In Trance

In Trance (aus Zwielicht 8)
Der Titel wurde dem Lied In Trance von den Scorpions entliehen.
Die Geschichte spielt in Silbermond und erschien im Mai 2016.
Leseprobe:
Die Kaschemme ist laut und dreckig, vor
allem Letzteres. Die Legionen an Staubpartikeln tanzen gehorsam zum wummernden
Bass in Reih und Glied. Mein Blick
wandert zur abblätternden Tapete, mustert die schwarzen Flecken, die sich
scheinbar bei jedem neuen Besuch weiter ausbreiten und im Begriff sind,
endgültig die Herrschaft über den Laden zu übernehmen.
„Pfefferminz, ich muss mal ein ernstes
Wort mit dir reden. So geht das doch nicht weiter. Ewig in den Tag
hineinzuleben, wie eine frisch gepflanzte Blume, die nicht weiß, wohin sie ihr
Wurzelwerk strecken soll. Weißt du, dein Leben ist eine einzige Baustelle.
Unvollendet bis ins Gehtnichtmehr. Gib dir mal einen Ruck und fang was
Richtiges an. Schau mich an! Bald ist es so weit und ein neuer Mensch bereichert
Silbermond mit seiner Aura.“
Glücklich lächelnd streichelt Liz über
ihren Bauch, während ihr verliebter Blick
Kamille streift.
„Vielleicht sollten wir ihn nach dir
benennen.“
Ich glaube es ja nicht. Was bildet sich
Liz nur ein?
In mir wächst die Wut wie ein aggressives
Krebsgeschwür. Ich rette die Alte aus den Fängen des schlimmsten Zuhälters, sie
schmeißt sich meinem besten Kumpel Kamille an den Hals und als Dank darf ich
mir Vorträge über mein angeblich gescheitertes Leben anhören. Ich liebe mein
Leben. Ich bin unabhängig, kann machen, was ich will. Kein schreiendes Baby, keine
unzufriedene Frau, die mich malträtiert, nur weil ihre Hormone mal wieder
Purzelbaum schlagen. Also weißt, du, das kann ja echt nicht sein. Wie frech ist
das denn.
Okay, es mag sein, dass an ihren Worten
ein winziges Körnchen Wahrheit steckt. Aber wen interessiert das? Mich mit
Sicherheit nicht.
Nein, mit mir zieht sie diese schräge Show
nicht ab. Das könnte mein Kind sein, ohne Zweifel und dann wäre ich derjenige,
der mir überlegen grinsend gegenüber sitzt und schlaue Sprüche klopft. Kamille,
du Knalltüte. Warum stehst du mir nicht bei?
Ich bin ein hart arbeitender Gauner und
verdiene Respekt. Hat Liz auch nur die geringste Ahnung, wie schwer das ist,
sich einen regelmäßigen Lebensunterhalt zu verdienen? Wie aufwendig das
Sozialleben ist, wenn man jeden Tag mit einer neuen Herausforderung begeht, und
um einen rum die engsten Freunde wegsterben wie die Fliegen. Nein, Liz, das
verwöhnte Bauernmädchen, hat nicht die leiseste Ahnung. Mit einem Zug leere ich
den Bierhumpen und springe abrupt auf.
„Liz, du hast den Nagel auf den Kopf
getroffen. Es ist so weit. Ich gehe jetzt mein Leben ändern. Meine Uhr tickt
und ich werde heute die Gelegenheit beim Schopf packen. Man sieht sich.“
Der Satz hängt noch schwer in der Luft, da
eile ich schon nach draußen, froh, der miefigen Zweisamkeit entronnen zu sein.
Kamille, willkommen im Club der Spießer. Mich wirst du da nicht begrüßen. Auf
gar keinen Fall.
Draußen recke ich mich kurz, schaue nach
links und rechts und überlege, wie ich den beschissenen Abend noch retten kann.
Ins Proxy?
Ach, was mobilisierte frische Luft Körper
und Geist. Leicht angesäuselt schreite ich die Acacia entlang, schon wieder
besserer Dinge. Ich grüße die Schwangeren mit einem aufmunternden Lächeln,
stecke den Bettlern hier und da einen Groschen zu und bin ansonsten auf der
Suche nach dem Sinn des Lebens.
Der schaut mich freudig strahlend an,
streicht sich die roten Haare aus dem Gesicht, blinzelt mir frech zu und
verschwindet prompt wieder. Ich spiele die Salzsäule und stiere stumpf die
dunkle Tür an, die hinter ihr ins Schloss gefallen ist und mir den Blick
versperrt.
Sekunden vergehen, dehnen sich zu Minuten.
Ich zwinge mich zu atmen, trete einen Schritt zurück und mustere die Fassade
des heruntergekommenen Schuppens. Oben blinkt die Leuchtreklame in giftgrüner
Farbe.
Ballroom Blitz!
Ich gebe mir einen Ruck. Warum auch nicht.
Liz meint, ich solle was mit meinem Leben anfangen und ich spüre förmlich, dies
ist genau der richtige Zeitpunkt, um damit zu beginnen. Zum Trübsal blasen ist
morgen immer noch Zeit. Jetzt folge ich dem rothaarigen Vulkan.
Innen sieht der Schuppen besser aus, fast
ein Stück zu edel für mich. Und günstig ist es auch nicht, wie mir der Macker
an der Zahlstelle klarmacht. Zähneknirschend zahle ich meinen Obolus und trete
ein.
Innen setzt sich die giftgrüne Farbe fort,
die einzig mit dem allgegenwärtig matten Schwarz um Aufmerksamkeit buhlt. Der
Schuppen ist gut besucht und die Mugge laut und hart, so wie ich es mag. Ich
wippe ein wenig mit den Füßen, bevor ich einen Drink ordere. Mit dem Bier
bewaffnet schlendere ich umher, hier ein Flirt und da ein unverfängliches
Lächeln.
Und es dauert nicht lange, da habe ich den
rothaarigen Vulkan entdeckt. Oder besser gesagt sie mich. Ihr Lächeln ist eine
Mischung aus Provokation und purem Sex.
„Now
your Messin´ With A Son Of A Bitch!“, dröhnt es passend aus den Boxen,
Es wird Zeit, locker zu werden. Ich nippe
an meinem Bier, doch schon hat sie mich am Schlafittchen gepackt. Ihre Lippen
öffnen sich, die Zunge schießt hervor und sprengt meinen Widerstand in tausend
Stücke. Irgendwie kommen wir auf die Tanzfläche und je enger sie ihren Körper
an mich schmiegt, desto mehr schmilzt meine Schüchternheit im Fluss der
Hormone.
Als ich mich vollständig öffne, nutzt sie
die Gelegenheit und schleppt mich ins Freie. Wenig später landen wir in Vulkans
Heimstatt, machen es uns in ihrer Kiste breit und kaum geht die Sonne auf,
verschwindet sie auch schon wieder am Horizont. Und mit ihr der letzte Rest
meines in Auflösung befindlichen Verstands.
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