Der Nächste
Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Der Nächste ist eine satirische Geschichte, die im Mai 2011 in Geschichten der Dekadenz erschienen ist. Vorher sah sie auf der Leselupe das Licht der Welt, ich weiß aber beim besten Willen nicht mehr, wann das genau war. Der Nächste ist weder jugendfrei noch richtet sie sich an den Verband deutscher Hausfrauen oder benachteiligter Lyriker. Sie ist sinnfrei direkt, nichts für Warmduscher und Schattenparker und basiert auf dem Lied "Der Nächste" der holländischen Combo Bots. Und gibt dem Begriff Natomatratze neue Nahrung. Der Song ist eigentlich von der schottischen Band The Sensational Alex Harvey Band. Hört also Next und dann lest selbst, wenn ihr euch denn traut.
“Der Nächste”, grölte der Leutnant im
Suff.
Die Luft war geschwängert vom Dunst der
betrunkenen Soldaten. Lallend schrieen sie durcheinander, jeder bemüht, den
anderen an Niveaulosigkeit zu übertreffen.
Mir war schlecht. Unmengen Bier, Unmengen
Schnaps, das flaue Gefühl in meinem Magen wich langsam der zunehmenden
Übelkeit.
Der zweckentfremdete Mannschaftsbus
wankte, als der Nächste ihn erstieg. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis
er auch aus anderem Grunde auf und ab wippte.
Ablösung alle Viertelstunde, wer länger
brauchte, wurde rigoros herunter gezerrt. Es waren Einige, die mit heruntergelassener
Hose den Wagen verließen. Stark schwankend oder kopfüber, je nach Temperament
des Nachfolgenden.
“Der Nächste.”
Grölend winden sie sich am Boden, teils
triumphierend ihre Männlichkeit halten, einer versprühte seinen Lebenssaft
unter dem Gelächter der grölenden Menge.
Ich erschauerte. Auf was hatte ich mich da
eingelassen. Der Rausch verflog langsam.
Angeordnetes Kompaniebesäufnis. Mein
zweiter Monat bei Y-Reisen. Ich war begeistert, mein Durst dementsprechend. Die
Welt versank in rosafarbenen Tönen. Die Realität entfernte sich, im Gleichen
Maße stieg meine Geilheit.
“Der Nächste.”
Die immerwährende Kälte verlor sich. Der
Frust des Wehrdienstes verblasste, die Erregung stieg. Das sinnlose Geprahle
brachte die Hormone in Wallung. Hefte machten die Runde, ein kleiner Film brach
die letzten Dämme.
Bier floss in rauer Menge. Die Idee
kristallisierte sich wie von selbst. Der mobile Puff. Der Spieß wusste Abhilfe,
ein dralle Blonde, ohne jegliche Hemmungen.
Begeistert johlten wir, der Vorschlag
wurde mit einer Runde Kirschlikör angenommen. Das Eintreffen der Dame mit drei
Runden Obstler gefeiert.
“Der Nächste.”
Die Ersten prügelten sich, so uneins waren
sie sich über die Reihenfolge. Der Ranghöchste begann. Wie sollte es auch
anders sein.
“Fünfzehn Minuten, nicht länger”, schrie
der Leutnant nach Erledigung seines Geschäftes.
Zustimmendes Gejohle. Der Nächste bestieg
den Mannschaftsbus mit heruntergelassener Hose. Auf Zeitgewinn hoffend.
“Spritz ab und komm runter. Ich halt’s
nicht mehr aus.”
Die Sprüche wurden immer derber. Und das
konsumierte Bier immer mehr. Der Spruch von der Bundeswehrmatratze machte die
Runde.
Der Erste legte selbst Hand an und war zu
schnell. Der Leutnant schmiss ihn unter dem Geschrei der Menge aus der
Schlange.
“Du hast deinen Spaß schon gehabt.”
Sein Abgang wurde ein Spießrutenlauf, die
gebrüllten Witze ließen sein bisher bleiches Antlitz erröten. Ich empfand einen
Hauch von Mitleid, doch damit stand ich alleine da.
“Der Nächste.”
Wie ein Schlag mit dem Hammer ertönte die
Anweisung des Leutnants. Der Zug kam kurz in Bewegung und stockte, bis wieder
einer sein Geschäft erledigt hatte. Nur noch kurz, und ich würde an der Reihe
sein. Meinen Duft abgeben, wo schon Dutzende vor mir gewesen waren. Ein Schauer
durchfuhr mich. Ein Bier auf Ex. Und ein Korn hinterher. Doch das flaue Gefühl
blieb.
“Der Nächste.”
Immer. Und immer wieder. Kurze Bewegung im
Zug. Das Lachen besoffener Männer, wenn wieder jemand mit halb geöffneter Hose
den Bus verließ. Weglaufend, erst in diesem Moment begreifend, das Gehirn
wieder im halbwegs normalen Modus arbeitend. Das Gesicht vor Ekel verzerrt.
Oder irre lachend, den Genuss noch im Antlitz stehen, hinten anstellend, mit
der Hoffnung auf Wiederholung.
“Der Nächste.”
Sprüche machten die Runde. Vom kleinen
Mann, vom Kümmerling. Die Standhaftigkeit gepriesen oder abgesprochen. Jeder
versuchte den Anderen zu übertreffen.
“Du spürst eh nichts. Da passt der Arm vom
Spieß rein, so geweitet ist es.”
“Bei deinem Würstchen vielleicht, da spürt
selbst eine Jungfrau nur ein sanftes Kitzeln. Du wirst sehen, schon beim
Anblick meines Prügels wird sie vor Begeisterung schreien.”
Lieder wurden geschmettert. Die Inhalte
der Situation angepasst. Die Luft knisterte immer mehr vor Erregung,
Anfeuererungsrufe erhitzten die Menge. War ich der Einzige, dessen Ernüchterung
einsetze? Ein weiteres Bier. Doch der bittere Geschmack des Ekels blieb.
“Der Nächste.”
Es war soweit. Ein Schubs, und ich knallte
gegen den Wagen. Mühsam versuchte ich hochzuklettern. Ich bekam Hilfe und
knallte schmerzhaft auf die Pritsche. Die obszönen Bemerkungen nahm ich nur am
Rande war.
“Beeile dich, sonst besorgen wir es dir.”
“Pass acht, dass du nicht das falsche Loch
erwischst.”
Ich war der Einzige, der nicht über diese
Witze lachte. Da lag sie, ausgebreitet auf der olivgrünen Matratze. Die
gewaltigen Brüste in ihren Händen, die Brustwarzen knetend, darunter den
wabbeligen und schlaffen Bauch. Die Beine angewinkelt und gespreizt. Ihre Zunge
kreiste, es sollte wohl erotisch wirken. In welchem Film befand ich mich hier
nur?
Ihre Grotte schimmerte feucht, der
ständige Abfluss meiner Vorgänger ließ mich würgen. Ich straffte mich, der
bittere Geschmack der Galle in meinem Mund. Vorwärts, sei ein Mann. Die Hose
auf, Klamotten runter. Halb entkleidet wälzte ich mich auf sie, innerlich vor
Abscheu erbebend.
Als ich in sie eindrang, nahm ich den
Geruch des billigen Parfüms, vermischt mit dem Schweiß und Alkoholdunst meiner
Vorgänger, war. Ihr pseudoerregter Blick tat ein Übriges. Ich verströmte in
sie, während mein Magen seine Zurückhaltung aufgab.
Die Bescherung war da. Ihre gespielte
Erregung verschwand und machte wildem, animalischen Hass Platz. Ein Teil meines
vom Alkohol vernebelten Gehirns verstand sie.
Der Leutnant packte mich am Schlafittchen
und zerrte mich vom Mannschaftsbus, unsanft, gepaart mit Tritten. Meine
Kameraden ergriffen die Gelegenheit, und ließen mich nicht unverschont. Der
Spießrutenlauf begann.
“Der Nächste”, war das Letzte was ich
wahrnahm, bevor die Lichter ausgingen.
Zwei Tage später erwachte ich. Den Körper
zerschlagen, den Geist zermürbt. Noch heute meide ich die Nähe der Frauen. Ekel
durchströmt mich bei der leisesten Annäherung.
Und des Nachts wenn ich schlafe, erklingt
die Stimme des Leutnants im Suff.
“Der Nächste.”
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