Woran es der Kurzgeschichtenszene mangelt!
Literarische Werke oder gar
phantastische Werke im Allgemeinen sorgen in ihrer Bewertung immer wieder für Kontroversen.
Mag der eine Herr der Ringe, ist
dem anderen das Buch zu langweilig und zäh. Liebt der eine Star Wars, ist es
für den anderen was für 45jährige, die auf der Stufe eines Zwölfjährigen stehen
geblieben sind.
Durchforstet ein Filmforum, da
seht ihr, Meinungen arten oft genug zu einem Glaubenskrieg aus. Bei Büchern ist
das nicht viel anders. Für den einen geht nur Hard-SF, der zweite liest nur Military
und unter Zykluslänge geht es sowieso nicht.
Und schließlich steuert Perry
Rhodan stramm auf die 3000er Grenze zu, was zählt da schon eine Kurzgeschichte.
So mickrig, so schnell vorbei und am Ende hat man das Gefühl, das war es?
Wer jetzt auf Grund dieser
Einleitung denkt, die Kurzgeschichte ist eine aussterbende Gattung, dem schrei
ich entgegen: WEIT GEFEHLT!
Der Vincent Preis listete 2015
364 Kurzgeschichten auf und in vergangenen Jahren waren es auch mal über 600. Das
sind nur die erfassten Geschichten des Genre Horror und Unheimliche Phantastik.
Dazu kommen noch Science Fiction, Fantasy plus all die, die gar nicht erfasst
wurden, weil sie entweder unter dem Radar liefen oder es sich um reine
Onlineveröffentlichungen handelt. Michael K. Iwoleit sprach auf Facebook von
150 SF Kurzgeschichten, die er für das SF Jahr 2016 bei Golkonda liest und
echauffierte sich über die mangelnde Qualität.
Qualität von literarischen Werken
ist im Prinzip nicht messbar. Man kann natürlich Kriterien zu Grunde liegen um
eine Geschichte zu bewerten (Stil, Spannungsaufbau, Eigenständigkeit, Figuren,
Form, etc.), aber die Bewertung ist am Ende doch immer subjektiv. Ein
Bewertungskriterium hat sich als maßgebend gezeigt, das ist das Leserfeedback. Dabei
gibt es unterschiedliche Arten von Leser. Der Profileser (z.B. der Herausgeber,
Lektor oder Rezensent), der unbedarfte Leser und natürlich auch die „stumme
Masse“ der Leser.
Um auf den Ausgangspunkt
zurückzukommen, der Kurzgeschichtenszene mangelt es sicherlich nicht an Masse.
Aber von der Masse der Kurzgeschichten zur herausragenden oder die Masse
begeisternden Kurzgeschichte ist es noch ein weiter Weg und auf dem Weg
begegnet die Geschichte verschiedenen Arten von Lesern, denen ich mich jetzt
widmen möchte.
Erster Leser ist der Verfasser
selbst. Er schreibt seine Geschichte nicht nur, sondern muss auch versuchen,
sie aus einer kritischen Sicht zu lesen und ihr die ideale Form zu geben. Das
gelingt mal besser, mal schlechter und gehört zum Lernprozess des Schreibers.
Selbstverständlich ist da oberstes Gebot, die Geschichte eine Zeit ruhen zu
lassen und mit etwas Abstand erneut zu lesen, um sie zu verbessern.
Idealerweise findet sich danach
ein (oder mehrere) unbeteiligter Testleser, der weiteres Feedback geben und
entsprechend für eine Verbesserung der Geschichte sorgen kann. Dabei ist gerade im
fortgeschrittenen Stadium wichtig die passenden Testleser zu bekommen, da wie
oben schon erwähnt, sind Erwartungen an ein phantastisches Werk unterschiedlich
und letztendlich muss jeder sein eigenes Werk schreiben und auch seine eigene
Richtung samt Stil verfolgen.
Ist dies alles abgeschlossen, hat
die Geschichte ihre erste Hürde genommen. Sie kann verteilt werden. Jetzt
besteht die Möglichkeit sie selbst zu veröffentlichen, besser ist es aber,
weitere Meinungen einzuholen und damit die Qualität der Geschichte zu
verifizieren.
Klassisch übernimmt dies der
Herausgeber, in manchen Fällen auch gleichzeitig der Verleger. Herausgeber sind
auch nur Menschen und folgen, siehe dem Anfang dieser Kolumne, ihrem Geschmack,
ihrer Erwartungshaltung oder ganz einfach der Zielgruppe, für die das
potenzielle Buch gemacht ist.
Die Auswahl des
Herausgebers/Verlages ist die erste wichtige Entscheidung. Steht man am Anfang
seiner Autorenkarriere, sind die Kriterien da anders als wenn man schon weiter
fortgeschritten ist.
Umgekehrt obliegt es dem
Herausgeber einer Anthologie, eines Magazins oder einer Geschichtensammlung,
gutes vom schlechten zu trennen und zu entscheiden, was er seiner Leserschaft
zumutet.
Sieht man die schiere Masse an
Büchern, die jedes Jahr mit Kurzgeschichten gefüllt werden, scheint dieser
Filter nur bedingt zu funktionieren, was diverse Leseerlebnisse unterstreichen.
Manche Bücher erscheinen in ihrer Vollständigkeit überflüssig, bei anderen
zumindest kleinere oder größere Teile. Der Kurzgeschichtenszene mangelt es mit
Sicherheit an kritischen Herausgebern, die entweder einigen Geschichten den
Zugang zu einem solchen Buch verwehren, oder ihnen entsprechend eine (oder
mehrere) Überarbeitungen zukommen lassen, bevor diese das Licht der
Literaturwelt erblicken.
Ist das Buch auf dem Markt, kommt
der nächste Leser, nämlich der Rezensent. Er, der Fachleser oder Profileser,
sollte belesen sein und eine sichere Beurteilungsfähigkeit sein eigen nennen.
Er kritisiert das Buch und durch seine kritische Rückmeldung können Autoren und
auch Herausgeber und Verleger ihre Veröffentlichungspraxis hinterfragen und
sich verbessern.
Leider zeigt die
Kurzgeschichtenszene im Gegensatz zur Publikationsvielfalt hier doch eindeutig
einen Mangel. Viele so genannte Rezensionen scheinen Gefälligkeitsrezensionen
zu sein und dienen rein zum Marketing. Eine kritische Rezensionsszene existiert
in der deutschen Phantastik schlicht nicht und kritische Rezensionen sind sogar
nicht erwünscht, daran kann kein Zweifel bestehen wenn man die Mehrzahl der
Meinungsäußerungen analysiert.
Andererseits gibt es auch eine
kleine Menge an Neidrezensionen, die nicht gegen die Geschichte, dafür aber
gegen den Verfasser gerichtet sind und es ebenso erschweren, sich als Autor,
aber auch als Herausgeber und Leser eine Meinung zu bilden.
Fassen wir bisher zusammen. Es
gibt zu viele Geschichten, die durch zu viele Publikationsmöglichkeiten auf
potenziell zu wenig Leser losgelassen werden und eine Qualitätsauswahl ist
nicht gegeben, sodass neben sehr bemerkenswert guten Geschichten auch bemerkenswert
schlechte Geschichten veröffentlicht werden, im Zweifel gar in einem einzigen
Buch vereint.
Ein weiterer Leser ist das
kritische Fachpublikum. Es gibt eine ganze Reihe an Literaturpreisen wie
Vincent Preis, Kurd Laßwitz Preis, Deutscher Phantastik Preis und Deutscher
Science Fiction Preis, bei denen die besten Kurzgeschichten ihres Genres zur
Wahl stehen. Natürlich kann man auch hier von Geschmack und Erwartung sprechen und
wird niemals eine Nominierungsliste und letztendlich die Siegergeschichte
finden, ohne das es am Ende unterschiedliche Meinungen gibt. Aber bei der
Vielzahl an nominierten Geschichten bei diesen Preisen finden sich meines
Erachtens eine ganze Menge, die weder besonders noch herausragend sind und
leider eher eine Sympathiebekundung sind statt eine niveauvolle
Leserückmeldung, die sie eigentlich sein sollten.
Auch die Qualität der
Nominierungen für einen solchen Literaturpreis sind leider nicht überzeugend.
Ob eine Geschichte, die für einen solchen Preis nominiert wurde, gut oder
schlecht ist, erscheint mir eher willkürlich und bieten weder für Autoren, noch
für Herausgeber und Leser eine sichere Entscheidungsgrundlage und sind als
Rückmeldung mit Vorsicht zu genießen.
Auf Grund der Vielzahl an
Publikationen, aber auch auf Grund der geringen Auflagen gepaart mit geringer
Verbreitung der Bücher, sind die Anzahl der Leserrückmeldungen relativ dürftig
in der Regel. Wichtig ist es dabei für den Autoren, den „Leser“ genauer unter
die Lupe zu nehmen, um beurteilen zu können, ob das Nichtgefallen durchaus
verständlich ist, also die Geschichte einfach nur den falschen Leser erreicht
hat, oder ob die Geschichte selbst einfach nicht die Qualität hat, die sie
haben sollte.
Aus meiner Sicht herrscht in
allen Bereichen ein Mangel und Verbesserungen wären angeraten, gerade unter der
Prämisse, dass es Kurzgeschichten gegen Serien und Zyklen schwerer haben. Vorhanden
ist in der Spitze genügend Qualität, je nach Jahrgang und Geschmack natürlich
differierend, im der Breite aber zu viel Belangloses vorhanden.
Woran natürlich jeder selbst
arbeiten kann und muss: Der gemeine Autor muss selbstkritisch sein und es hilft
immer, sich mit Werken der Kollegen auseinanderzusetzen, da der Lernprozess für
das eigene Gewerk enorm sein kann. Aber der gemeine Autor muss auch seinen
eigenen Weg gehen und sich konsequent in seinem Bereich verbessern. Eine
Zwiespalt, der oft genug leichter klingt, als er in Wirklichkeit ist.
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