Maria
Ein Haufen Geschichten haben sich im Laufe der Zeit angesammelt. Geschichten verschiedenster Genres, verschiedenster Art. Zeit genug, die Geschichten Stück für Stück zu präsentieren:
Maria (aus Creatures, Teutonic Horror, Zwielicht Classic 3 und Wolfsbrut)
Leseprobe:
Erstveröffentlichung: März 2008
Zu beziehen:
Maria (aus Creatures, Teutonic Horror, Zwielicht Classic 3 und Wolfsbrut)
Leseprobe:
Alltag, die ganze Woche.
Die Tage verrinnen,
verwischen in einem Grau, ohne jeglichen Höhepunkt. Keine Höhen, keine Tiefen,
ein unbefriedigendes Mittelmaß der Dinge. Wie lange dauert dieser Zustand schon
an?
Eindeutig zu lange!
Ich fühle mich bar jeden Gefühls, eher einer Maschine
gleich als einem lebendigen Wesen. Kennen Sie dieses Gefühl? Diesen Zustand des
Nichtseins?
Es gibt keinen Schmerz, aber auch keine Freude. Wie
das monotone Rauschen des Radios, dessen Empfang keinen Sender findet.
Warum lebe ich überhaupt? Ist meine Anwesenheit auf
der Welt nicht überflüssig? Würde mich denn jemand vermissen? Würde es
überhaupt jemandem auffallen wenn ich nicht mehr da wäre?
Es ist ein Leben wie in Watte, gedämpft wie bei
starkem Nebel, undeutlich, irreal. Als hätte sich ein Riss zu einer anderen
Welt aufgetan, deren Farben blasser, deren Geräusche dumpfer sind. Das Fehlen
jeglicher Intensität.
Fühle ich überhaupt noch? Kein Kribbeln im Bauch,
keine zitternden Knie, kein wild und laut pochendes Herz. Die totale
Verweigerung der Hormone, ein Nichtvorhandensein von Adrenalin. Es ist
unerträglich.
Ich reiße das Fenster auf. Sofort zieht ein Schwall
kalter Luft in das Zimmer und vertreibt den schalen, abgestandenen Mief. Ich
inhaliere den Sauerstoff. Die frische Luft weckt meine müden Lebensgeister.
Gänsehaut überzieht meine nackten Arme. Die kalte Luft brennt in meinen
Atemwegen, gibt mir aber das Gefühl von Realität zurück. Mein Herzschlag erhöht
sich, während meine Brustwarzen sich verhärten und steif werden.
Ich zünde mir eine Zigarette an, inhaliere den
Rauch, lang und tief. Meine Lungen füllen sich mit dem giftigen Dunst, dann
presse ich den Rauch wieder aus ihnen heraus.
Vor mir liegt ein kleiner Wald, unberührt von der
Zivilisation,
wenn man von dem Haus, in dem ich lebe, einmal absieht.
Der Wald umschließt das Haus, nur eine schmale Straße führt zu bewohnten Gebieten.
Die Bäume stöhnen unter der Last der weißen Pracht, die in der Nacht vom Himmel
fiel. Auch der Schnee dämpft die wenigen Geräusche, die von den Bewohnern des
Waldes verursacht werden.
Ich schließe das Fenster, drücke die Zigarette im
Aschenbecher aus und gehe ins Bad. Das eiskalte Wasser weckt den Rest der
schlafenden Lebensgeister in mir. Ich werfe einen kritischen Blick in den
Spiegel. Das wirr um den Kopf stehende Haar zeigt die ersten grauen Stellen.
Meine blauen Augen liegen tief in ihren Höhlen, zeigen eine Erschöpfung, die
nicht von körperlicher Anstrengung her rührt. Die Wangen meines schmalen
Gesichts sind eingefallen und bleich, ein wenig mehr frische Luft und Bewegung
würde mir gut tun.
Doch ich meide die Nähe von anderen Lebewesen,
unabhängig davon, ob es sich um einen Mensch oder ein Tier handelt. Nur wenn
mich der innere Drang überwältigt, weiche ich von dieser Verhaltensweise ab.
Wenn der Alltag endet und das wahre Leben in mich zurückkehrt. Dann verändert
sich alles.
Wie gestern Nacht.
Es ist soweit.
Schon seit Tagen hatte ich die innere Unruhe in mir verspürt. Die dumpfe
Routine fällt von mir ab wie eine reife Frucht. Die Eindrücke intensivieren
sich. Ich hielt es zuletzt kaum noch in meinem Haus aus. Der abgestandene
Geruch von Essen und kaltem Tabakrauch quälte mich, trieb mich förmlich zum
Wahnsinn.
Jetzt ist es
dunkel. Die Sonne hat sich vor wenigen Minuten verabschiedet. Ich verlasse das
Haus. Weit entfernt nehme ich den Ruf einer Eule wahr, lausche weiter in die
Dunkelheit, doch die Antwort bleibt aus. Es ist kalt, trotz meines Felles.
Genau nach meinem Geschmack.
Ich werfe die
Läufe nach vorne, überlasse meinen Körper vollständig dem Instinkt.
Ich wittere
das Kleingetier bevor meine Augen sie erfassen, doch mir steht nicht der Sinn
nach ihnen. Ich jage weiter durch die magische Nacht, das helle Licht des
Vollmondes gibt mir Kraft. Ich stoppe, verharre und huldige ihm mit meinem
melodischen Gesang.
Meine Nase
spürt etwas. Ich wittere, bestimme die Richtung. Ich setze meine Muskeln ein,
jage durch die Nacht. Das Reh wittert mich ebenfalls, doch seine Reaktion kommt
viel zu spät. Ohne Erbarmen grabe ich meine spitzen Zähne in seine Flanken,
stoße es zu Boden, lasse es aber unmittelbar danach wieder frei.
Der Blutgeruch
macht mich schier wahnsinnig. Tief sauge ich die Angst des wehrlosen Wesens in
mich auf. Ah, welch ein Genuss. Ich verfolge das Tier weiter, grabe hier und
dort meine scharfen Zähne in sein weiches Fleisch und weide mich an seiner
Qual.
Urplötzlich
habe ich genug von dem Spiel. Der Blutdurst übernimmt die Kontrolle, fegt den
letzten Rest von Verstand davon. Ich zerfetze ihm den Nacken und lasse sein
Genick zerbersten. Das Leben fließt aus der Kreatur und ich labe mich daran.
Ich reiße Stücke des dampfenden Fleisches und schlucke sie unzerkaut herunter,
so gewaltig ist meine Gier. Erst nachdem ich meinen größten Hunger gestillt
habe, werde ich geduldiger und zelebriere den Rest des Mahles.
Die Kraft des
Rehs pulsiert durch meine Adern. Ich huldige dem Mond und erbebe in Vorfreude
auf weitere Erlebnisse in dieser speziellen Nacht. In schnellen und weiten
Sprüngen durchquere ich den Wald, eins mit der Natur, berauscht von Blut und
Mond. Immer mehr nähere ich mich der Siedlung der Menschen und mein Drang zu
töten wird immer stärker, immer unkontrollierbarer.
Ein einzelnes
Haus steht abseits von den anderen. In vollem Lauf durchbreche ich das Fenster
bevor ich den Gedanken auch nur gedacht habe. Mein Geruchssinn hat mich richtig
geleitet, ich lande im Schlafzimmer. Die beiden Menschen liegen nackt
übereinander, die in der Luft liegende Hitze raubt mir den letzten Verstand.
Beide schauen mich aus entsetzten Augen an.
Sie ahnen, was
ihnen bevorsteht, doch es nützt ihnen nichts mehr.
Ich werfe mich
gegen die oben liegende Frau, stoße sie aus dem Bett. Ihre Seite ist von
blutigen Striemen entstellt als sie schreiend zu Boden geht. Des Mannes
Geschlecht ragt steif nach oben, doch seine Erregung wird ein abruptes Ende
nehmen. Ein Biss zerfetzt seine Kehle, ich trinke sein Blut, während die
Krallen meiner Vorderpfoten seinen Leib öffnen. Ein weiterer Biss und sein noch
heiß pulsierendes Herz wird zu delikaten Mahlzeit.
Dann wende ich
mich von ihm ab, seinem schreienden Weib zu. Ihre nackten Brüste werden von
einem Schauer der Angst überzogen. Sie kauert am Boden, die Hände vor Brust und
Scham verschränkt, als ob ihre Nacktheit eine tiefere Bedeutung hätte. Für mich
nicht. Langsam nähere ich mich ihr, koste dabei ihre Verzweiflung und ihre
Angst aus, spüre die heftige Zirkulation ihres Blutes. Sie versucht
wegzukriechen, dabei zuckt ihr Mund unkontrolliert. Sabber fließt ihre Mundwinkel
herunter.
Ich beende das
Schauspiel mit ein paar kräftigen Hieben. Ihre Schönheit ist fortan
Vergangenheit. Die beiden Körper liegen reglos in dem Zimmer und zeugen von
meinem Tun. Der erregende Duft von Blut und Angst erfüllt das Zimmer. Ich sauge
die Emotionen auf, das Gefühl der Lebendigkeit bekommt eine Intensität, die
fast schmerzhafte Formen annimmt.
Dann verlasse
ich den Ort und renne weiter mit dem Vollmond. Nicht mehr lange und ich muss
zurückkehren, ich spüre das Tier schon schwächer werden.
Erstveröffentlichung: März 2008
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