Wolf Wellling (Interview)
Michael Schmidt: Hallo Herr Welling! Stellen Sie sich doch mal kurz vor!
Wolf Welling: Jahrgang 1943. Verheiratet, 2 Töchter, 4 Enkel. Studium der
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Bis zum Jahre 2008 Professor an einer
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, seither als Lehrbeauftragter tätig
für die Universität Kassel im Studiengang Master of Public Administration.
Ehrenämter im Kulturbereich.
Michael Schmidt: Sie heißen in Wirklichkeit Wolfgang
Pippke.
Warum ein Pseudonym?
Wolf Welling: Dieses Pseudonym, das sich an H. G. Wells anlehnt, habe ich
bereits als Jugendlicher für Short Storys in Fanzines benutzt. So ist es eine
Reminiszenz an meine persönliche Biografie, dieses Pseudonym erneut einzusetzen,
auch um mich von meinen zahlreichen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen
abzusetzen.
Michael Schmidt: Im Vorwort schreiben Sie, dass ihre ersten Geschichten
in Space Times erschienen sind. Was
ist Space Times und inwieweit unterscheiden sich die Magazine dieser Zeit zu
der von heute?
Wolf Welling: Space Times war
ein Fanzine, das ich zusammen mit Jürgen Molthof mit der SF-Gruppe
Düsseldorf/Duisburg herausgegeben habe. Es wurde mit dem frühen Tod von Jürgen
eingestellt. Damals haben viele SF-Gruppen Fanzines herausgegeben. Die Inhalte
waren meist kurze Buchbesprechungen, Nachrichten aus dem Fandom, Storys, das
übliche halt. Die Texte wurden mühselig mit einer Schreibmaschine auf Matrizen
getippt und mit einer Abzugsmaschine kurbelnd vervielfältigt und versendet.
Michael Schmidt: Zwischenzonen
heißt der Kurzgeschichtenband, der bei p.machinery erschienen ist. Wie kam es
zu der Verlagswahl?
Wolf Welling: Es war mir schon klar, dass Kurzgeschichtensammlungen
schwierig abzusetzen sind. Ich hatte eigentlich nur zwei Verlage kontaktiert,
Michael Haitel, der p.machinery herausgibt, war aber gleich sehr interessiert,
und er hat sich für die Veröffentlichung sehr engagiert und alle Zusagen
eingehalten.
Michael Schmidt: Was erwartet den Leser in Zwischenzonen?
Wolf Welling: Geschichten mit philosophischem Hintergrund.
Auseinandersetzungen mit Schicksal und Zufall, Schuld und Sühne, Sterben und
Tod. Es geht in einigen Erzählungen um die kritische Auseinandersetzung mit
Menschheitsträumen wie Sehr-alt-werden, ewiges Leben als digitale
Speichereinheit und um Erkundungsgefahren in fremden Welten.
Michael Schmidt: Zwischenzonen
behandelt ja auch philosophische Fragen bzw. thematisiert auch das Leben nach
dem Tod bzw. den Tod selbst. Das sind ja keine typischen SF Themen. Wie kam es
dazu?
Wolf Welling: Der Tod gehört nun einmal unvermeidbar zum Leben, was
häufig verdrängt wird. Ich habe mehrfach gehört, meine Erzählungen seien recht
düster. Das ist richtig. Dass ich auch anders schreiben kann, zeigt sich zum
Beispiel in der eher leichten und ironischen Geschichte "Die Akte
PKD", die in Exodus 31 erscheint. Im Herbst 2013 habe ich ein Kinderbuch
mit dem Titel "Die Abenteuer mit dem kleinen Krokofanten", das von
der Künstlerin Sandra del Pilar illustriert wurde, veröffentlicht, das alles
andere als düster ist. Ich habe die Storys in Zwischenzonen nicht chronologisch, also nach dem Zeitpunkt des
Erscheinens, geordnet, sondern nach ihrer Nähe zum Tod. Insofern ist dieser
Aspekt schon zentral für die Geschichtensammlung.
Michael Schmidt: Welche Themen der SF interessieren Sie besonders?
Wolf Welling: Ich möchte die Frage eher so beantworten, was mich nicht
interessiert. Ich lese keine Fantasy, ich mag keine kriegerische SF, und ich
ärgere mich über schlecht geschriebene Romane und Kurzgeschichten. Die SF
sollte die Chance ergreifen, unsere Zukunft als völlig offene und komplexe
Pfade zu begreifen, damit öffnet sie Möglichkeiten des Erstaunens, der
Verblüffung und der Befremdung. Sie sollte aber, und das ist der Unterschied
zur Fantasy, immer eine Plausibilität beibehalten, auch wenn sie Bereiche der
Mystik betritt.
Michael Schmidt: Und welche Themen sehen Sie in der SF als
unterrepräsentiert an?
Wolf Welling: Wenn man mal voraussetzt, dass es keine Überschreitung der
Lichtgeschwindigkeit gibt und Raumschiffe in Schwarzen Löchern nur zerbröselt
werden, dann liegt die Zukunft der Menschen eher im inner space, das sollte verstärkt in den Fokus rücken. Die
Neurowissenschaften lehren uns ja, dass wir unsere Realität über Wahrnehmung,
Selektion, Interpretation und Wertung konstruieren. Hätten wir andere
Sinnesorgane, hätten wir eine andere Wirklichkeit. Diese Aspekte könnte in der
SF stärker thematisiert werden.
Michael Schmidt: Sie schreiben Kurzgeschichten. Die Mehrheit liest
mehrbändige Zyklen. Warum sollten die Leser auf Kurzgeschichten zurückgreifen?
Und hätten Sie ein paar Empfehlungen an die Leute dort draußen?
Wolf Welling: Kurze Literaturformen, wie auch Gedichte, haben es
heutzutage schwer. Vielleicht kommt die Kurzgeschichte, die mit ihrer hohen
Verdichtung, ihrer Konzentration auf punktuelle Ausschnitte zwischen Roman und
Gedicht angesiedelt ist, wieder zu neuen Ehren. So ist es ja bemerkenswert,
dass die Nobelpreisträgerin für Literatur im Jahre 2013, Alice Munro, den Preis
für ihre Short Storys erhalten hat.
Kurzgeschichten stellen hohe Anforderungen an die Fantasie des Lesers,
das Vorstellungsvermögen wird stärker gefordert. So ist es sehr verdienstvoll
von Magazinen wie Exodus, Nova und
anderen, dass sie sich dieser Literaturform mit Ausdauer widmen.
Michael Schmidt: Aus welchem Bereich der SF kommen Sie bzw. welche
Autoren faszinieren sie besonders?
Wolf Welling: Na ja, das sind in erster Linie die aus früheren Zeiten,
also Stanislaw Lem, die Brüder Strugatzki, Brian W. Aldiss, J. G. Ballard, Philip
K. Dick und ähnliche.
Michael Schmidt: Wie sieht es mit deutschsprachiger SF aus?
Wolf Welling: Da gefallen mir die Bücher von Andreas Eschbach besonders.
Michael Schmidt: Wo steht die SF heute und wo geht sie hin? Und welchen
Raum darin wird die deutschsprachige SF einnehmen?
Wolf Welling: Eigentlich lese ich nicht viel SF, eher Romane mit einem
fantastischen Einschlag. Ich meine zu beobachten, dass sich die SF inhaltlich
und stilistisch immer weiter vom Mainstream der Romanliteratur entfernt.
Umgekehrt greifen immer mehr Autoren des Mainstream auf SF-Elemente zurück. Da
mein Leseumfang der SF nur begrenzt ist, kann ich nicht beurteilen, wie sich
die deutsche SF entwickeln wird. Ich hoffe, sie wird ihren eigenen Stil finden.
Michael Schmidt: Ihre Geschichten wurden schon für den KLP nominiert. Was
bedeutet Ihnen eine solche Auszeichnung?
Wolf Welling: Nun, zunächst einmal sind diese Nominierungen eine
Bestätigung, nicht völlig untalentiert zu sein. Aber natürlich tut eine solche
Anerkennung auch gut, weil sie ihre Dopamin-Wirkung im Belohnungssystem des
Gehirns hat.
Michael Schmidt: Zwischenzonen
ist ein eher schmales Bändchen. Gibt es noch mehr Geschichten aus Ihrer Feder?
Wolf Welling: Wenige. Da ich beruflich immer noch engagiert bin, bleibt
mir zum Schreiben von SF-Geschichten eigentlich wenig Zeit. Ich brauche Ideen
und eine Ausreifezeit für diese Ideen.
Michael Schmidt: Und was ist für die Zukunft alles geplant?
Wolf Welling: Zurzeit, also zu Beginn des Jahres 2014, versuche ich mich
an einem Roman. Ich will das Schreiben weiterhin als Hobby betreiben,
schließlich muss ich nicht davon leben.
Michael Schmidt: Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft hätten?
Wolf Welling: Noch viele Jahre gesund und klar im Kopf bleiben, und wie
bisher noch viel mit meiner Frau gemeinsam reisen können.
Als Wolf-Welling-Fan freue ich mich über dieses Interview! Sehr interessant.
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