Ina Elbracht (Interview)
Michael Schmidt: Liebe Ina, stell dich doch
den Lesern von Zwielicht einmal vor.
Ina Elbracht: Hallo, mein Name ist Ina und
ich bin schreibabhängig. Ich habe ein paar Mal versucht damit aufzuhören, aber
das ging nie lange gut. *Selbsthilfegruppemäßiges-Hallo-Ina-Murmeln*
Ich habe früher gedacht, dass ich eine
normale Erwerbsbiografie mit dem Schreiben in Einklang bringen müsste, aber das
sehe ich heute nicht mehr so. Weniger müssen, mehr wollen. Auch wenn das heißt,
für den Broterwerb immer nur mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein. Ich lebe unaufgeregt
und unspektakulär, daher gibt es zu mir wirklich nicht so viel zu sagen. Meine
Texte sind auf jeden Fall interessanter als ich.
Michael Schmidt: Meine erste Begegnung mit
deinem Werk war in Windschatten. Nachsehen ist ja eine doch recht
ungewöhnliche Geschichte. Erzähle mal wie die Idee entstand!
Ina Elbracht: Ich fand interessant, dass es
schon zu E.T.A. Hoffmanns Zeiten die sogenannte „Automatenangst“ gab, die in
der Puppe Olimpia im „Sandmann“ ihren Widerhall findet. Auch die Frage, wie es
um Androiden bestellt sein kann, die zweifeln, ob sie menschlich oder Maschinen
sind, ist ja spätestens seit „Bladerunner“ eigentlich ein alter Hut. Ich fand
es dennoch reizvoll, diese Dinge miteinander zu verbinden und unter die Frage
zu stellen: Wer fürchtet sich eigentlich vor wem? Oder vor was? Und: Wie fragil
ist das Selbstverständnis der eigenen Wahrnehmung?
Michael Schmidt: Du bist mit Escape Room in
Zwielicht 14 vertreten. Worum geht es in der Geschichte?
Ina Elbracht: Es geht um zwei Influencerinnen,
die erfolgreich auf Youtube selbstgedrehte Filme präsentieren, die sie in
„abandoned premises“ zeigen, auch bekannt als „Lost Places“. In der Geschichte
kommen sie zu einem verlassenen Jagdschloss im militärischen Sperrgebiet und
einer Kapelle, die Sankt Wilgefortis gewidmet ist, einer Heiligen mit Vollbart.
Ein Trip, den die beiden vielleicht lieber nicht angetreten hätten. Aber dafür
ist es jetzt zu spät, denn die Story erscheint ja bald im neuen Zwielicht,
worüber ich mich sehr freue.
Michael Schmidt: Auch in der aktuellen
Basement Tale Vol.8 bist du vertreten. Worum geht es da in deiner Geschichte?
Ina Elbracht: Die demnächst erscheinende
Ausgabe steht unter dem Motto „Kopflos“ und das habe ich sehr wörtlich
genommen. Heads will roll. Unter anderem der von Peter Kürten, dem „Vampir von
Düsseldorf“, den der Protagonist der Geschichte, ein Privatdetektiv, aufspüren
soll. The Dandy is Dead spendiert in den Basement Tales ja jeweils Poster zu
den Geschichten, quasi wie ein Filmplakat zum Text. Verleger Tom Becker hat
mich vorab einen kleinen Blick darauf werfen lassen – Wahnsinn! Das wird ein tolles
Heft.
Michael Schmidt: Auf dem Buch Klunga und die Ghule von
Köln steht nicht dein Name. Aber du hast was mit dem Buch zu tun?
Ina Elbracht: Die Grundidee zum Roman stammte
von meinem Co-Autor Alexander Schmalz. Ich habe zwar anteilig den meisten Text
geschrieben, aber wir haben Handlung und Figuren komplett zusammen konzipiert
und entwickelt. Als gemeinsames Pseudonym ist dann „Adam Hülseweh“ entstanden.
Im Klunga-Projekt mit von der Partie war noch der Künstler Daniel Bechthold,
der die Geschichte für uns illustriert hat.
Michael Schmidt: Ghule und Köln, passt das?
Wie kam das Buch an?
Ina Elbracht: Unsere Ghule leiden sehr unter
dem schlechten Image, das sie in der fantastischen Literatur sonst so haben.
Das ist aber alles üble Vampir-Propaganda. Sie sind eigentlich sowas wie die
Geier des Menschenreichs und waren lange Zeit dazu verdammt, Diener von
Vampiren zu sein. Der Name „Klunga“, den der älteste Ghul der Stadt trägt, ist
das mittelhochdeutsche Wort für „Knäuel“ aus dem sich das Wort „Klüngeln“
abgeleitet hat. Und das ist es, was sie tun. Deshalb passen Ghule und Köln so
gut zusammen.
Das Buch hat – obwohl ein Selfpublishing/Print
on demand von unbekannten Autoren mit wenig Reichweite – viel mehr
Aufmerksamkeit bekommen, als ich zu hoffen gewagt hätte. Und das nicht nur in
der Region, sondern auch anderswo. Das hat uns natürlich riesig gefreut und
hängt ganz sicher damit zusammen, dass es in der Phantastik-Szene so
aufgeschlossene und interessierte Leser*innen gibt, die Unbekanntem eine Chance
geben.
Michael Schmidt: Dein Roman Der Todesengel
erschien bei Blitz. Warum sollte man den Roman lesen und werden weitere
Beiträge in dieser Reihe von dir erscheinen?
Ina Elbracht: „Der Todesengel“ ist eine Neuinterpretation/das
Weiterspinnen einer mittelalterlichen Sage, in der Richmodis von Aducht, eine
Dame von Stand, versehentlich im Pestgrab landet. Ob ein Buch zum Thema
Seuchen, Untote und Dämonen gerade dem Zeitgeist entspricht und man es deshalb
zur Hand nehmen sollte? Es ist jedenfalls eine böse, kleine Geschichte.
Ein weiterer Titel für die Reihe
„Gruselthriller“ ist bislang nicht geplant. Mir hat dieses Format beim
Schreiben aber so viel Spaß gemacht, dass ich, sollte das überhaupt gefragt
sein, zum Wiederholungstäter werden könnte.
Michael Schmidt: Pentimenti erscheint im
September bei Wurdack. Limitiert auf 100 Exemplare. Sind noch Bände verfügbar?
Ina Elbracht: Ich vermute ja, würde dazu aber
lieber an Ernst Wurdack verweisen. Der weiß Bescheid.
Michael Schmidt: Ich habe den Band schon
vorbestellt und freue mich. Mach mir doch mal den Mund wässrig und erzähle,
worauf ich mich freuen darf!
Ina Elbracht: Oh schön, das freut mich. Pentimenti ist in Zusammenarbeit mit dem Illustrator Daniel Bechthold
entstanden, dessen Arbeiten wirklich etwas Besonderes sind und die Dich, lieber
Michael, schon allein für sich, den Kauf garantiert nicht bereuen lassen werden.
Im Buch geht es um einen Kunstmaler, der
figürlich arbeitet und damit nicht dem Zeitgeist der Malerei der 50er und 60er
Jahre entspricht. Gerade das macht ihn anfällig für sinistre Gestalten, die ihn
zum unfreiwilligen Geburtshelfer des Grauens machen. Dann gibt es noch eine Kunststudentin,
die ein Spukhaus geerbt hat und einen Hippie, der nicht mehr aus einem
Westernstädtchen herauskommt. Und wie das alles zusammenhängt, wirst du dann
hoffentlich – wenn die Corona-Krise endlich ein Zusammentreffen von Daniel,
Ernst und mir zum Zwecke des Signierens erlaubt – im September in „Pentimenti“
nachlesen können.
Michael Schmidt: Die Illus hier sind echt ein Hingucker. Da freue ich mich aber extrem auf Pentimenti . Aktuell erscheint ja eine
Menge von dir. Zufall oder wird das so weitergehen?
Ina Elbracht: Großer Zufall. Ich schreibe
schon so viele Jahre ohne Roman-Veröffentlichung und dann passiert auf einmal
innerhalb eines Jahres so viel. Das ist wunderbar, aber keine Richtschnur für
künftige Veröffentlichungen. Wer sollte das auch alles lesen?
Michael Schmidt: Das alte Problem. Ich hoffe aber du findest zahlreiche Leser und dann wäre auch das gelöst. Welche Werke von dir dürfen
wir für die Zukunft von dir erwarten? Woran arbeitest du und was ist schon
fertig und harrt auf Veröffentlichung?
Ina Elbracht: Im September erscheint bei
Whitetrain „Die Zeit der Feuerernte“, ein Novellenkreis, an dem ich die Freude
hatte, neben Tobias Reckermann, Erik R. Andara, Christian Veit Eschenfelder und
Felix Woitkowski mitwirken zu dürfen.
Ansonsten arbeite ich aktuell mit Jörg
Kleudgen an einem Titel für die Reihe „Lovecrafts Schriften des Grauens“ bei
Blitz. Dieser erscheint, wenn alles gut läuft, im Frühjahr 2021.
Michael Schmidt: Wie würdest du dich als
Autorin beschreiben?
Ina Elbracht: Unprätentiös.
Michael Schmidt: Was liest Ina Elbracht so
wenn sie nicht gerade selbst schreibt?
Ina Elbracht: Die Frage ist gut gestellt, denn
es fällt mir in Phasen intensiven Schreibens tatsächlich sehr schwer, jenseits
von Recherche oder Textarbeit zu lesen. Irgendwie bin ich ein kümmerlicher
Wenigleser geworden, aber das wird bestimmt auch wieder besser. Wenn ich dann
doch mal lese, tue ich das gern und intensiv und versuche, den Horizont
offenzuhalten, mir Bücher empfehlen zu lassen und nicht immer auf Autoren zu
setzen, die ich kenne und mag.
Michael Schmidt: Liest du auch
deutschsprachige Phantastik und wie würdest du die Szene einschätzen?
Ina Elbracht: Die deutschsprachige Phantastik
interessiert mich sehr. Sie ist lebendig, vielfältig, experimentell und
wunderbar verrückt. Doch auch hier klaffen bei mir mehr Lücken als Kenntnis
herrscht (s.o.). Ausgelöst durch die Arbeit am Lovecraft-Projekt und
verschiedene sanfte Hinweise möchte ich jetzt zumindest mal die Schande
beenden, noch nie etwas von Michael Siefener gelesen zu haben. Ein
unerträglicher Makel, wie Du mir sicherlich bestätigen wirst.
Michael Schmidt: In Zwielicht 14 wirst du zumindest eine Geschichte von Michael Siefener antreffen und vielleicht infiziert dich diese ja.
Es wird ja immer gesagt,
Frauen wären im Horror benachteiligt. Kannst du das bestätigen und ist das bei
den Lesern überhaupt ein Thema?
Ina Elbracht: Ganz ehrlich: Keine Ahnung.
Innerhalb der „Szene“ konnte ich bislang keine geschlechtsspezifischen
Negativ-Vorurteile feststellen.
Michael Schmidt: Noch ein Wort an die Leser
dort draußen!
Ina Elbracht: Schön, dass es Euch gibt! Ihr
seid das Salz in der Suppe. Oder das Eis am Stiel. Oder was auch immer Euch
schmeckt. Jedenfalls fantastisch und wunderbar!
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