufällig lesen, von
bestimmten Themen oder Inhalten irritiert, wenn nicht sogar schockiert sein und
den Autor vielleicht nicht vom seriösen Onkel Doktor, der sie gesund machen
soll, trennen könnten. Der Name Abel
Inkun selbst entstand aus dem Wort „Inkunabel“. Das ist ein Fachbegriff aus der
Buchdruckkunst, den ich als Sammler und Liebhaber antiker Bücher gewählt habe.
Daneben nutze ich auch die Pseudonyme Bernie Wanker, Paula Sanker und Katharina
Sorgenfrei. Inzwischen denke ich nicht mehr so verkrampft und veröffentliche
immer häufiger unter Paul Sanker. Abel Inkun geht also nach und nach in Rente.
Michael Schmidt: in Zwielicht 3
bist du mit „Die Nacht im Schacht“ vertreten. Ein Pornodreh als Ausgangspunkt
für eine Horrorgeschichte. Wie kam es zu der Idee und sind deine Geschichten
immer schräg?
Paul Sanker: „Die Nacht im
Schacht“ habe ich vor 6 oder 7 Jahren geschrieben. Sie war gedacht für eine
Horror-Anthologie, die niemals erschien und für einen Kleinverlag, der nicht
mehr existiert. Mit dem Horror-Genre habe ich eigentlich gar nichts am Hut,
wollte aber trotzdem an der Ausschreibung teilnehmen. Was macht man also, wenn
man keine Ahnung von einem Thema hat und trotzdem mitmachen will? Man macht
sich lustig darüber, persifliert das Genre und veralbert alles, was anderen
heilig ist. Meine Frau vertritt die Ansicht, dass ich den Hang dazu habe, in
meinen Geschichten zu oft den Stinkefinger zu zeigen und deshalb würde mir auch
niemals ein Bestseller gelingen. Wahrscheinlich hat sie Recht, aber das ist mir
der Spaß allemal wert.
In der Tat könnte man viele meiner Geschichten
als schräg bezeichnen. Für manche Leser besitzen einige möglicherweise sogar
Fremdschäm-Potential. Dazu vielleicht eine lustige Anekdote: Vor einiger Zeit
suchte Michael Iwoleit, ein ehrwürdiger Kurd Laßwitz Preisträger, im
Geschichtenweber-Forum nach Autoren, die ihm Storys für sein SciFi-Magazin Nova
schicken sollten. In meiner Arglosigkeit bot ich ihm „Der Kampf“ an, eine
trashige Weltraum-Detektiv-Story mit viel prolligem Humor, Sex und Gewalt,
angelehnt an die Marvel Comics. Vollkommen empört schickte mir Iwoleit eine
Mail, in der er es sich verbat, dass ich ihm jemals wieder eine Geschichte
schicke. Keine Woche später nahm Michael Haitel die Story unter meinem
Pseudonym Bernie Wanker in seine Andromeda Nachrichten 243 auf. Er war absolut
begeistert und verlangte mehr von dem Stoff, woraufhin ich „Dolly Honest und
die geraubten Gehirne“ für die Andromeda Nachrichten 244 nachschob.
Michael Schmidt: Wir sind uns
bisher zweimal literarisch begegnet. Du bist mit der Geschichte „Die
Chaos-Theorie“ in
Ab18! vertreten. Worum
geht es in der Geschichte? Ich musste irgendwie an Rodriguez und Tarantino
denken…
Paul Sanker: Es ist für mich ein
tolles Kompliment, wenn mehrere Kritiker meine Hommage an Quentin Tarantino in
einigen Geschichten erkennen. Übrigens habe ich auch in „Die Nacht im Schacht“
versucht, die Dialoge Tarantino-mäßig aufzubauen. Für mich war der Film „Pulp
Fiction“ ein einzigartiges Filmerlebnis. Diese Ironie, ausgerechnet den
schmierigen Disco-Tänzer Travolta in die Rolle des Killers Vincent Vega zu
stellen, war einfach genial. Tarantinos Humor ist so schwarz, dass er damit
schon wieder das andere Ende der Farbskala erreicht. Er schafft durch seine
trashigen Übersteigerungen eine Tiefe, aus der wieder eine neue Wahrheit
aufsteigt. Wie sonst kann man es sich erklären, dass man einen Killer wie
Vincent Vega sympathisch findet?
Ich habe es außerordentlich bedauert, als ihn
Bruce Willis auf dem Klo sitzend erschoss. Ähnlich erging es mir mit „Django
unchained“. Don Johnson in der Nebenrolle als rassistischer Plantagenbesitzer… Unübertroffen!
Aber: Darf man so eine Figur im Film oder im Buch mögen? Ja, man darf es, unter
einer Voraussetzung: Man muss akzeptieren, dass JEDER Mensch seine Abgründe hat
neben seinen positiven Seiten. Wenn diese Abgründe akzeptiert werden und man
behält sie genau im Auge, dann lässt es sich gut damit leben.
Und so schließt
sich der Kreis wieder zur „Chaos-Theorie“. Es geht um zwei Ganoven, die eine
Bank ausgeraubt haben und auf ihrer Flucht vor der Polizei in einer Bar landen,
wo sie ein Blutbad anrichten. Nur ein junger Mann, ein Wissenschaftsjournalist,
bleibt verschont. Es entsteht eine Vater-Sohn-Beziehung zwischen einem der
Gangster und dem jungen Mann. Der Killer erklärt in einer Art Monolog dem
Jüngeren, wie aus seiner Sicht die Welt tickt. Das Leben strebt zum Chaos und
nur derjenige gewinnt, der am wenigsten Rücksicht nimmt. Der junge Mann hört
genau zu, begleitet die Gangster auf ihrer weiteren Flucht, erschießt die
beiden am Ende und flieht mit dem Geld. Er hat seinem „Vater“ gut zugehört und
seine Lehren daraus gezogen. Und genau deshalb ist die Welt so wie sie eben
ist…
Michael Schmidt: Hast du ähnliche
Geschichten geschrieben bzw. hast du es vor?
Paul Sanker: Ich habe über die
Jahre eine Reihe abgründiger Geschichten geschrieben, wie z.B. Alles im Fluss, Mutterliebe oder vor
allem auch Kinderspiel in der
Anthologie Grenzerfahrungen aus dem
Geest-Verlag aus dem Jahr 2009. In der Story geht es um einen pädophilen
Kindergartenleiter, der von seiner Veranlagung nichts ahnt, in der Geschichte
auch keinem Kind etwas antut, dem Leser aber trotzdem Gänsehaut verschafft,
weil der Mann eine tickende Zeitbombe ist. Derartige Texte wird es von Zeit zu
Zeit immer wieder geben.
Michael Schmidt: Du hast auch die meisten Geschichten in Ab18! Lektoriert. Hast du Favoriten in dem Band?
Paul Sanker: Die Storys sind alle
gut, allerdings zu unterschiedlich, um sie miteinander wirklich vergleichen zu
können. Harald A. Weissens Türen
empfand ich äußerst intensiv, bedrückend und spannend mit alptraumhafter
Atmosphäre. Regina Schleheck mit Über sich hinaus wachsen hat mir
ebenfalls sehr gefallen. Bei ihr liebe ich das ausgesprochene Sprachgefühl, das
sie beherrscht. Ich bin ein Fan von ihren Geschichten.
Michael Schmidt: Ich habe von
einem Buch gehört, da liefert der Vater Geschichten und die Tochter Bilder.
Erzähl uns doch mal davon!
Paul Sanker: Wer hat dir denn das
verraten? In der Tat ist es so, dass ich in den letzten zwei Jahren mit meiner
Tochter Antonia zusammen gearbeitet habe. Antonia hat Freie Malerei an der
Kunstakademie Düsseldorf bei Markus Lüpertz studiert und 2011 ihren Abschluss
gemacht. Danach war sie ein Jahr an der Ecole des beaux arts in Paris. Wer
Näheres wissen will, kann sich gerne ihre Homepage anschauen (www.antoniasanker.de). Es lag nahe, dass irgendwann die Idee entstand,
ihr großes und mein kleines Talent zu einem Gesamtwerk zusammenzuführen. Zu
Ehren meines ersten Enkelkindes Emma entstand im Sarturia Verlag 2013 das
Kinderbuch Emma, die kleine Stubenfliege,
zu der Antonia wundervolle bunte Illustrationen schuf. In der Geschichtenweber-Anthologie
Was geschah im Hotel-California
finden sich ebenfalls ihre Bilder und 2 von meinen Geschichten. Antonia war von
den Ergebnissen so begeistert, dass sie selbst die Idee zu einem 2.Kinderbuch
lieferte, zu dem ich die Story basteln durfte. Natürlich ist diesmal Anna, der
Name meiner 2.Enkelin, die wichtigste Protagonistin. Es handelt sich um ein
SciFi-Märchen.
Michael Schmidt: Wann wird das
Buch erscheinen?
Paul Sanker: Das Manuskript und
die Bildvorlagen liegen beim p.machinery Verlag. Ich hoffe, dass es noch vor
Weihnachten erscheinen wird. Allerdings weiß ich, dass sich Michael Haitel
derzeit vor Arbeit kaum retten kann, darum kann es auch noch etwas länger
dauern. Hauptsache ist, dass am Ende das Ergebnis stimmt.
Michael Schmidt: Welche Werke
gibt es sonst von dir zu bestaunen? Gib uns doch mal ein paar Highlights!
Paul Sanker: 2012 erschien mein
Krimi Brutus und der Rotlicht-Kolibri
im Sarturia-Verlag. Der Protagonist ist der Kölner Rechtsmediziner Brutus
Schmitz, der wegen seines trockenen Humors auch kurz Brut genannt wird. Aufgrund eines dubiosen Todesfalles, der auf
seinem Sektionstisch landet, ermittelt er auf eigener Faust im Penner- und
Rotlicht-Milieu. Brutus ist ein typischer Antiheld, unbequem, kantig, impulsiv,
unsensibel und er trinkt zuviel. Also eine Figur, wie ich sie liebe.
Besonders am Herzen liegt mir
aber mein erster SciFi-Roman, den ich 2011 voreilig vom erstbesten Verlag habe
veröffentlichen lassen. Ich bin Michael Haitel von p.machinery dankbar, dass er
ihn komplett überarbeitet unter dem neuen Titel Yolo herausbringen will. Der Autor ist Bernie Wanker, der Name
verrät schon manches über Stil und Sprache des Buches. Ich hoffe, dass das Ding
dieses Jahr noch erscheint.
Michael Schmidt: Du bist auch
schon als Herausgeber in Erscheinung getreten. Welche Bücher waren das und
wirst du das auch in Zukunft nochmal machen?
Paul Sanker: Ich hatte in der
Vergangenheit mit verschiedenen Kleinverlagen zusammen gearbeitet, von denen
manche längst nicht mehr existieren. Es ist dort oft so, dass die Verleger
alles alleine machen müssen, angefangen von der Auswahl der Geschichten für
eine Anthologie, übers Autoren-Coaching, Lektorat, Korrektorat, Buchsatz etc.
Wenn die dann auf einen Autor stoßen, der einigermaßen klare Sätze formulieren
kann, dann wird der aus der Überforderung heraus schnell zum Herausgeber
befördert. Und der dumme, unerfahrene Autor fühlt sich gebauchpinselt und
willigt ein. So ist es mir bislang drei Mal ergangen und habe es jedes Mal
bereut. Meine erste Heldentat in der Art war 2010 die Anthologie Verborgene Rituale im Pia Bächtold
Verlag, der inzwischen im Staub des Vergessens versunken ist. Dann kam 2011 Chaos-Frauen und Macho-Männer im
Noel-Verlag. Die humoristischen Storys sind durchaus gut, ebenso wie ihre
Autoren. Zuletzt erschien 2014 die SciFi-Anthologie Corona Borealis im Sarturia Verlag. Da drin finden sich
hervorragende Geschichten von handverlesenen Autoren, auf die ich durchaus
stolz bin. Eigentlich musste aber Dieter König die Hauptarbeit leisten, weil
ich mit vielem überfordert war. Dass er mich trotzdem als Herausgeber aufgeführt hat, ist seiner außerordentlichen
Güte und Großzügigkeit zuzuschreiben.
Denn Herausgeber zu sein ist
äußerst zeitaufwendig und hindert einen daran, selbst kreativ zu schreiben.
Außerdem fehlen mir für einen Herausgeber grundlegene Eigenschaften wie
PC-Kenntnisse, Fleiß und Akribie. Und wenn die Verkaufszahlen nicht stimmen,
kriegst du das am Ende mehr oder weniger charmant unter die Nase gerieben.
Deshalb kann ich mir derzeit nicht vorstellen, mich nochmal derart aufs
Glatteis zu begeben. Es sei denn, der Verlag hätte gute Argumente.
Michael Schmidt: Woran arbeitest
du gerade?
Paul Sanker: Ich bin gebeten
worden, einen weiteren Brutus Schmitz Krimi zu schreiben. Diesmal soll ein
echter Köln-Krimi entstehen. Das erfordert u.a. sehr viel Stadt-Recherche.
Michael Schmidt: Noch ein Wort an
die Meute dort draußen!
Paul Sanker: Lasst euch von niemandem vorschreiben, wie ihr
denken und was ihr fühlen sollt. Glaubt nicht alles was euch die Medien,
Politiker und nichtsahnende Gutmenschen weismachen wollen. Schwimmt gegen den
Strom, wenn es sein muss… Wenn ihr euch hinterher noch ohne zu kotzen im
Spiegel betrachten könnt, habt ihr alles richtig gemacht.
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