Karin Reddemann - Weh Mutterherz (Zwielicht 14)

 

Zwielicht 14 ist im Juni 2020 erschienen und steht zur Wahl beim Vincent Preis 2020.

Die Liste der Kurzgeschichten ist lang und gerade dort zählt jede Stimme. Karin Reddemanns Geschichten sind niemals von der Stange. Sie hat einen eigenen Stil und überraschen den Leser immer wieder. Karin Reddemanns „Weh Mutterherz“ stellt uns einen nicht mehr ganz jungen Mann vor, der wieder bei Muttern einzieht. Seine junge Geliebte ist die alte Schachtel so gar nicht recht. Die vollständige Story findet sich in Zwielicht 14:

Bengt-Jörn Schwenke war nach durchaus reiflicher Über-legung zu dem Entschluss gekommen, seine Mutter umzubringen. Eine andere Möglichkeit, sie loszuwerden, fiel ihm beim besten Willen nicht ein. Freiwillig schien sie das Feld nicht räumen zu wollen, dafür war sie trotz ihres hohen Alters schlichtweg zu gesund. Ein Seniorenheim kam nicht infrage. So was kostete ein Vermögen, Bengt-Jörn brauchte ihr Geld für eigene Zwecke. Für seine Mutter stand eh fest, dass sie „irgendwann einmal in einem hübschen Sarg“ aus ihrem eigenen Haus getragen würde. Irgendwann einmal! Tatsächlich schien sie mindestens hundert werden zu wollen. Das ging gar nicht. Also musste er sie ermorden.

Behaglich war ihm der Gedanke nur bedingt, schließlich handelte es sich um seine Mutter. Andererseits mochte er sie nicht mehr so sehr, seitdem er nach der Trennung von Anna wieder bei ihr eingezogen war. Zehn Jahre war das nun her, eine irritierend lange Zeitspanne, wie Bengt-Jörn befand, der nur sehr kurzfristig wieder sein altes Jugend-zimmer beziehen wollte. Anna hatte ihn kompromisslos aus ihrer Wohnung geworfen und als für sie „endgültig erledigt“ bezeichnet, absolut grundlos, wie er fand. Er hatte freilich auch nie das geringste Interesse verspürt, mögliche Gründe wissen zu wollen. Jetzt hatte er Corinna kennengelernt, und die benötigte einen Mann, der ihr etwas bieten konnte. Dieser Mann war er. Zumindest würde er es sein, wenn die Mutter weg wäre.

Bengt-Jörn stieß eher zufällig auf Todesfälle, die sich für eine kleine Recherche bezüglich seiner Gesamtsituation anboten. In der Zeitung berichteten sie über einen Studen-ten aus dem Ruhrgebiet, der seiner Mutter mit einer Hantel den Kopf eingeschlagen hatte. Dieser Akt unschöner Gewalt, für den Bengt-Jörn trotz eigener Mordintention kein rechtes Verständnis aufbringen konnte, war auf eine gewisse Habgier zurückzuführen, - die Mutter hatte jede Menge Geld - , als auch auf ein bedenkliches Schamgefühl des Täters. Der hatte aufgrund depressiver Tendenzen und wohl auch aus diskret verschwiegener Faulheit sein Studium geschmissen und sich nicht getraut, das Zuhause zu erzählen. Also ...

Nichts also! Solch ein kaltschnäuziger Mord als Konsequenz in solch einem banalen Kontext missfiel Bengt-Jörn. Das mit dem abgebrochenen Studium als Motiv fand er lächer-lich. Deshalb würde er nie, da hätte er ja schon vor dreißig Jahren … Geld passte eher. So was ergab Sinn und konn-te als Rechtfertigung dienen.

Er würde seiner Mutter dafür aber auf gar keinen Fall den Schädel zertrümmern. Nicht sein Ding. Auch kein Ab-schlachten. Da hatte einer aus Bayern sage und schreibe achtundachtzig mal auf seine Mutter eingestochen, - sechszehn von den Stichen wären für sich allein schon tödlich gewesen - , und hinterher erklärt, sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt zu haben bei dem ganzen Gemet-zel. Unter Kontrolle. Bengt-Jörn stellte sich vor, wo der Kerl überall mit seinem Messer herum gestochert und gewetzt haben musste. Und beim wievielten Stich er selbst aufge-hört hätte, um auf Nummer sicher zu gehen. Abstechen kam aber eh nicht infrage. So einer, der, wenn schon, denn auch gehörig Blut spritzen sehen will, war Bengt-Jörn Schwenke nicht. Er bezeichnete sich selbst als sehr wohl sensibel.

Sollte Ihnen die Geschichte gefallen haben, würden wir uns über eine Stimme beim Vincent Preis freuen. Zur Wahl des Horrorpreises geht es hier: Vincent Preis 2020

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