Christian Weis - Dante Infernalis (Zwielicht 14)
Zwielicht 14 ist im Juni 2020 erschienen und steht zur Wahl beim Vincent Preis 2020.
Die Liste der Kurzgeschichten ist lang und gerade dort zählt jede Stimme.
Christian Weis stellt uns in „Dante Infernalis“ einen Basser vor, der unbedingt eine neue Stelle braucht. Da kommt das Angebot einer sehr erfolgreichen Band gerade recht - doch das Vorspiel entwickelt sich etwas anders, als gedacht.
Die vollständige Story findet sich in Zwielicht 14:
Christian Weis - Dante Infernalis
Be prepared
For what’s to come
Judas
Priest, Metal Messiah
Er
war bereit. So bereit, wie er nur sein konnte.
Elias
stieg aus dem Taxi und stellte den Mantelkragen hoch. Die Sonnenstrahlen kämpften
vergeblich gegen das Einerlei aus Wohnbunkern und tief hängenden Wolken an;
dünne Lichtspeere im trüben Großstadtgrau, chancenlos gegen das Untier, zu dem
dieses Viertel mutiert war.
Der
Gitarrenkoffer wog schwer in seiner Hand, aber Elias wollte ihn auf keinen Fall
missen. Ohne den vertrauten Steinberger E-Bass hätte er wohl mehr als nur einen
von Hectors Brain Specials gebraucht, um seine flattrigen Nerven zu beruhigen.
Auf
der Treppe, die zu dem Bungalow auf dem Hügel führte, beschleunigte Elias seine
Schritte. Hoffentlich ruinierte der einsetzende Nieselregen nicht den
Designermantel, den Hector ihm geliehen hatte, damit er nicht so abgerissen
aussah wie sein gepfändetes Bankkonto. Diesen Job brauchte er so dringend wie
Atemluft. Dabei war es ein ausgesprochener Glücksfall gewesen, dass Hector ihm
den Tipp gegeben und beim Manager von Dante Inc. ein gutes Wort für ihn
eingelegt hatte. Deren Bassist war ausgefallen, also engagierten sie einen
Ersatzmann, um die letzten Stücke fürs neue Album einzuspielen, das in Kürze
auf den Markt kommen sollte. Elias war verfügbar, und er war einst ein Könner
gewesen – bevor er wegen diesem Miststück Gina aus den Latschen gekippt war.
Als
er auf den Klingelknopf drückte, entfaltete der Brain Special endlich seine
volle Wirkung. Elias war die Coolness in Person. Bevor die Tür geöffnet wurde,
verschwendete er einen Gedanken daran, ob der Hirncocktail nicht vielleicht
etwas zu hoch dosiert gewesen war, aber angesichts des flügellosen
Rauschgoldengels, der ihm die Hand reichte, verflogen die Zweifel wie ein
aufgeschreckter Vogel.
Dominique
DuSaint trug anstelle der hautengen Lederklamotten, in denen sie sich
üblicherweise der Öffentlichkeit präsentierte, eine Art Kaftan, der so eng
geschnitten war, dass er nicht wie ein silbergoldener Sack wirkte, sondern ihre
Figur betonte.
„Willkommen
in unserer bescheidenen Hütte!“, begrüßte sie Elias mit der rauchigen Stimme,
die Dante-Inc.-Fans in Verzückung, gelegentlich auch in Raserei versetzte.
Der
Bungalow wirkte alles andere als bescheiden. Hier zeigte sich der Erfolg, den
sich die Band in den vergangenen Jahren erarbeitet hatte; nicht nur in den
Gold- und Platinscheiben an den Wänden, sondern auch in der Handschrift eines
gewiss nicht billigen Innenarchitekten. Er hatte die Einrichtung um die
Auszeichnungen und Coverabbildungen der Dante-Inc.-Alben herum designt.
Blinkendes Chrom, Carrara-Marmor, tiefschwarzer Obsidian und roter Samt
beherrschten die Eingangshalle. Auf dem Boden, an den Wänden und an der Decke
fanden sich die Motive aus Dantes Inferno
von den Covern wieder.
Die
Halle beanspruchte etwa ein Drittel der Gebäudefläche, schätzte Elias. Das
Aufnahmestudio befand sich vermutlich unter der Erde, während das Obergeschoss
wohl eher Wohnräume beherbergte. In der rückwärtigen Wand nahm eine breite
Fahrstuhltür Elias’ Blick gefangen, die Auguste Rodins Höllentor nachempfunden war: Nackte Körper, teilweise ineinander
verschlungen und mit dem Fels verschmolzen, litten infernalische Qualen und
reckten dem Betrachter ihre Arme Hilfe suchend entgegen. Elias fühlte sich an
das Cover von Dante Inc.s erstem Album Hell
Machine erinnert.
Nachdem
er seinen Rundumblick beendet hatte, nickte er anerkennend, fast
ehrfurchtsvoll, und zauberte damit ein Lächeln auf Dominique DuSaints
ebenmäßiges Gesicht.
„Ja“,
sagte sie, „das muss ich den Jungs lassen: Sie haben uns die Bude stilecht
eingerichtet.“ Achselzuckend fügte sie hinzu: „Man gewöhnt sich daran. Wir
wohnen übrigens nur hier, wenn wir Aufnahmen machen. Dabei kommen schnell mal
zwölf, vierzehn Stunden am Stück zusammen.“ Mit einem Augenaufschlag ergänzte
sie: „Da ist man froh, wenn man nicht erst nach Hause fahren muss, um ins
Bettchen zu fallen.“
Zur Wahl des Horrorpreises geht es hier: Vincent Preis 2020.
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